Volk gegen Militär in Myanmar

Unbeugsamer Widerstand in Südostasien

22:29 Minuten
Ein Mann mit Megaphon steht vor einer Gruppe von Demonstranten mit Bannern auf der Straße inmitten einer Lache knalllroter Farbe.
Mord, Folter, Verfolgung - trotzdem gibt die Bevölkerung im Kampf für Demokratie nicht auf. © IMAGO / NurPhoto / IMAGO / STR
Von Jennifer Johnston |
Audio herunterladen
Im Februar 2021 hat das Militär in Myanmar die gewählte Regierung unter Aung San Suu Kyi gestürzt. Doch bis heute hat es das Land nicht unter seine Kontrolle gebracht. Trotz der großen Brutalität der Junta. Woher kommt diese Kraft zum Widerstand?
Ein junges Paar wartet am Ufer. Es regnet leicht. Der braune Fluss zieht zügig an ihnen vorbei. Er markiert die Grenze zwischen Thailand und ihrer Heimat Myanmar. In normalen Zeiten wäre er schnell rüber geschwommen, sagt Saw Htoo. Auch wenn die thailändischen Soldaten das nicht gerne sehen und Warnschüsse abgeben.
Ein hellbrauner flacher Sandstrand mit mehreren Kanus auf der einen und Bäumen auf der anderen Seite.
Die UN registrieren innerhalb Myanmars etwa 1,3 Millionen Flüchtlinge - hier ein inoffizieller Übergang am Fluss Moei an der Grenze zu Thailand.© Jennifer Johnston / ARD-Studio Singapur
Aber heute wartet er mit seiner Frau auf das kleine Boot, das sie trocken zurück nach Myanmar bringt. Denn seine Frau Su Myat Noe ist schwanger. Sie waren einen Tag in Thailand, um zum Frauenarzt zu gehen. Die 26-Jährige streicht mit einer Hand über ihren Bauch.
"Beim Training. Wir haben uns beim Training verliebt.“
“Meine Frau ist Soldatin. Ich war der Ausbilder ihrer Truppe“, ergänzt ihr Mann Saw Htoo.

"Mein Baby soll weiterleben, wenn ich falle"

Er kämpft auf Seiten der Karen – einer ethnischen Minderheit in Myanmar. Sie haben das Sagen in diesem Teil des Grenzgebiets.
"Wir haben gerade geheiratet und ich habe mir ein Baby gewünscht, damit eine neue Generation von mir weiterlebt, sollte ich im Kampf fallen.“
Eine Gruppe bewaffneter Kämpfer in Tarnkleidung stehen zwischen Bäumen im Grünen.
Ausruhen im Dschungel und Kämpfen gegen die Militärjunta - die Karen, eine ethnische Minderheit, haben das Sagen in Teilen des Grenzgebiets. © IMAGO / ZUMA Wire / Kaung Zaw Hein
Auf seinem Handy zeigt er ein Video. Soldaten in Tarnuniformen robben auf dem Boden auf einen Stützpunkt der Militärjunta zu, also des staatlichen Militärs von Myanmar. Es fallen Schüsse.
„Ich habe drei Granaten geworfen. Sechs burmesische Soldaten darunter zwei Unteroffiziere sind gefallen.“
Aber auch er wird getroffen.
„Durch eine Granate. Teile haben mein Gewehr getroffen. Mein Gewehr war komplett zerstört. Ich wurde von Granatsplittern an drei Stellen verletzt. Es ist okay, nichts Ernsthaftes. Ich war einer der Ersten, der sie an der Frontlinie attackiert hat.“
Ein Schuss streift seinen Helm. Ein Freund von ihm wird von einem Kopfschuss getötet. Das alles sei erst wenige Tage her. Seine Wunden noch nicht verheilt. Er zieht sein schwarzes T-Shirt hoch und zeigt die Narben auf seiner Brust.

"Das Militär hatte Waffen, wir gar nichts"

Seine Frau Su Myat Noe ist im April vergangenen Jahres aus Yangon, der größten Stadt Myanmars, in das Grenzgebiet der Karen geflüchtet. Zwei Monate nachdem das Militär die demokratisch gewählte Regierung unter Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gestürzt hatte.

Während der Demonstrationen wurden Freunde von mir verhaftet. Drei wurden ermordet. Das Militär hatte Waffen. Wir hatten gar nichts. Wir konnten uns nicht verteidigen. Nur Waffen können gegen Waffen kämpfen.

Su Myat Noe flüchtete aus Yangon ins Grenzgebiet nach Thailand.

