Muslimische Sufis in Pakistan

Fromme Sehnsucht unter Polizeischutz

20:16 Minuten
Tanzen mit Hingabe am Qalandar-Schrein in Sehwan Sharif
Qalandar-Schrein in Sehwan Sharif: Tanzen mit Hingabe © picture alliance / dpa / EPA / Nadeem Khawer
Von Gerd Brendel |
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Die Gräber islamischer Mystiker sind in Pakistan Wallfahrtsorte und soziale Treffpunkte. An den Sufi-Schreinen werden die großen Vorbilder mit Musik und Lyrik gefeiert – zum Missfallen muslimischer Extremisten, die diese Verehrung göttlicher Liebe strikt ablehnen.
"Ein Schloss mit tausend Türen, Fenstern ohne Zahl, wohin ich auch schaue, tritt mir der Geliebte entgegen."
Diese Zeile stammt aus einem Gedicht von Shah Latif. Der Sufi, Mystiker, Dichter und Musiker lebte vor 250 Jahren im Sindh, der südlichsten Provinz Pakistans. Seine Lieder und Erzählungen kennt hier jeder. Vor seinem Mausoleum treten bis heute Musiker und Sänger auf. Aber nicht nur hier. Fromme Musik "Kafi" und "Qawali" genannt, gehört zu den Hunderten von Sufi-Schreinen im Punjab und dem Sindh wie die Pilger und die tanzenden Derwische.
Meine Reise beginnt in Lahore, der ehemaligen Hauptstadt des Punjab. Heute verläuft die Grenze, die den Punjab in einen indischen und einen pakistanischen Teil trennt, nur eine halbe Stunde mit dem Taxi entfernt Richtung Osten. In einem Vorort liegt das Doppelmausoleum von Madhu und Shah Hussein.
Kein Schloss, ein schlichter Kuppelbau. Das Bild über dem Eingangstor erinnert an die Reklame für einen Bollywood-Film: Es zeigt das merkwürdige Paar, das hier begraben liegt: Einen kahlköpfigen alten Mann mit langem Bart, vor dem ein junger Mann kniet. Shah Hussein und sein Freund Madhu. Es ist kurz vor Mitternacht. Vor dem Wärterhäuschen sitzen ein paar alte Männer in roten weiten Gewändern: Derwische oder Malangs, wie sie hier genannt werden.
"Ein Malang ist ein Wanderasket, der die Gesellschaft ablehnt und nicht an persönlichen Besitz glaubt", erklärt der Schauspielstudent Abuzar, der sich Madhu nennt, nach Husseins Geliebten. Mit seinen langen Lockenhaaren, dem dichten Bart und den abgetragenen Jeans sieht er selbst aus wie ein moderner Malang.

