„Mutter Vater Land“ von Akın Emanuel Şipal

Schlacht gegen Stereotype

05:43 Minuten
Gabriele Möller-Lukasz sitzt in der Inszenierung von "Mutter Vater Land" auf einem Stuhl hinter einer Glastür.
Gabriele Möller-Lukasz in der Bühneninszenierung von "Mutter Vater Land" am Theater Bremen. © Theater Bremen / Jörg Landsberg
Von Eren Önsöz |
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Was haben Wanne-Eickel und Istanbul gemeinsam? Beides sind Stationen der komplexen Familiengeschichte von Akın Emanuel Şipal. Diese hat der Autor und Filmemacher in „Mutter Vater Land“ nachgezeichnet.
Akın Emanuel Şipal will unberechenbar bleiben, sich nicht festnageln lassen auf Inhalt oder Form. Er macht sich auch als Schauspieler gut vor der Kamera: leichter Vollbart, nachdenklicher Typ. Aktuell dominiert aber das Schreiben von Theaterstücken.
Zehn hat der 30-Jährige schon verfasst. „Familie als generationenübergreifender Erzählraum“ ist ein wiederkehrendes Motiv. „Mutter Vater Land“ war eine Auftragsarbeit für das Theater Bremen.

Nachruf auf den Großvater

Şipal lässt 100 Jahre eigene Familienchronik Revue passieren: mit seiner Verwandtschaft aus Breslau und Adana, Istanbul und Wanne-Eickel. Die Hauptfigur heißt nicht ohne Grund Alter Ego, hat türkische und deutsche Vorfahren und passt nicht ins Bild.
Einen Bildungsroman wollte Şipal schreiben. Entstanden ist ein Theaterstück, das nun als Buch vorliegt. Im Mittelteil sind farbige Fotos; Filmstills aus seinen Arbeiten, etwa vom Schreibtisch seines Großvaters in Istanbul.
„Das ist ein filmischer Nachruf, ein Requiem auf meinen Großvater, der Übersetzer war und Schriftsteller und in Istanbul gelebt hat“, erläutert der Autor. „Da habe ich in seiner Wohnung gefilmt, nachdem er gestorben ist. Eine Wohnung, in der er 40 Jahre gearbeitet, geschrieben und übersetzt hat. Deutsche Literatur ins Türkische. Diese Figur des Großvaters taucht auch im Stück auf.“

Eine Brücke als Symbol für Deutschland

Akın Emanuel Şipal zeigt auf das Foto einer alten Eisenbahnbrücke, die deutsch anmutet, sich aber in Adana im Südosten der Türkei befindet. Errichtet von Deutschen im Zuge des Baus der Bagdad-Bahn.
„Mein Großvater ist in der Nähe aufgewachsen“, sagt Şipal. „Das war ein Zeichen, diese riesige metallene Brücke, die damals komplett futuristisch ausgesehen haben muss. Die Brücke war ein Symbol von Deutschland, das hat sein Interesse für Deutschland entfacht.“
Kamuran Şipal übersetzte rund 60 Klassiker ins Türkische. Darunter die Werke von Brecht, Böll, Bachmann, Hesse und Kafka. Die gesamte Psychoanalyse Sigmund Freuds. Akın Emanuel Şipal war enttäuscht, dass der Tod seines Großvaters in Deutschland ohne Resonanz blieb.
„Er hat keinen Nachruf bekommen, was ich schade finde. Dann habe ich gedacht, ich mache das. Auf einer filmischen Ebene und auch mit diesem Stück.“

Die Schlesierin heiratet den exzentrischen Türken

Kamuran Şipal kam 1957 zur Promotion nach Münster. Dort lernte er die Großmutter von Akın Emanuel Şipal kennen. Die Schlesierin heiratet den exzentrischen Türken. Doch der hält es in Wanne-Eickel nicht aus und kehrt zurück nach Istanbul. Fortan führen sie eine Fernbeziehung.
Şipal seziert mit poetischen Worten eine komplexe deutsch-türkische Beziehungsgeschichte. Eine endlose Schlacht gegen Stereotype:
„Wenn man einmal in diesem Kulturkampf drin ist, dann ist man da drin, dann hat man die Boxhandschuhe an.“

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