Wo wütende Mörder die Waffe wegstecken
Wenn zwei Opernhäuser kooperieren, kann das die Kreativität verdoppeln. Auch die Koproduktion der Oper Dortmund mit dem Londoner Covent Garden von Verdis "Maskenball" überzeugt mit guten Einfällen. Wären der Inszenierung da nur nicht ein paar heftige Fehler unterlaufen.
Das Royal Opera House Covent Garden in London und die Oper Dortmund – obwohl das Musiktheater im Ruhrgebiet unter Leitung von Jens-Daniel Herzog wieder starker geworden ist, überrascht die Zusammenarbeit mit einem internationalen big player. Vor allem wenn es um eine Repertoire-Oper geht. Verdis "Ein Maskenball" wird bis Ende Oktober in Dortmund gezeigt und wechselt im November auf die Insel. Eine Reise ohne Rückfahrkarte – der Transport des Bühnenbildes wäre zu teuer.
Historische Kostüme und Industrielampen
Denn natürlich geht es ums Sparen. Eine so opulente Ausstattung hat Dortmund lange nicht gesehen. Die Werkstätten haben mit Stoffen gearbeitet, die sie zum Teil noch nie in Händen hatten. Britische Opernfans achten aufs Detail. Da müssen historische Kostüme und Gegenstände absolut korrekt sein. Dabei ist es überhaupt nicht klar, wo man diese Oper nun ansiedeln soll.
In Schweden Ende des 18. Jahrhunderts, weil die Ermordung des Königs Gustav III. die Grundidee lieferte? Oder in Boston während der Besiedlungszeit, wohin Verdi die Handlung nach Problemen mit der Zensur verlegen musste? Es gibt auch eine Fassung, die in Florenz im 14. Jahrhundert spielt. An verfallene Palazzi erinnert Soutra Gilmours Kulissen, doch von der Decke hängen Lampen, wie man sie auch in Industriehallen findet. Die Bilder öffnen Assoziationsräume.
Regisseurin Katharina Thoma nutzt sie allerdings nur zaghaft. Zu Beginn unterwandert sie die pathetische Vorstellung des mutigen, guten, tollen Königs Riccardo, indem sie den Jubelchor als Selbstinszenierung eines eitlen Machthabers zeigt. Nach seiner Ermordung wird er zum eigenen Denkmal. Viele gute Ideen stecken in der Inszenierung, aber auch platter konventioneller Leerlauf und heftige Fehler. Da will der von seinem besten Freund Riccardo fast gehörnte Renato seine Frau umbringen und packt, während er seine Tötungsabsichten singt, die Pistole weg.
Das Ensemble singt ausgezeichnet, hat aber wenig Lust zu spielen
Katharina Thoma hat in England eine vielversprechende Karriere begonnen. Ihre originelle und schlüssige Inszenierung der "Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss ist bei opus arte auf DVD erschienen, wurde zwar von vielen Kritikern verrissen, war aber doch ein Türöffner zu Covent Garden. Dort wird der Dortmunder "Maskenball" in drei Wochen mit anderen Sängern neu einstudiert und soll dann mehrere Spielzeiten laufen. Ähnlich arbeitet die Royal Opera oft, das spart Probenzeiten. Der Druck, es sich nicht mit den kritischen Londonern zu verderben, lastet schwer auf der Inszenierung.
Ebenso das zwar ausgezeichnet singende aber nicht gerade spielfreudige Ensemble. Tenor Stefano La Colla schleudert traumhafte Töne aus der Kehle, hat aber kaum Bezug zur Szene. Auch Susanne Braunsteffer singt Amelia ohne Tadel, aber es fehlt der letzte Kick, der Funken Liebeswahnsinn, die extreme Emotion, die nur ganz große Sängerinnen ohne die Hilfe einer guten Regie herstellen können. Am besten schlägt sich der Südkoreaner Sangmin Lee als Renato, erst nobel zurückhaltend, dann dramatisch ausbrechend. Während Dortmunds Generalmusikdirektor Gabriel Feltz nach einigen Wacklern im ersten Akt hinreißende Stimmungsbilder zeichnet.
Mittelmaß, das überall auf der Welt ankommt
Die Sänger müsste man eigentlich nicht austauschen, wenn die Produktion über den Kanal fährt. An der Inszenierung wäre noch viel zu verbessern. Es bleibt ein grundlegendes Unbehagen: Solche Koproduktionen sind doch eigentlich dazu da, um gemeinsam Abenteuer zu unternehmen. Und nicht damit ein Mittelmaß entsteht, das möglichst überall auf der Welt ankommt. Sonst wäre es doch schöner, einen "Maskenball" ausschließlich für Dortmund zu machen, ohne Samt, Brokat und Seide.