Künstler ringen um Haltung gegen Populismus
Angesichts von dramatischen Umwälzungen wie des Brexit-Votums in Großbritannien und dem Ausgang der US-Wahl verspüren viele Kunstschaffende und Intellektuelle das Bedürfnis, sich zu engagieren. Wie sie vorgehen können, diskutierten Teilnehmer bei einer Konferenz des Instituts Kunst im Kontext der Universität der Künste Berlin.
Ziel der eilig einberufenen und doch hochrangig besetzten Konferenz war es, mehr zu bieten als eine Bestandsaufnahme. Auch wenn die Künstler und Intellektuellen vom alltäglichen Umgang mit dem Rechtspopulismus berichten sollten, waren sie doch aufgefordert, Handlungsanweisungen zu geben: Was können wir tun? Fast alle befolgten diesen Rat, besonders ausführlich Susan Neiman, Direktorin am Potsdamer Einstein-Forum und US-amerikanische Philosophin. Das Aufwachen am Tag nach der Wahl Donald Trumps war für sie niederschmetternd: Ein Alptraum war wahr geworden. Punkt eins daher ihres Handlungskataloges: Schockiert sein und schockiert bleiben.
"Was passiert ist mit Trump, ist an sich schockierend. Wir sollen das nicht normalisieren. Es ist natürlich schwer, jeden Tag aufzustehen mit dem gleichen Schreck, gerade ist ein Alptraum gewesen, aber das muss man tun, sonst wird es normal."
Susan Neiman ist aufgebracht und das Publikum geht mit. Angefangen hat das Elend Neiman zufolge nämlich mit Foucault: Jedes Sprechen über Freiheit oder Gerechtigkeit nur als versteckten Machtdiskurs zu entlarven, habe am Ende den Rechtspopulisten genützt. Festzuhalten sei: Es gibt sehr wohl universelle Werte.
"Und es gibt auch Wahrheiten. Und wenn wir von postfaktisch sprechen, was ja in gewissem Sinne real ist, können wir nicht kommen mit: Naja, es gibt diese Perspektive und jene Perspektive, sondern es gibt Fakten, es gibt Wahrheiten, es gibt Werte, die erkennt fast jeder."
Die Zeit der Selbstironisierung ist passé
Die Linken und liberalen Künstler und Intellektuelle sollten daher zurückkehren zu einer Klarheit in der Sprache - das Zeitalter der dauernden Selbst- und Fremdironisierung sei passé. Zynismus ist Sache der Rechten - und politische Projekte, die funktionieren, verdienen Zuspruch.
"Also, es ist schon richtig, innereuropäisch zu kritisieren. Aber das muss von einer Position der Liebe geschehen. Es muss eine Liebe zum dem Projekt Europa kultiviert werden, weil es gibt keine bessere Alternative."
Der niederländische Philosoph Robin van den Akker ist nicht erst seit vergangenem Monat schockiert - er erforscht die Ausbreitung postfaktischer Ideen bei Facebook und Twitter. Soziale Medien und Populismus, sagt er, sind wie füreinander geschaffen.
Denn die sozialen Medien erlauben es den Rechtpopulisten, ihre krude Weltsicht direkt zu ihren Empfängern zu senden - unter Auslassung jeder kritischen Öffentlichkeit. Der Rechtspopulist Geert Wilders mit seinen radikalen, schamlosen und inhumanen Tweeds habe es vorgemacht. So entsteht mit der Social-Media-Blase eine Art zweite Realität. Die Schimpftiraden gegen Flüchtlinge und Minderheiten stammen nicht nur vom so genannten White Trash. Sondern es sind die Nachbarn, die im Netz hassen.
Intellektuelle sollen aufklären
Van den Akker fordert linken Populismus. Hier gibt es lauten Protest aus dem Publikum. Renata Kaminska, Künstlerin im selbst gewählten Berliner Exil, erinnert die Lage in ihrer Heimat Polen zunehmend an die Zeit des Kriegsrechts in den achtziger Jahren - und die Witze dieser Zeit:
"Wenn man zu dritt auf der Straße stand, musste man aufpassen, das war nämlich schon Versammlung. Wenn ich jetzt gestern gelesen habe, dass die jetzige Regierung überlegt, unsere Versammlungsgesetze zu ändern und zu verbieten, dann fällt mir dieser Joke wieder ein."
In Italien greift die Fünf-Sterne Bewegung um sich - die Mailänder Kuratorin Barbara Casavecchia sieht Intellektuelle in der Pflicht, aufzuklären, wer dahinter steckt. Beispielsweise die Medienmacht der Millionärsfamilie um Gianroberto Casaleggio, die manipuliert und gleichzeitig verdient - die Bewegung sei in Wirklichkeit eine Logarithmenmaschine - und ein Familienunternehmen:
"Jeder weiß, dass sie da sind und es sind auch keine versteckten Mitspieler, denn der Name Casaleggio ist sehr bekannt. Aber die sichtbaren, politischen Player und Gesichter der Fünf-Sterne - Bewegung sind Beppe Grillo oder andere, Luigi di Maio und die neuen Bürgermeister der beiden Großstädte, die sie gerade gewonnen haben."
Die eigenen Fähigkeiten nutzen, um den Rechtspopulismus nicht im Recht zu lassen - das ist das Fazit der meisten Teilnehmer - auch der britisch-südafrikanische Künstler Adam Broomberg will dafür kämpfen, dass die Welt nicht vereinfachbar ist: Jede Schlacht, sagt er, kann ich verlieren, nur die Komplexität werde ich nie aufgeben - für sie stehe ich mit meinem Leben ein.