Vor sechs Jahren hat die Informatikerin Zümra beim Profil ihres heutigen Mannes auf das Herz getippt. Er machte das Gleiche bei ihr – ein Match. Heute sagt sie: „Es funkte einfach gleich, es hat geklappt. Wir hatten so eine gute Gesprächsbasis. Er hat das dann fortgeführt, also erstmal auf das Telefon, dann auf das Videogespräch. Und wir haben uns dann auch nach kurzer Zeit gesehen, also das erste Date.“
Vermittelt werden nur heterosexuelle Beziehungen
Das Angebot an Dating-Apps für Muslime und Musliminnen ist groß: "Inshallah", "Kismet", "Muslimeet", "AlKhattaba" sind nur einige davon. Sie alle vermitteln ausschließlich heterosexuelle Beziehungen, nur wenige Apps wie "buzzarab" bieten Partnervermittlung für queere Personen an.
Wenn man alles im Internet finden kann, warum nicht auch einen Partner, dachte sich Zümra damals: „Ich habe angefangen, meinen Master zu machen, habe die Uni gewechselt und als Werkstudentin nebenbei gearbeitet. Damit habe ich auch gemerkt, dass ich in meiner gleichen Blase bin und bleibe.“
Als Muslimin kommt nicht jeder Mann, den sie im Alltag trifft, für sie in Frage. Zümra sucht einen Muslim, der seine Religion praktiziert. Online-Dating ist in der muslimischen Community oft noch schambehaftet, aber geschämt hat sie sich dafür nie: „Nein es ist kein Akt der Verzweiflung. Es ist einfach nur rational und vernünftig dieses Vorgehen.“
Es geht darum, einen Ehepartner zu finden
Im Grundprinzip ähneln sich muslimische Apps und nichtmuslimische: Fotos werden durch knappe Informationen zur Person ergänzt. Was Zümra vor allem wichtig war: Dass ein Mann es ernst meint. Ihre Erfahrungen mit der App "Salams" war durchweg positiv.
„Ich hatte sicher Glück. Ich habe später im Internet gesehen, dass es dort eben auch viele schwarze Schafe gibt und Menschen das gar nicht ernst meinen. Genau das war es aber, was mir hier gefiel: Es war so, dass man von beiden Seiten schon wusste, es geht um eine Beziehung. Und die Beziehung bedeutet hier gleich Ehe.“
Zümra, Nutzerin
In dieser Hinsicht hat sich die App weiterentwickelt. So werden die Erfahrungen der Nutzer mit der Person im Profil automatisch angezeigt: „Antwortet schnell“, „teilnahmslos“, „übernimmt die Führung“, „respektvoll“, oder „hat mich nicht beachtet“. Auch zeigt die App an, ob die Identität der Person geprüft wurde, damit klar ist: Diese Person ist, wer sie angibt zu sein.
Nutzerinnen können angeben, wie religiös sie sind
Bei "Salams" gibt es einen speziellen Religiositätsbarometer. Von „nicht praktizierend“ bis „sehr religiös“ ist alles dabei. Wie oft man betet, und welche religiösen Prioritäten man setzt, wie beispielsweise: ehrenamtliche Arbeit, Fasten, pünktlich beten oder die Pilgerfahrt. Auch, ob jemand Kopftuch trägt, Alkohol trinkt oder raucht, wird abgefragt.
Doch: Nicht immer kann eine App vor Verletzung schützen. Sarah möchte anonym bleiben. Sie nutzt aktuell die App "Muzz". Als geschiedene Frau Mitte dreißig ist sie trotz schlechter Erfahrungen mit dem Online Dating darauf angewiesen:
„Natürlich bietet in der Theorie so eine App erstmal den Vorteil, dass man niemanden auf der Straße ansprechen muss und dass man nicht von der eigenen Familie oder dem Umfeld abhängig ist und mehr oder weniger aktiv auf Partnersuche gehen kann. Das Problem mit den Apps aus meiner Sicht ist das fehlende gemeinsame Umfeld. Denn dieses Umfeld, das sonst eine Art sozialen Druck ausübt und auch auf eine Art sicherstellt, dass keine größeren Fehltritte entstehen, das fehlt auf diesen Apps natürlich. Und die Anonymität bringt mit sich, dass dann auch ganz viel ganz schlechtes Verhalten gezeigt wird. Es wird halt ganz viel geghostet, es gibt eine Menge Unehrlichkeit und Respektlosigkeit.“
„Ghosting“ bedeutet im Online-Dating-Jargon, dass jemand plötzlich abtaucht und sich einfach nicht mehr meldet. Aus diesen und anderen Gründen muss Sarah regelmäßig Pausen einlegen und sich erholen. Dabei soll ihr auch ihr Instagram Kanal „Surviving dating in Berlin“ helfen. Humor ist ihre Coping-Strategie.