Ein ungewöhnliches Liebespaar

Abuzar: "Shah Hussein war 60, als er den 16 jährigen Madhu zum ersten Mal sah und sich in ihn verliebte."
Im Mogulreich um 1590 wurden Beziehungen zwischen jungen und alten Männern akzeptiert. Was Husseins Zeitgenossen allerdings nicht tolerierten, war die Tatsache, dass Madhu Hindu war und dass Shah Hussein seine Liebe zu ihm offen zeigte. "Wenn ich mit dem Geliebten, dem König spielen kann, bin ich ein glücklich Weib, ja, für immer und für ganz", zitiert ihn Madhu alias Abuzar:
"Einmal, als Madhu mit seinen Eltern zu einer Wallfahrt zu einem weit entfernten Tempel aufbrechen sollte, ließ Shah Hussein ihn nicht mitfahren. Aber als die Eltern am Tempel ankamen, war Madhu schon da. Und als er starb, sollte er nach Hindu-Tradition verbrannt werden. Shah Hussein trat an das Totenbett und rief: Madhu, bitte, wach auf. Beim dritten Mal schlug der Junge die Augen auf und hielt sich an Shah Husseins kleinem Finger fest."
Unter der Kuppel aus buntem Glas des Mausoleums liegen beide nebeneinander. Gläubige haben Tücher mit Koranversen in leuchtenden Farben als Votivgaben über die Sarkophage gebreitet. Für sie sind die beiden zu einer Person verschmolzen: Zu "Madhu Lal Hussein".
Abuzar: "Wie alle Sufi-Lyrik erzählt auch Shah Hussein in seinen Gedichten von der Sehnsucht nach dem Geliebten. ‚Ischq‘, die Liebesbeziehung zwischen Gott und Mensch, steht im Mittelpunkt. Menschliche Liebe, wie die zwischen Shah Hussein und Madhu, ist nur die Brücke."
"Ischq kann mich empfindsamer machen und mich in einen komplett anderen Menschen verwandeln. denn Ischq lehrt uns, in jedem Menschen Gott zu erkennen."
Pakistanischer Sufi bei einem religiösen Festival: Askese und Mystik
Pakistanischer Sufi: Askese und Mystik© imago / ZUMA Press
Lange vor Shah Hussein hatte es der andalusische Gelehrte Ibn-Arabi um 1200 ganz ähnlich formuliert: Alle Menschen, ja die ganze Schöpfung reflektiert die Gegenwart ihres Schöpfers wie ein Spiegelbild und hat so Anteil am Göttlichen. Dieser Gedanke prägt den Sufismus auf dem indischen Subkontinent bis heute und erlaubt ein friedliches Nebeneinander unterschiedlicher Vorstellungen und Religionen. Gottes Liebe überwindet alle Grenzen.

Hoffnung auf Heilung am Schrein

Ein paar Tage später bin ich im Dorf Shah Aqee im Sindh, benannt nach Shah Aqee, der hier begraben liegt: Ein paar Hütten, ein paar Verkaufsbuden mit Krimskrams und Hunderte von Charpoys, schlichte Betten aus Holzrahmen und Seilen, für die vielen Familien, die hier für eine Nacht oder länger anreisen in der Hoffnung auf Heilung.
Mohammed Ali: "Shah Shah Aqee Baba wird auch der ‚spiritual surgeon‘ genannt, ‚der spirituelle Chirurg‘. Unheilbar Kranke aus dem ganzen Land und sogar aus Afghanistan und Nigeria kommen hierher."
Der Sozialarbeiter Mohammed Ali kümmert sich um die heilbaren Krankheiten der Pilger. Er arbeitet für eine NGO, die vor dem Schrein kostenlos gegen Polio und Masern impft. Für die hoffnungslosen Fälle ist Shah Aqee zuständig.
Dicht gedrängt stehen Männer und Frauen um das Gitter, das seinen Sarkophag schützt. Ein Mann betet mit lauter Stimme. Eine Frau wirft in Trance ihren Kopf hin und her. Eine andere lacht hysterisch auf.
Ali: "Eine Menge Leute kommen hierher, damit sie wieder "in Ordnung gebracht" werden."
Das kann während einer Nacht passieren oder länger dauern, wie bei der Frau von Malik Maloof, einem Verwaltungsangestellten aus Karachi.
Maloof: "Wir kommen aus Karachi. Meine Frau war dauernd krank, sie konnte nicht schlafen, nichts essen, sie hatte dauernd Kopfschmerzen, aber kein Arzt konnte helfen. Und da hörte sie eines Nachts im Traum eine Stimme, die sie aufforderte, hierher zu kommen."
Kaum hatte seine Frau den Schrein betreten, fiel sie in Trance und begann unkontrolliert zu brüllen.
Maloof: "Sie brüllte in einer fremden Stimme und rief Aqee an."
Für Maloof gab es nur eine Erklärung. Ein Dschin, ein böser Geist hatte von seiner Frau Besitz ergriffen. Vor Aqee, dem spirituellen Chirurgen und Meister aller Dschins konnte er sich nicht verbergen. Es war der Geist, der sprach, und nicht seine Frau.
Maloof: "Jemand aus der Verwandtschaft hat sie verhext."
Eine typische Krankengeschichte. Und meistens sind es Frauen, die beim Heiligen Hilfe suchen. Ob er die Verantwortlichen in seiner Verwandtschaft zur Rede stellen wird? Maloof schüttelt energisch mit dem Kopf. Das würde nur Streit bedeuten. Seit einem Monat sind er und seine Familie hier. Mittlerweile gehe es seiner Frau besser, erzählt er. Sie schläft und isst wieder. Wie lange sie noch bleiben werden?
Maloof: "Wir warten darauf, dass uns der Sufi im Traum wieder gestattet, nach Hause zurück zu fahren."
Solange wird die Familie hier bleiben; das Darlehen, das Malik für den unbezahlten Urlaub aufnehmen musste, reicht noch ein paar Wochen. Die Kinder haben hier mehr Platz zum Spielen als in der Großstadt - und fast klingt es so, als würden Malik und seine Frau ihre Flitterwochen nachholen:
Maloof: "Ich verbringe jetzt mehr Zeit mit meiner Frau als in Karachi. Sie hat jetzt hier absolute Priorität."
Mrs. Maloof lächelt mir zu. Es bleibt der einzige direkte Kontakt mit einer weiblichen Pilgerin während meiner ganzen Reise. Für die Verpflegung der Familie Malik und die der anderen Pilger sorgt eine private Stiftung.