Wie Hunderttausende andere, zumeist junge Menschen, war Noe damals in Yangon auf die Straße gegangen, um friedlich gegen die Machtübernahme durch das Militär zu protestieren.
“Während der Demonstrationen wurden Freunde von mir verhaftet. Drei wurden ermordet. Das Militär hatte Waffen. Wir hatten gar nichts. Wir konnten uns nicht verteidigen. Nur Waffen können gegen Waffen kämpfen. Mit dem Hass gegen sie kam ich hierher.“
Sie schließt sich der Peoples Defence Force an – den sogenannten Volksverteidigungskräften. In der Grenzregion lässt sie sich dafür zusammen mit anderen jungen Städtern ausbilden. Die ethnischen Minderheiten, die hier das Sagen haben, sind militärisch erfahren, kämpfen seit Jahrzehnten für ihre Unabhängigkeit. Seit dem Putsch haben sie einen gemeinsamen Feind: die Militärjunta.

Junta unterschätzt Widerstand der Bevölkerung

Bis heute hat das Militär das Land nicht unter seine Kontrolle gebracht. Es hat den Willen und die Widerstandskraft der Bevölkerung unterschätzt. Beamte wie Lehrer. Ärzte oder Staatsanwälte verweigern den Dienst, verhindern so, dass der Militärstaat funktionieren kann. Sie haben sich der Bewegung des zivilen Ungehorsams angeschlossen. Dafür droht ihnen Gefängnis.
Einer von ihnen: Doktor Soe Win Oo, der nur Doktor Bio genannt wird. Er unterrichtet Biologie.
„Lernen. Das ist kriminell. Es ist nach dem Militärgesetz strafbar“, regt sich Doktor Bio auf – zumindest, wenn es außerhalb der kontrollierten Militärschulen passiert. Er selbst ist nach Thailand geflüchtet, hat dort Im Juni eine Online-Schule ins Leben gerufen. Er und seine Kolleginnen unterrichten inzwischen 1200 Kinder.
Ein Mann mit Brille und hellblauem Hemd sitzt an einem Schreibtisch, auf dem ein Laptop steht.
Auf der Flucht vor dem Militär: Doktor Bio gibt gemeinsam mit seinen Kollegen und Kolleginnen in Thailand online Biologie-Unterricht für 1200 Kinder - in Myanmar, im Ausland und in den Flüchtlingscamps.© Jennifer Johnston, ARD-Studio Singapur
Auf seinem Laptop-Bildschirm tauchen immer mehr Kindergesichter auf. Am Ende sind es mehr als 100, die sich mit ihrem Handy zuschalten – aus dem Ausland, aus Myanmar oder aus Flüchtlingscamps in den Grenzregionen.
Die Lehrkräfte leben ähnlich verteilt wie ihre Schülerinnen und Schüler. Rund die Hälfte ist noch im Land, die andere Hälfte unterrichtet aus dem Exil – viele aus Thailand, aber auch aus Australien oder den USA.

"Ihre Telefone wurden durchsucht"

Um die Lehrkräfte, die noch in Myanmar sind, macht sich Doktor Bio Sorgen. Zwei Kollegen wurden gerade erst verhaftet.
„Die Truppen sind durch die Straßen gezogen, haben jedes Haus, jeden Raum durchsucht. Unsere beiden Kollegen waren gerade am Unterrichten. Sie haben schnell ihre Handys ausgeschaltet und das Internet, aber ihre Telefone wurden durchsucht. Zudem gab es wohl auch Informanten. Die schauen, wer gegen das Militär ist.“
Rund 20 Lehrkräfte hätten ihm danach aus Angst gekündigt und sich an sichere Orte zurückgezogen. Auch seine Schüler müssen sich manchmal verstecken.
„An einigen Orten gibt es immer wieder Luftangriffe auf Dörfer, zum Beispiel im Grenzgebiet der Karen. Dann rennen die Schüler weg, verschwinden auf einmal vom Bildschirm aus dem Unterricht.“
Hütten, Hund und Huhn auf Lehmboden zwischen Hütten im Grünen.
Provisorische Unterkunft im Dschungel - ein Flüchtlingscamp mit selbstgebauten Hütten an der Grenze von Thailand und Myanmar.© Jennifer Johnston, ARD-Studio Singapur
Das myanmarische Militär greift immer wieder Dörfer aus der Luft an – in den Grenzgebieten, aber auch im Zentrum des Landes. Den Luftangriffen folgen oft Bodentruppen. Rund 30.000 Häuser sollen die Soldaten schon niedergebrannt haben. Oft willkürlich – um Angst und Schrecken zu verbreiten.

