Mythos Monroe

Von Beatrix Novy · 01.06.2006
Marilyn Monroe, in ihrer Jugend nichts weiter als mittelblond, begründete den Typ der Wasserstoff-Blondine auf eigene, unverwechselbare Weise. Sie rührte und amüsierte ein großes Publikum, und die Nachricht von ihrem frühen Tod war ein Schock. Vor 80 Jahren wurde sie geboren.
Es gibt die stille Übereinkunft, dass berühmte Menschen ein Problem haben. Eine jüngere Untersuchung, die das Erklärungsmodell des Borderline-Syndroms bemüht, brachte das auf den Punkt, was irgendwie immer schon klar war: Nicht die Berühmtheit bringt den psychischen Knacks, es ist umgekehrt.

Der übersteigerte, panikartige und nie erfüllbare Wunsch nach Liebe und Anerkennung, die Sucht also, die nur der Kick, im Rampenlicht zu stehen, kurz befrieden kann, das gehört zum Krankheitsbild des Borderliners, und es ist kein Wunder, dass Marilyn Monroe zu den Paradebeispielen solcher Theorieversuche gehört. Keine Schauspielerin hat übrigens ganz allgemein die Theorie- und Interpretationslust der Zeitgenossen und Nachgeborenen so sehr herausgefordert wie sie, auf sie trifft - ausnahmsweise - die abgedroschene Vokabel "Ikone" zu. Ihr Leben und Sterben schien so zeittypisch, dass sogar der "Osservatore Romano" ihr aus dem Vatikan wehmütige Worte nachrief, als 1962 die Nachricht von ihrem Tod um die Welt ging. Da war sie, 36-jährig, vielleicht fast schon auf dem Weg, ein Niemand zu werden - gefeuert von ihrer Filmgesellschaft, weil sie zu viele Drehtage geschmissen hatte, medikamentenabhängig, einsam.

Sie war ständig auf der Suche nach Liebe, Sicherheit, einem Vater, sagte ihr erster Ehemann, der Flugzeugmechaniker Jim Dougherty, und schien sich immer noch zu wundern, dass die kleine Norma Jean Baker ihn verlassen hatte, ausgerechnet ihn, der einer 16-jährigen Waise genau den ersehnten Vater ersetzen konnte. Was immer über Norma Jeans berühmt unglückliche Kindheit investigativ ausgegraben wurde - verschwand ihre Mutter tatsächlich so frühzeitig in der Psychiatrie? War das Waisenhaus so schlimm, waren die Pflegefamilien so zahlreich? - es reichte, um eine Kindheit zu zerstören, und einen Vater gab es weit und breit nicht.

1954: Die Ehe mit dem Baseballspieler Joe Dimaggio, bereits ein nationales Ereignis, hielt anderthalb Jahre. Aus Norma Jean war Marilyn Monroe geworden, aus dem talentierten und körperbewussten Fotomodell hatten unbändiger Erfolgswille und ein groß angelegtes Marketing die Marke MM gemacht. Sie hatte schon viele Filme gedreht, darunter "Niagara" und "Fluss ohne Wiederkehr"

Sich dem Mythos Marilyn zu widersetzen, aus ihm herauszutreten ist schwer. Ist dies nicht nur eine Schauspielerin mit einem ordinären Touch, begabt, ja, komisch, ja, ein frecher, frischer Wind im prüden Film-Amerika der 50er Jahre mit seinen Sauberfrauen à la Doris Day? Die besten Regisseure formen ja die Monroe, Joshua Logan, Billy Wilder, John Huston.

1956: Sie heiratet den Schriftsteller und Intellektuellen Arthur Miller. Eine furiose Mesalliance, der schönste Körper, der klügste Kopf: Das Paar verschmilzt zur repräsentativen Doppelfigur des modernen Amerika. Marilyn Monroe ist noch Mrs. Miller, als sie in "Manche mögen’s heiß" den furchtbar komischen und furchtbar traurigen Pechvogel Sugar spielt. Aber ausgerechnet The Misfits nach einem Drehbuch von Arthur Miller wird zum Fanal für das Scheitern auch dieser Ehe.

Sie bezeichnete sich selbst als Kunstprodukt, manchmal wisse sie nicht genau, wer sie sei. Selbst ihr Tod am 19. August 1962 wurde zu einer Legende, hinter der die Wahrheit verhangen bleibt: Beging sie Selbstmord, nahm sie aus Versehen zu viele von den gewohnten Drogen, war ihre Affäre mit den Kennedy-Brüdern ein Mordmotiv?

Die Wahrheit, wie Arthur Miller sie ausdrückte, ist letztlich nur ein Zirkelschluss:
"Sie war Marilyn Monroe, und genau das brachte sie um."