Männer und Frauen tanzen einen frommen Rave

Die Macht der Sufis – vielleicht gibt es keinen Ort in Pakistan, wo sie so zu spüren ist wie in Sehwan, einer Kleinstadt im Herzen der pakistanischen Sindh-Provinz. Nach ausgedehnten Reisen in ganz Indien ließ sich hier um 1250 der Sufi Syed Usman Marvandi nieder, von seinen Anhängern nur Lal Shabbaz Qalandar genannt. Wörtlich übersetzt: Von Gott geliebter Wanderasket im roten Gewand. "Lal Shabbaz", der rote Shabbaz kam als Missionar aus dem heutigen Afghanistan. Er predigte die neue Religion von Allah nicht mit Gewalt, sondern mit Musik und Tanz , trunken vor Liebe zu Gott und seinen Geschöpfen, wie er in einem auf dem ganzen Subkontinent bekannten frommen Lied besungen wird:
"Trunkener Qalandar im roten Kleid, wer immer über Deine Schwelle tritt, kehrt nicht mit leeren Händen zurück."
Blick auf den Qalandar-Schrein in Sehwan Sharif
Blick auf den Qalandar-Schrein in Sehwan Sharif© picture alliance / dpa / EPA / Nadeem Khawer
Tausende treten bis heute über die Schwelle zu Qalandars Mausoleum, um sich vor seinem Sarkophag unter der großen goldenen Kuppel niederzuwerfen. Qalandar wird von Sunniten wie Schiiten verehrt, und für die Hindus der Region ist der Sufi-Heilige eine Form des Flussgotts Jhulelal. Jeden Abend werden die schweren Trommeln in den Innenhof getragen und dann beginnt der "Dhamaal", der Tanz zu Ehren Qalandars und seines Gottes:
Hunderte Männer und Frauen, nur durch ein Seil voneinander getrennt, recken die Arme in die Höhe und tanzen: Ein frommer Rave. Mit einem Mal steht ein Dutzend Malangs vor den Musikern. Kein Gewand gleicht dem anderen, von tief lila bis knall orange reicht die Farbpalette ihrer weiten Röcke. Ein Derwisch mit weißem Bart trägt eine hohe Mütze, ein junger mit Schnurrbart einen bunten Turban. Mal langsamer, mal schneller drehen sie sich um die eigene Achse, jeder folgt seinem eigenen Rhythmus, Abend für Abend.

