Musikkritiker über das Werk vom "Boss"

    Springsteens Wut über die kapitalistischen Auswüchse

    US-Sänger Bruce Springsteen beim Konzert auf seiner "The River Tour" in Den Haag im Juni 2016
    US-Sänger Bruce Springsteen beim Konzert auf seiner "The River Tour" in Den Haag im Juni 2016 © picture alliance / dpa / Paul Bergen
    Uwe Wohlmacher im Gespräch mit Mareike Knoke |
    In dieser Woche erscheint die Autobiografie "Born to Run" von Bruce Springsteen. Musik-Redakteur Uwe Wohlmacher über seine bedeutendsten Alben und einen Song der beweist, dass "Der Boss" auch heute noch mit musikalischen Überraschungen überzeugt.
    Deutschlandradio Kultur: Es gibt einen großen Hype um die Autobiografie von Bruce Springsteen, die am heutigen Dienstag weltweit erscheint. Welche Bedeutung hat Bruce Springssteen heute noch?
    Uwe Wohlmacher: Abgesehen davon, dass seine Studioalben regelmäßig in allen wichtigen Ländern auf Platz 1 landen, finde ich es immer wieder bewundernswert, wie Springsteen bis heute latent oder vordergründig vorhandene gesellschaftliche Problem der USA aufgreift – und von seinem Publikum auch verstanden wird.
    Deutschlandradio Kultur: Welche seiner Alben oder Songs werden "bleiben"?
    Uwe Wohlmacher: Sein drittes Studioalbum "Born To Run" war 1975 das Album, auf dem er seinen endgültigen Sound gefunden hatte und mit dem Titelsong einen seiner bis heute besten Roadsongs schrieb. Bis heute hat sich an der Qualität und Bedeutung dieses Albums nichts geändert, das für viele amerikanische Jugendliche der Soundtrack zum Erwachsenwerden war und wie kein zweites die Vision des amerikanischen Traums in Frage stellte. Für mich das erste Highlight seiner Karriere und bis heute eine meiner Lieblingsplatten von ihm.
    Mit "Nebrasska" von 1982 unterstrich Springsteen, dass er sich auch auf leise Töne versteht und ihm ein musikalisch und textlich hochsensibles Werk in der Tradition der besten Arbeiten von Bob Dylan und Neil Young gelang.
    Deutschlandradio Kultur: Und was macht Springsteen heute aus?
    Uwe Wohlmacher: Auf seinem aktuellen Album "High Hopes" von 2014 beweist Springsteen, dass er sich auf seinen musikalischen Meriten nicht ausruht und soundmäßig auf neues und damit dünnes Eis wagt. Hier treffen Latin-Sounds auf Mainstream-Rock und ein Gospel-Chor auf Industrial-Gitarren-Riffs. Gast bei den Sessions war Tom Morello, Gitarrist der Avantgarde-Rockband Rage Against The Machine. Von etwaiger Altersmüdigkeit war darauf nichts zu spüren.
    Deutschlandradio Kultur: Was ist vom "Boss" musikalisch noch zu erwarten?
    Uwe Wohlmacher: Ein Beispiel dafür, dass "Der Boss" auch heute noch mit musikalischen Überraschungen überzeugt, ist der Song "The Ghost Of Tom Joad" aus dem letztjährigen Album "High Hopes" um den Hauptcharakter von John Steinbecks Depressionsroman "Früchte des Zorns", in dem Springsteen die Wirtschaftskrise der USA in den 1930er-Jahren in die Jetztzeit überträgt. Der Song ist ein fast acht-minütiges brachiales Breitwandrockwerk, in dem Springsteens Wut über die kapitalistischen Auswüchse von Tom Morello mit schneidenden, rauen Gitarrenriffs kongenial umgesetzt wurde.
    Uwe Wohlmacher, Musikredakteur beim Deutschlandradio Kultur
    Uwe Wohlmacher, Musikredakteur beim Deutschlandradio Kultur© Deutschlandradio / Cara Wuchold

    Hören Sie am Donnerstag, den 29. September ein ausführliches Gespräch mit Uwe Wohlmacher über die Autobiografie "Born to run" von Bruce Springsteen in der "Tonart" ab 15 Uhr 30.

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