15.000 Inhaftierte, 2000 Tote seit dem Putsch

Niemand soll sich trauen, sich dem Militär zu widersetzen. Mehr als 15.000 Menschen wurden seit dem Putsch inhaftiert, mehr als 2000 getötet – schätzt die Gefangenenhilfsorganisation AAPP.
Familie Muu ist vor dieser Willkür über die Grenze nach Thailand geflüchtet. Sie leben in einer selbstgebauten Hütte zwischen Reis- und Maisfeldern. Ihre Hütte steht auf Stelzen, Boden und Wände sind aus Bambus, das Dach aus dicken Blättern.
„Seit den Luftangriffen bin ich nicht mehr in unser Dorf zurückgekehrt“, erzählt Mutter Phaw Muu. Sie schaut zu ihrem Sohn, der mit einer Art Gameboy spielt.
“Mindestens sechs Menschen wurden verletzt. Zwei junge Männer sind gestorben. Zwei Mädchen haben gerade Kochen gespielt als der Luftangriff passierte. Sie wurden nicht stark verletzt, es waren nur kleine Splitter. Sie haben gar nicht verstanden, dass sie gerade getroffen wurden.“
In den vergangenen Monaten seien auch schon Bomben des Militärs auf der thailändischen Seite gelandet.

Ich wünsche mir mehr Sicherheit. Sonst müssen wir uns immer wieder verstecken. Und zurück? Da sind weiter Kämpfe.

Than Swe wünscht sich, dass die thailändischen Behörden sie als Flüchtlinge anerkennen.

Than Swe versucht im Camp den Überblick zu behalten. Er blättert durch ein dickes Buch. Darin listet er fein säuberlich alle Familien mit Name und Alter auf. Er ist der selbsternannte Anführer des Camps.
„Wir sind inzwischen mehr als 580 Menschen. An Haushalten mehr als 120. Doch die Zahlen verändern sich ständig, da Menschen gehen und kommen je nach Situation. Einige gehen zurück nach Myanmar und fliehen erneut zu uns, wegen der Kämpfe.“

Wunsch, als Flüchtling anerkannt zu werden

Die Daten braucht er auch für lokale Behörden und Hilfsorganisationen, die sie mit Essen und Medikamenten versorgen. Von einer Organisation hat jeder Haushalt sogar ein Solarpanel bekommen, um Strom zu generieren.
„Das ist sehr nützlich, vor allem im Dunkeln. Wir haben kleine Kinder und sie schreien gerne mitten in der Nacht.“
Seine Frau schaukelt das Jüngste ihrer drei Kinder in einer Hängematte hin und her. Es wurde während ihrer Flucht am 25. Dezember vergangenen Jahres geboren.
„Am Flussufer wurde er geboren“, sagt Than Swe, der ein weißes Fußball-Trikot der thailändischen Nationalmannschaft trägt. Früher hat er als Lehrer Fußballspiele an seiner Schule organisiert. Sein Wunsch für die Zukunft sei gar nicht so groß. Er wünsche sich, dass die thailändischen Behörden sie als Flüchtlinge anerkennen und ihnen eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung geben.
„Sonst müssen wir weiter in Angst leben. Ich wünsche mir mehr Sicherheit. Sonst müssen wir uns immer wieder verstecken. Und zurück? Da sind weiter Kämpfe.“
Er fürchtet, dass der Bürgerkrieg noch Jahre dauern könnte. Die Militärjunta schrecke vor nichts zurück, um sich an der Macht zu halten. Das zeigen auch verschiedene Ereignisse der vergangenen Wochen.
Eine junge Frau mit dunklen schulterlangen Haaren und weißem Mundschutz streckt die drei Finger ihrer rechten Hand in die Höhe.
Eine junge Frau bei einer Demonstration - der Gruß mit den drei Fingern ist Symbol der Demokratiebewegung auch in Thailand und Myanmar.© imago images / ZUMA Wire / Karma Sonam Bhutia
Ende August verhaftet die Militärjunta die ehemalige britische Botschafterin und ihren Mann. Verurteilt sie zu einem Jahr Gefängnis. Sie sollen gegen Meldevorschriften verstoßen haben. Kurz zuvor hatte Großbritannien neue Sanktionen gegen das Regime verhängt.

