Wie der Wiederaufbau Berlins begann
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Das Bild der Trümmerfrau unterscheidet sich in Ost und West deutlich. Während in der DDR junge Frauen mit Schaufel den Wiederaufbau verkörpern, sind es im Westen alte, abgearbeitete Frauen. Der Mythos aber beginnt im sowjetisch besetzten Berlin.
Berliner Trümmerfrauen erinnern sich:
"Als ich nach Berlin wieder heimkam, da war ich doch sehr erschrocken über diese Trümmer, über diese furchtbar tote Stadt."
"Wir mussten auch manchmal zwölf Stunden arbeiten... Wenn es eben hieß, wir müssen länger machen, dann wurde länger gemacht. Denn wir wollten ja auch ein bisschen was schaffen."
"Ich fühle mich trotz dieser vielen Jahre und schwerer Arbeit noch gut. Ich fühle mich, als wenn das für mich eine Medizin gewesen wäre."
"Die Trümmer müssen weg, habe ich gedacht. Ich bin dann eben als Trümmerfrau gegangen, zum Arbeitsamt gegangen und die haben dann gleich eine Stelle angewiesen am Strausberger Platz. Ich habe da nicht zum Putzhammer gegriffen, wie ich eigentlich sollte, sondern zu Hacke und Spaten, Schaufel. Und hab dann die Trümmerberge angegriffen, versucht, die auseinander zu hacken und die Trümmerbahn mit den Trümmern zu beladen. Es war eine sehr schwere Arbeit, aber irgendwie hat es mir doch Spaß gemacht."
Frauen konnten verpflichtet werden
Irgendwann waren die Trümmerfrauen auch in der Bundesrepublik angekommen, besungen und durch Denkmäler geehrt. Ihren Ursprung haben die Trümmerfrauen aber in Berlin, zu einer Zeit, als die gesamte Stadt noch unter sowjetischer Kontrolle stand. Am 1. Juni 1945 wurde hier eine Verordnung erlassen, wonach arbeitslose Frauen auch zur Trümmerbeseitigung verpflichtet werden können.
"Als diese Verordnung erlassen wurde, da hat von Trümmerfrauen noch kein Mensch gesprochen. Diese Frauen hießen in Berlin Bauhilfsarbeiterinnen", sagt die Historikerin Dr. Leonie Treber, Autorin des Buches "Mythos Trümmerfrauen". Die Bauhilfsarbeiterinnen wurden schnell zum Symbol für einen Neuanfang. Der Mythos Trümmerfrau war geboren:
"Die Trümmerfrau war die erste deutsche Frau, die die Ärmel hochgekrempelt hat und die durch die Arbeit in den Trümmern zur gleichberechtigten Frau wurde, die die Gleichberechtigung errungen hatte und sozusagen vollwertiges Mitglied der sozialistischen Gesellschaft wurde."
Mythos von der Heldinnengeschichte
Die Schuttberge in Deutschland 1945 waren riesig. Weggeräumt von idealistischen Frauen mit Eimerkette und Spitzhacke? Es klingt nach einer Heldinnengeschichte. Es stimmt, Frauen haben Trümmer weggeräumt, aber Treber wirft ein:
"Die haben das nicht freiwillig gemacht, die haben das nicht als heldenhafte Tat gesehen, die hatten ganz andere Probleme. Die mussten ihre Familien durchkriegen, ihre Kinder durchkriegen, die hatten vielleicht Alte zu versorgen. Die mussten gucken, dass sie irgendwo wohnen, dass sie Lebensmittel bekommen. Da hat man nicht Hurra geschrien und gesagt, ich bau jetzt Berlin wieder auf."
Trümmerfrau – der Begriff taucht erstmals 1946 in den Zeitungen auf, der so genannte Berliner Mutterwitz soll ihn geprägt haben. Die Steine schleppenden Frauen in Kittelschürze und mit Kopftuch, die mit Spitzhacke und Eimer hantieren, fielen auf.
"Man muss auch bedenken, dass die Trümmerräumung keine klassische Frauenarbeit war, die Arbeit auf dem Bau war ganz klar eine männlich codierte Arbeit. Also musste erstmal ein sinnhaftes Bild für die Frauen für diese Arbeit gezeichnet werden."
Im Westen sollten die Frauen zurück an den Herd
Frauen, die auch in Männerberufen arbeiten – das passte gut in die sowjetische Besatzungszone und später dann in die DDR, wo chronischer Arbeitskräftemangel herrschte.
Im Westen war das anders. Dort sah man den Platz der Frauen eher in der Küche und am Herd. Mit etwas Verspätung verbreitete sich der Begriff der Trümmerfrau auch hier, sagt Leonie Treber:
"Da gab es eine Denkmalserrichtung, da wurden ehemalige Trümmerfrauen vom Bundespräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Wenn von der Trümmerfrau in den 1950er Jahren in der BRD die Rede war, war es eher ein Negativbild, da war es eher die ostdeutsche Frau, die von den Sozialisten als billige Arbeitskraft ausgebeutet wurde und die im Osten schwere Männerarbeit leisten musste."
Je länger die Jahre nach Kriegsende zurückliegen, umso größer wird der Mythos der Trümmerfrauen in Ost und West. Im Osten haben Frauen den Sozialismus aufgebaut, im Westen das Wirtschaftswunder vorbereitet. Verklärungen, die gut ins Bild passen.
"So, wie diese Erzählung immer funktioniert hat, ist die Trümmerfrau ja scheinbar wie Phoenix aus der Asche 1945 auf deutschen Boden gelandet."
Unterschiede in Ost und West
Die Denkmäler unterscheiden sich dann wieder. Ein Westberliner Denkmal zeigt eine alte, abgearbeitete Frau, die sich ausruht. Und das Denkmal vor dem Roten Rathaus in der Berliner Mitte zeigt eine junge Frau, die eine Schaufel auf der Schulter trägt und dynamisch zu neuen Taten schreitet.
"Dieses Bild war in Berlin und der sowjetischen Besatzungszone sehr anschlussfähig, weil arbeitslose Frauen nicht nur in Berlin eingesetzt wurden, sondern in der gesamten sowjetischen Besatzungszone. In allen anderen Teilen von Deutschland findet man dieses Phänomen so gut wie überhaupt nicht.
In der englischen Besatzungszone gab es Frauen, die zur Trümmerbeseitigung herangezogen wurden in ähnlicher Weise wie in Berlin. Da hat man aber sehr viel schneller einen Riegel vorgeschoben und geguckt, dass das wirklich eine absolute Notstandsmaßnahme bleibt, weil das eben dem prototypischen Frauenbild widersprach."
Manche der Trümmerfrauen der DDR sind tatsächlich auf dem Bau geblieben.
"Und da hab ich mich als Baumaschinist qualifiziert. Und es hat mir Spaß gemacht. Ich habe ja das ganze Jahr Hexi gefahren. Und da haben die Kollegen gesagt, Mensch, wenn du das schaffst, dann schaffst du auch Kranfahren. Das musste machen. Die haben mich auch über meinen Kopf weg angemeldet. Zwölf Männer und ich als einzige Frau."