Musiktheater der Grausamkeit
Die fundamentale Konfrontation zweier Kulturen machte Wolfgang Rihm zum Thema seiner Oper "Die Eroberung von Mexiko": Im Mittelpunkt des opulenten Musiktheaters stehen Atztekenherrscher Montezuma und Eroberer Cortés. Ein großer Wurf, so befand die Kritik nach der Uraufführung am 9. Februar 1992 an der Staatsoper in Hamburg.
Es geschah vor fünfhundert Jahren: die Eroberung Mexikos durch den Spanier Cortés, die Auslöschung der Aztekenkultur des Königs Montezuma - ein Sieg der Habgier Europas. Der Komponist Wolfgang Rihm entwirft dazu ein Opernpanorama, das die fundamentale Konfrontation zweier Kulturen zum Thema hat.
"Das Missverstehen, das Missverständnis wird personifiziert durch die beiden Protagonisten Montezuma-Cortés, die ja nicht in der Absicht, einander misszuverstehen, aufeinander zugehen, sondern durchaus angezogen, abgestoßen, vom Fremdartigen des jeweils Anderen hingerissen. Aber sie können einander nur missverstehen, weil ihre Texte, von denen sie ihre Sprache haben, grundverschieden sind. Der eine sagt Gold, meint etwas ganz anderes als der andere, der andere sagt Gott, und meint etwas ganz anderes als der andere."
Wolfgang Rihm ist unter den lebenden Komponisten, neben Hans Werner Henze, der kreativste, einer, der häufig Erstaunen hervorruft. Denn er kann ein imposantes Werkverzeichnis vorweisen – mehr noch: Die ästhetische Qualität seiner Musik ist es, die ihm immer Aufmerksamkeit sichert. Knapp 40 Jahre war Rihm alt, als er sein Musiktheater "Die Eroberung von Mexiko" komponierte, das am 9. Februar 1992 an der Hamburger Staatsoper zum ersten Mal gespielt wurde, dirigiert von dem jungen Ingo Metzmacher.
Wolfgang Rihms Oper "Die Eroberung von Mexiko", zu der der Komponist selbst das Libretto schrieb, hat nichts mit einer so genannten Literaturoper zu tun, der klassisch vertonten Handlung eines Dramas. Rihm schuf eine Textcollage, Klanginseln, Klangskulpturen eines avantgardistischen Musiktheaters. Dem Stück zugrunde liegt eine Dramenvision des Dichters eines "Theaters der Grausamkeit", des Franzosen Antonin Artaud. Das Thema: Die Europäer führen in Kolonialkriegen den tödlichen Schlag gegen fremde Hochkulturen. Das Drama der Eroberung Mexikos durch Cortés im 16. Jahrhundert gipfelt im Opfertod des aztekischen Herrschers Montezuma, in Trauergesängen des dramatischen Soprans. Eine Oper beruft sich auf den Dichter Artaud, den es schaudert:
"Die Kolonialisierung lässt auf brutale, unversöhnliche, blutige Weise die stets wache Überheblichkeit Europas wieder aufleben. Sie konfrontiert das Christentum mit sehr viel älteren Religionen. Sie deckt die falschen Auffassungen auf, die sich das Abendland vom Heidentum und von bestimmten Naturreligionen hat bilden können."
Das Musiktheater "Die Eroberung von Mexiko" basiert auf vier Quellen – darunter Artauds Theaterentwurf, auf dem Gedicht "Der Urgrund des Menschen" des Mexikaners Octavio Paz und indianischer Lyrik. Rihm verzichtet auf jeden exotischen Folklorismus, die Oper gleicht einem gewaltigen Prisma, das die zersplitterten Texte, Bilder und Klänge auf höherer Ton- und Gedanken-Ebene magisch zusammenkittet: expressive Gesangslinien, Sprech- und Flüsterchöre, rauschhafte Rhythmik, rabiate Tonballungen – Rihms Mexikooper um die Figuren Montezuma, Cortés und die stumme Dolmetscherin Malinche, um die Mythisierung des Männlichen und des Weiblichen, das heroische Sterben von Mensch und Kultur, war ein großer Wurf, der bald auch an kleineren Theatern wie in Ulm oder Münster erprobt wurde.
"Das Missverstehen, das Missverständnis wird personifiziert durch die beiden Protagonisten Montezuma-Cortés, die ja nicht in der Absicht, einander misszuverstehen, aufeinander zugehen, sondern durchaus angezogen, abgestoßen, vom Fremdartigen des jeweils Anderen hingerissen. Aber sie können einander nur missverstehen, weil ihre Texte, von denen sie ihre Sprache haben, grundverschieden sind. Der eine sagt Gold, meint etwas ganz anderes als der andere, der andere sagt Gott, und meint etwas ganz anderes als der andere."
Wolfgang Rihm ist unter den lebenden Komponisten, neben Hans Werner Henze, der kreativste, einer, der häufig Erstaunen hervorruft. Denn er kann ein imposantes Werkverzeichnis vorweisen – mehr noch: Die ästhetische Qualität seiner Musik ist es, die ihm immer Aufmerksamkeit sichert. Knapp 40 Jahre war Rihm alt, als er sein Musiktheater "Die Eroberung von Mexiko" komponierte, das am 9. Februar 1992 an der Hamburger Staatsoper zum ersten Mal gespielt wurde, dirigiert von dem jungen Ingo Metzmacher.
Wolfgang Rihms Oper "Die Eroberung von Mexiko", zu der der Komponist selbst das Libretto schrieb, hat nichts mit einer so genannten Literaturoper zu tun, der klassisch vertonten Handlung eines Dramas. Rihm schuf eine Textcollage, Klanginseln, Klangskulpturen eines avantgardistischen Musiktheaters. Dem Stück zugrunde liegt eine Dramenvision des Dichters eines "Theaters der Grausamkeit", des Franzosen Antonin Artaud. Das Thema: Die Europäer führen in Kolonialkriegen den tödlichen Schlag gegen fremde Hochkulturen. Das Drama der Eroberung Mexikos durch Cortés im 16. Jahrhundert gipfelt im Opfertod des aztekischen Herrschers Montezuma, in Trauergesängen des dramatischen Soprans. Eine Oper beruft sich auf den Dichter Artaud, den es schaudert:
"Die Kolonialisierung lässt auf brutale, unversöhnliche, blutige Weise die stets wache Überheblichkeit Europas wieder aufleben. Sie konfrontiert das Christentum mit sehr viel älteren Religionen. Sie deckt die falschen Auffassungen auf, die sich das Abendland vom Heidentum und von bestimmten Naturreligionen hat bilden können."
Das Musiktheater "Die Eroberung von Mexiko" basiert auf vier Quellen – darunter Artauds Theaterentwurf, auf dem Gedicht "Der Urgrund des Menschen" des Mexikaners Octavio Paz und indianischer Lyrik. Rihm verzichtet auf jeden exotischen Folklorismus, die Oper gleicht einem gewaltigen Prisma, das die zersplitterten Texte, Bilder und Klänge auf höherer Ton- und Gedanken-Ebene magisch zusammenkittet: expressive Gesangslinien, Sprech- und Flüsterchöre, rauschhafte Rhythmik, rabiate Tonballungen – Rihms Mexikooper um die Figuren Montezuma, Cortés und die stumme Dolmetscherin Malinche, um die Mythisierung des Männlichen und des Weiblichen, das heroische Sterben von Mensch und Kultur, war ein großer Wurf, der bald auch an kleineren Theatern wie in Ulm oder Münster erprobt wurde.