Erstmals wieder Todesurteile vollstreckt

Ende Juli vollstreckt die Militärjunta das erste Mal seit Jahrzehnten wieder Todesurteile. Vier Demokratieaktivisten werden wegen des Verstoßes gegen das Anti-Terror-Gesetz hingerichtet, die Familien erfahren davon erst am Tag danach.
Unter den Getöteten sind auch Politiker der Nationalen Liga für Demokratie, also der Partei von Aung San Suu Kyi, die bis zum Putsch regiert hatte.
„Ich bin sauer und traurig darüber“, erzählt die 57-jährige Mya Win am Telefon. Sie lebt in Yangon. In der Stadt ist das Gefängnis, in dem die vier Aktivisten hingerichtet wurden.
"Zu der Zeit war der Strom weg in der ganzen Stadt. Wir wussten, dass sie etwas Teuflisches machen, wenn sie den Strom ausstellen. Sie haben ihn gegen 11, fast gegen Mitternacht ausgeschaltet und erst am nächsten Morgen gegen 10/11 Uhr wieder angeschaltet. An dem Tag hörten wir die Neuigkeiten.“
Ein mit vielen goldenen Orden behängter Militär in Uniform und mit Mundschutz steht hinten auf einem fahrenden Jeep.
General Min Aung Hlaing, seit dem Putsch im Februar 2021 brutaler De-facto-Machthaber und Chef der international nicht anerkannten Militärjunta in Myanmar.© IMAGO / Xinhua / U Aung
Die Hinrichtungen seien ein Akt der Verzweiflung der Militärjunta, sagen die einen. Andere Beobachter sehen darin eine kalkulierte Aktion nach innen und außen.

Es bringt uns nur dazu, sie noch mehr zu hassen.

Mya Win aus Yangon sagt, die Hinrichtungen machten ihr keine Angst.

Der internationalen Gemeinschaft habe die Junta auf diese Weise gezeigt, dass sie sich durch nichts von ihrem Kurs abbringen lasse, auch nicht durch internationalen Druck.

Trotz Desertionen: Das Militär ist in der Überzahl

Dem eigenen Militär beweist sie so ihre Stärke und, dass jegliche Kritik und Untreue gegenüber der Führung hart bestraft wird. In den vergangenen Monaten sind immer wieder Polizisten und Soldaten desertiert und haben sich der zivilen Widerstandsbewegung angeschlossen.
Das Militär bleibt jedoch, nach eigenen Angaben mit rund 400.000 Soldaten, deutlich in der Überzahl.
Mya Win aus Yangon sagt, die Hinrichtungen machten ihr keine Angst.
„Es bringt uns nur dazu, sie noch mehr zu hassen.“
Die Militärjunta habe in der Bevölkerung wenig Verbündete. Die Menschen würden sie verachten, wenn auch viele lautlos, in ihrem Innern, aus Angst vor den Konsequenzen. Einige junge Menschen würden trotz aller Gefahren weiter auf die Straße gehen und protestieren – für Freiheit und Demokratie.

"Wir haben die Situation unter Kontrolle"

Die Perspektive der Militärjunta, eine völlig andere. Sie haben seit Staatsgründung immer eine mächtige politische Rolle innegehabt – sind der Überzeugung, dass nur sie in der Lage sind, das Land zusammenhalten und Chaos zu verhindern.
In einem Interview erklärt der Chef der Militärjunta, Min Aung Hlaing, dass sie dabei schon weit gekommen seien.
„Generell möchte ich sagen, dass wir die Situation unter Kontrolle haben. Es gab heftige, gewalttätige Unruhen im Land. Es gab Gewalt, Zerstörung und Morde. Wir können jedoch feststellen, dass die Gewalt seit April letzten Jahres zurückgeht. Ich kann sagen, dass wir die Situation unter Kontrolle haben. Wir aber noch dabei sind, wieder die volle Stabilität herzustellen.“
Zwei Männer in Schlips und Anzug schütteln sich vor Flagge mit blauem Hintergrund lächelnd die Hände.
Gipfel in Wladiwostok - vor zwei Wochen traf Präsident Putin General Min Aung Hlaing. Myanmar kauft russisches Öl und Russland liefert dem General Waffen für die Bekämpfung der Zivilbevölkerung.© IMAGO / ITAR-TASS / Valery Sharifulin
Das Interview hat Min Aung Hlaing Mitte September einem staatlichen russischen Nachrichtenportal gegeben. Die beiden Länder sind enge Verbündete. Russland liefert der Militärjunta Waffen und Kampfjets. Es gibt regelmäßige Besuche. So war der russische Außenminister Lawrow vor kurzem in Myanmar. Junta-Chef Min Aung Hlaing traf kurz darauf, im September, Präsident Putin in Russland.
Die beiden sonst international isolierten Länder wollen ihre Zusammenarbeit weiter ausbauen, unter anderem bei der Erzeugung von Atomenergie. Russland will sich mit der Kooperation auch strategischen Einfluss in der Region sichern. Gewinnt dafür einen Befürworter seines Kriegs in der Ukraine.

