Musikszene in Tschechien

Jazzen an der Moldau

Prag
In Prag entwickelt sich eine neue Jazzszene. © imago/Westend61
Von Thorsten Bednarz |
Bestens ausgebildet, technisch versiert und gut vernetzt: In den vergangenen Jahren ist in Prag eine neue Jazzszene entstanden, die auch international Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Wie in vielen anderen früheren Ostblockstaaten hatte der Jazz in der früheren Tschechoslowakei lange Zeit einen schweren Stand. Vielleicht sogar noch schwerer als in der früheren DDR, denn obwohl die tschechischen Kollegen bestens ausgebildet und technisch sehr versiert waren, haben viele von ihnen niemals den Untergrundstatus ihrer Musik hinter sich lassen können. Auch galt dort nicht Jazz, sondern Country als die freiheitlich-subversive Musik. So brach die Szene nach der samtenen Revolution erst einmal ein. Aber in den letzten Jahren traten viele junge Talente auf den Plan. Mit einer fundierten Ausbildung, vielen Kontakten ins Ausland und einer ganz eigenen Sicht auf die tschechische Musik. Jiri Slavik ist einer von ihnen. In diesem Jahr wird der Bassist 31 Jahre alt.
"Ich wurde in der jüngsten Stadt Tschechiens geboren, einer Bergarbeiterstadt, sehr kommunistisch damals. Aber mit 14 ging ich nach Italien, studierte dort am Konservatorium Santa Cecilia, wechselte später nach London an die Royal Academy of Music und dann lebte ich sieben Jahre lang in Paris. Nach 14 Jahren im Ausland bin ich vor zwei Jahren nach Tschechien zurückgekommen. Da war ich 28 und hatte mein halbes Leben im Ausland verbracht."
Geht man heute abends durch Prag, findet man viele Clubs, in denen Jazz gespielt wird. Mehr als jemals zuvor, wenn auch meist eher in einer touristenfreundlichen Variante. Aber das passiert wohl jedem, der nicht die einschlägigen Clubs in einer fremden Stadt kennt, ergänzt Jiri Slavik. Lange Zeit hatte die große amerikanische Community, die in Prag lebt, die Clubs der Stadt ihrer Hand. Aber inzwischen haben sich auch neue Spielstätten etabliert, die sich stärker der nationalen Szene widmen. Und nach dem Zusammenbruch des einstigen Staatslabels Supraphon werden inzwischen auch wieder neue Jazzalben aufgelegt.

Die Szene wächst

"In der letzten Zeit wurden vielleicht nicht viele Jazzalben produziert. Aber zumindest haben wir jetzt in Prag das Label Animal Music und wenn ich mich nicht irre, wurden da bestimmt 70 Platten in den letzten 10 Jahren veröffentlicht. Es gibt nur dieses eine Label, welches sich um den tschechischen und Prager Jazz kümmert. Aber wir haben ja auch nicht so eine große Szene wie etwa Berlin oder Paris. Das muss man auch berücksichtigen."
Dabei ist die tschechische Szene stilistisch breit gefächert. Neben seinem Soloprojekt etwa spielt Jiri Slavik zum Beispiel auch in der Band von David Doruzka. Der studierte Gitarre am Berklee College u.a. bei Pat Metheny und gilt mit seinem neuen Album "Autumn Tales" als der junge Superstar und als Aushängeschild der aktuellen Szene. Sein Sound ist stark von den Jahren in den USA geprägt, könnte man meinen. Insofern der Gegenpol zur Neuentdeckung der tschechischen Musik, wie Jiri Slvik sie betreibt. Doch das hört David Doruzka nicht so gern:
"Es gibt viele Einflüsse in der Musik meines Trios, sicher auch einige amerikanische. Aber ich würde nicht sagen, dass diese überwiegen. Ich habe ein Trio mit Gitarre, Bass und Schlagzeug - und es wird viel improvisiert. Da können einem schnell viele amerikanische Bands in den Sinn kommen, die in der gleichen Besetzung spielen. Aber das Material und die Herangehensweise sind doch ganz anders."

Nicht attraktiv genug für ausländische Musiker

Zwar liegt Prag mitten im Zentrum Europas und wer in Berlin, Nürnberg oder Wien spielt, könnte leicht einen Abstecher auf der Tour in die tschechische Hauptstadt machen, aber die Gagen, die dort gezahlt werden, erscheinen vielen Musikern nicht sonderlich lukrativ. Und viele Musiker, die eventuell dort leben wollen würden, scheitern schnell an der Sprachbarriere. Umgekehrt fehlt den tschechischen Musikern noch die internationale Anerkennung, um etwa selbst auf ausgedehnte Tourneen gehen zu können. Aber auch da werden wichtige Anfänge gemacht.
"Wir haben in unserer Gruppe eine Verbindung nach Deutschland mit dem Schlagzeuger Martin Novak. Er studierte bis vor wenigen Monaten in Berlin am Jazzinstitut. Jetzt wurde sogar ein Austauschprogramm mit der Akademie in Brünn aufgestellt, an der David und ich ja auch unterrichten. Es gehen mehr und mehr Musiker nach Berlin oder Leipzig. Aber an einem längeren Austausch in der Zukunft müssen wir noch arbeiten. Und ich wäre sehr glücklich, wenn es dazu käme und das mehr frische Luft und fremde Gesichter nach Prag bringen würde in diese kleine, fasst klaustrophobische Szene."
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