Erfolg mit sechs Mllionen Nutzern
London. Hier befindet sich der Sitz der größten muslimischen Dating-App "Muzz". Weltweit hat sie über sechs Millionen Mitglieder und nach eigenen Angaben schon 350.000 Menschen erfolgreich vermittelt. Shazad Younes ist Gründer und CEO. 2011 entwickelte er zunächst eine Homepage, 2015 entstand die App:
„Muslime wollen nicht daten, sie wollen heiraten. Und das ist der Unterschied. Als Muslim ist man auf der Suche nach einem Lebenspartner, deshalb brauchen wir eine spezielle Plattform. Bei den gängigen Apps geht es um das Dating, nicht um eine ernsthafte Beziehung. Sie sind so konzipiert, dass man auf der App bleibt, während wir eine App entwickelt haben, um zu heiraten und hoffentlich die Plattform zu verlassen.“
Shazad Younes, Gründer von Muzz
Anfangs ein Nebenprojekt des Londoners, der im Finanzsektor tätig war, ist "Muzz" heute eine Firma mit mehr als 60 Mitarbeitern. Wichtig für Younes: Privatsphäre, Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit. Gerade Frauen sollen sich hier wohlfühlen. Deswegen gibt es eine Nutzer-Verifizierung per Selfie-Foto. Und man kann kostenlos telefonieren in der App, um die eigene Nummer nicht hergeben zu müssen.
„Sie können auch eine Aufsichtsperson, ein Familienmitglied, in Ihr Konto aufnehmen. Sie stellt sicher, dass sich jeder benimmt und dass Ihre Interessen gewahrt werden. Das ist ein islamischer Grundsatz.“
Traditionelle Vermittlung funktioniert nicht mehr
Younes kam als Kind pakistanischer Eltern in Großbritannien auf die Welt. Irgendwann fiel ihm auf: Seine muslimischen Freunde bleiben lange Single und tun sich schwer, eine geeignete Partnerin zu finden. Denn der traditionelle Weg über die Familie und Heiratsvermittler kommt für seine Generation immer weniger in Frage:
„Weil sie einen auf der Grundlage des Jobs zusammenbringen, den man ausübt, nichts anderem. Bei "Muzz" hingegen wird man mit Menschen aufgrund ihrer Persönlichkeit, Religion oder Lebenseinstellung zusammengebracht. Mit unserer App können Sie als Einzelperson jemand Passenden finden. Aber eben auf eine Art, die Ihren Glauben, Ihre Familie und Ihre Tradition respektiert.“
Manche Frauen üben sehr viel Druck aus
Für Selim war der Weg über die Apps nach seiner Scheidung die einzige Möglichkeit eine Partnerin zu finden. Auch er möchte anonym bleiben. Er heiratete seine erste Liebe mit zwanzig und war 15 Jahre verheiratet. Als Akademiker und Vater, der zuvor nie gedated hat und im Ausland lebt, hat er keinen Zugang zur lokalen Community. Und entscheidet sich deswegen, online muslimische Frauen kennenzulernen:
„Manche Frauen wollen das Kennenlernen verkrampft zu einem glücklichen Ende führen. Und haben sehr viel Commitment von Anfang an erwartet. Wenn ich gesagt habe, ich habe kein Interesse mehr, wurden Dinge sehr schnell unschön. Man wurde beschuldigt und beleidigt. Ich habe mich noch nie so unter Druck gesetzt gefühlt. Bei einigen habe ich wiederum gemerkt, dass sie aufgrund ihres Alters Druck verspürten.“
Selim deinstallierte nach einiger Zeit die Apps und gönnte sich eine Pause. Auch wenn er nicht die richtige Frau auf der App gefunden hat: Sie habe ihm geholfen zu definieren, was er eigentlich sucht:
„Fündig bin ich letzten Endes über Instagram geworden. Ohne die Absicht gehabt zu haben, jemanden zu finden. Gottes Wege sind unergründlich. Jetzt bin ich schon seit einem Jahr glücklich verheiratet.“
Viele wissen nicht genau, was sie suchen
Sarah aus Berlin hingegen sucht weiterhin. Woran es liegt, dass es noch nicht funktioniert hat?
„Meiner Erfahrung nach gibt es viele Männer, die irgendeine Frau suchen, die gar keine Ansprüche erfüllen muss, weil meistens diese Personen selbst gar nicht wissen, was sie brauchen oder möchten. Auf der anderen Seite, gibt es die Männer – das gibt es sicher auch bei den Frauen –, die den perfekten Partner suchen und dann nie genug kriegen. Der kleinste Fehler oder die kleinste Bemerkung, die nicht so ganz gepasst hat, führt dazu, dass es abgebrochen wird oder geghosted wird. Und ich denke, beide Herangehensweise sind nicht sehr förderlich.“
Sarah, Nutzerin
Zümra dagegen empfiehlt das Online-Daten weiter. Aber sie hatte auch Glück dabei. „Es war schnell klar, dass es klappt, ein paar Monate später, nach einer Verlobung und allem Drum und Dran, haben wir „Ja“ gesagt, das ist jetzt sechs Jahre her. Da sind jetzt zwei Kinder und eine Ehe, auf die wir gerne zurückblicken. Auch auf dieses Kennenlernen.“