Musik und Tanz gelten Islamisten als Götzendienst

Bis zum 16. Februar 2017, als ein islamistischer Selbstmordattentäter eine Bombe zündete, der 90 Menschen zum Opfer fielen.
"Ich hörte die Nachricht zuhause und kam sofort hierher, überall leblose Körper, überall Blut", erinnert sich Mohammed Suder Balouch, der oberste Vertreter der staatlichen Aufsichtsbehörde in seinem Büro neben dem Qalandar-Mausoleum. Der Anschlag in Sewhan war nicht der erste auf einen Schrein. Das tägliche Schmücken der Sarkophage, die Musik, der Tanz – das alles ist für Islamisten schlicht Götzendienst.
Balouch: "Aber wenn man hierher kommt und die vielen tausend Menschen sieht, die hierher kommen um zu beten, wie kann man das haram nennen? Wie kann das nicht gottgefällig sein?"
Seit dem Anschlag haben Balouchs Behörde und die Polizei die Kontrollen verschärft. Das Aufnahmegerät eines deutschen Journalisten wird eingehend untersucht. Ein herbei telefonierter Vorgesetzter stellt mir viele Fragen: Woher ich komme? Was ich hier suche? Fragen, die ich später im Hotel zwei Herren in Zivil noch einmal beantworten muss. Danach erzählt der Hotelmanager, dass sich Vertreter fünf unterschiedlicher Geheimdienste nach mir erkundigt hätten. Im Übrigen solle ich mich doch bitte nicht allein in der Stadt zu bewegen. Der Wunsch, den einzigen "Gora" – also weißen Europäer – auf Schritt und Tritt zu überwachen, scheint genauso groß zu sein wie die Sorge um seine Sicherheit.

Alles aufgegeben, um beim Schrein zu leben

Als der Hotelmanager mich später vor dem Schrein erwartet, um mich zum Hotel zurückzufahren, lehne ich dankend ab und gehe zu Fuß weiter. "Wie vom Erdboden verschluckt sei ich gewesen", wirft er mir am nächsten Morgen vor. Aber vielleicht hatte der wundertätige Qalandar auch nur ein wenig nachgeholfen und mich unsichtbar gemacht.
Ungestört durchstreife ich den Bazar, bis ich am Stadtrand auf ein paar Männer treffe, die vor einer Baracke um eine Petroleumlampe sitzen. Der Bau entpuppt sich als eine sehr bescheidene Ausgabe eines Sufi-Schreins und die schlichte Wohnung von Baba Majid, einem Malang, der hier schon seit Jahren haust. Früher war er Goldschmied in Lahore, übersetzt sein Nebenmann, bis zu jenem Tag, als er zum ersten Mal Qalandars Schrein betrat und beschloss, zu bleiben. Seine Familie hat er nie wieder besucht.
Ein Schillum, eine Tonpfeife gestopft mit Marihuana kreist. Irgendwann kommt einer der Malangs aus dem Schrein des Qalandars vorbei. Die beiden Derwische tauschen sich über einen jungen Mann aus, der die ganze Zeit nicht von Baba Majids Seite weicht. Es ist sein Schüler: "Wenn er zwei Jahre bleibt, werde ich ihm zum Hofstaat des Meisters Qalandar bringen", erklärt der Alte seinem Asketenkollegen. Der schaut fast neidisch auf den Jungen – und wie zur Bestätigung beginnt der Novize die Beine des alten Malangs zu massieren. Es wird eine lange Nacht.
Die Schreine sind nicht nur die spirituellen Residenzen der Sufi-Meister, die wie Könige verehrt werden und denen auch nach ihrem Tod die Malangs als Hofstaat dienen. Die Schreine sind auch Zentren ganz realer politischer und ökonomischer Macht. Offiziell werden sie vom Staat verwaltet, aber die wahre Macht liegt bei den Nashins, den geistlichen Vorstehern. Sie stammen in direkter Linie von den Heiligen ab. Über die Jahrhunderte sind viele der Familien zu Großgrundbesitzern aufgestiegen und gehören bis heute zur traditionellen Elite des Landes. Ihr Einfluss kann Wahlen bestimmen und Politiker aller Parteien suchen die Nähe einflussreicher Nashins, oder Sufi-Sheikhs. Auch vor der jetzt anstehenden Parlamentswahl besuchten Kandidaten auf ihren Wahlkampftouren Schreine wie den in Sehwan. Imran Khan, Chef der wichtigen Oppositionspartei PTI ging noch einen Schritt weiter und ließ das alte Lied vom trunkenen Qalandar zur Parteihymne umschreiben.