Es gibt eine Schattenregierung

Staaten wie die USA oder Großbritannien führen hingegen bilaterale Gespräche mit der Regierung der Nationalen Einheit – einer Schattenregierung, die sich rund zwei Monate nach dem Putsch in Myanmar gebildet hat. Sie setzt sich aus gewählten Abgeordneten des ehemaligen Parlaments und Vertretern der ethnischen Minderheiten zusammen.
Die Schattenregierung übernimmt immer weiter die Rolle einer Parallelregierung in Myanmar.
Ihr Sprecher U Kyaw Zaw erklärt: „Zusammen mit den bewaffneten Kräften der ethnischen Minderheiten kontrollieren wir mehr als 50 Prozent des Staatsgebietes von Myanmar. Wir betreiben Schulen, Krankenhäuser und sind dabei, Gerichte und eine Polizei aufzubauen, mit der Unterstützung der Menschen, in den von uns kontrollierten Gebieten.“
Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Doch es gibt immer wieder Berichte, dass die ethnischen Minderheiten und die sogenannten Volksverteidigungskräfte – zu denen auch die schwangere Su Myat Noe gehört – weitere Teile des Landes erobern, Soldaten und Polizisten gefangen nehmen oder bei Guerilla-Aktionen töten. Koordiniert werden die Einheiten, die übers ganze Land verstreut sind, teilweise vom Verteidigungsminister der Schattenregierung.
„Viele der bewaffneten ethnischen Minderheiten arbeiten vollständig mit uns zusammen. Ein paar sind neutral, aber unterstützen die Revolution, auch wenn sie nicht abgestimmt mit uns kämpfen, aber sie trainieren die PDFs, also die Volksverteidigungskräfte und statten die PDFs mit Waffen aus“, erklärt der Sprecher der Schattenregierung im Video-Gespräch. Die mehr als 20 Minister der Parallelregierung kommen einmal die Woche online zu ihrer Kabinettssitzung zusammen.

Wunsch nach internationaler Anerkennung

Denn die Minister und der amtierende Präsident befinden sich zum Teil in Myanmar, zum Teil im Exil. Von der internationalen Gemeinschaft wünschen sie sich drei Dinge: humanitäre Hilfe, Wirtschaftssanktionen und ein Waffenembargo. Und sie wollen international stärker mit an den Tisch.
„Wir wollen nicht nur bilaterale Gespräche führen, wir wollen auch eingeladen werden, zum Beispiel zum ASEAN Gipfel als Vertreter Myanmars oder zu Treffen auf Ministerebene, damit wir an der Suche nach einer Lösung mitwirken können.“
Die Spitzen mehrerer Pagoden sind im Abendsonnenlicht dunkel zu erkennen.
Einst war Myanmar als Touristenziel mit prachtvollen goldenen Pagoden bekannt - heute kämpfen seine Bürgerinnen und Bürger dafür, dass dies einmal wieder so wird.© PantherMedia / Pavel Sytilin
Auch die schwangere Su Myat Noe setzt viel Hoffnung in die Schattenregierung. Sollte ihr Kampf für Demokratie noch lange dauern, sie schreckt das nicht.
„Anfangs war ich ein bisschen besorgt, aber ich hatte und habe keine Angst. Es ist für unsere Befreiung.“
In ihrem früheren Leben war Su Myat Noe Modedesignerin. In ihrem kleinen Laden in Yangon entwarf und nähte sie Kleidung für ihre Kunden.
„Mein Leben heute ist völlig anders als ich es mir vorgestellt hatte. Aber das ist egal. Ich kämpfe für mein Kind und die nächste Generation. Es ist egal, wenn ich nicht mehr lebe. Ich opfere mein Leben für eine bessere Zukunft für unsere nächste Generation. Alles andere ist nicht von Bedeutung.“
Das Ziel von ihr und der Parallelregierung: ein demokratischer, föderaler Bundesstaat – der zum ersten Mal alle Minderheiten und ethnischen Gruppen Myanmars vereint.
Eine Chance gibt es. Nie war der Widerstand und der Wille für Veränderung in der Bevölkerung so groß.
Mehr zum Thema