Angefeindet für den Aufruf zu gelebter Akzeptanz

Aber nicht alle Nashins nutzen ihren Einfluss parteipolitisch. Es gibt Ausnahmen: Sayed Waquar Hussein zum Beispiel. Als Sajjada Nashin, als geistlicher Vorsteher, hütet er den Schrein von Shah Latif, dem bekanntesten Dichter des Sindhs.
Hussein: "Ich hatte 4 Hektar von meiner Familie geerbt, die habe ich dann auch noch verkauft und das Geld für den Schrein verwendet."
Der 12. Sajjada Nashin von Bith Shah sitzt in einem schlichten Empfangsraum hinter dem Mausoleum seines Ur-Ur-Ur-Onkels unter den Bildern seiner Vorgänger. Seit er das Amt vor vier Jahren nach dem Tod seines Vaters antrat, ist fast kein Tag ergangen, ohne dass er von konservativen und fundamentalistischen Geistlichen angefeindet wurde. Was Shah Latif im 18. Jahrhundert predigte, übersetzt Waqar als Aufruf zu gelebter Akzeptanz.
Hussein: "Shah Latif fühlte sich als Herr der Welt, und so sollten wir auch alle die Welt zu unserem Zuhause machen. Latif sagt: Wir sollten uns mit Menschen, ganz gleich welcher Religion, verbinden zu einem globalen Dorf, und dann wird Gott in unseren Herzen als einer von uns im globalen Dorf leben."
Das globale Dorf – hier am Schrein des Shah Latif wird es schon gelebt: Das Wasser, das am Eingang zum großen Vorhof umsonst an die Pilger verteilt wird, stiftet eine Hindu-Familie. Und den "Health-Care" Stand vor dem Tor zum zierlichen Mausoleum schmückt ein Kreuz. Die Freiwilligen, die hier medizinische Grundversorgung leisten, gehören zu einer christlichen Stiftung. Seine Offenheit hat dem Nashin viele Feinde eingebracht. Aus Angst vor Anschlägen leben seine Frau und die Kinder mittlerweile in den USA. Er harrt aus, alles andere wäre für ihn Verrat an der Lehre seines Vorfahren. Er erzählt, wie Shah Latif angefeindet wurde von den Mullahs wegen seiner unorthodoxen Lehre, wegen seiner Freundschaft zu einem Hindu und wegen seiner Liebe zur Musik.
Hussein: "Alle haben Latif davor gewarnt, Musik zu spielen. Aber er ist seinem eigenen Weg, sich mit Gott zu verbinden, treu geblieben, und hat so Grenzen überschritten."

Am Grab des Heiligen kommen alle zusammen

Bis heute werden Shah Latifs Gedichte vor seinem Grab gesungen. Tag und Nacht. Sie handeln von starken Frauen, Heldinnen aus Volkslegenden, die sich wie Robin Hood für die Armen einsetzten oder mutig für ihre Liebe kämpften. Für Shah Latif Bilder für die unbedingte Liebe Gottes.
Hussein: "Wenn ich von mir spreche, rede ich von mir als Mann, aber Shah Latif geht so weit, dass er in seinen Gedichten von sich als Frau spricht."
Ganz so wie vor ihm schon Madhu Lal Hussein in Lahore und andere Sufis.
"Löse nicht, o Liebender, Deinen Bund mit dieser Armen", singt der Solist mit hoher Kopfstimme in der Rolle der weiblichen Geliebten. Hier vor dem Grab Shah Latifs sitzen alle zusammen: Frauen, Männer, irgendwann spät in der Nacht kommen zwei Transvestiten in himmelblauen Saris dazu. Und auf dem Vorhof treffe ich eine marxistische Studentengruppe.
"Ein Schloss mit tausend Türen, Fenstern ohne Zahl, wohin ich auch schaue, tritt mir der Geliebte entgegen."
Ich weiß nicht, ob ich auf meiner Reise den göttlichen Geliebten getroffen habe, aber vielleicht seine Nachbarn, die nur ein paar Türen weiter zuhause sind, in den Schreinen der Sufi-Heiligen in Punjab und im Sindh.
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