Fatale Signale aus Tröglitz
Fast paralysiert blickt Deutschland auf den kleinen Ort Tröglitz in Sachsen-Anhalt. Nach Drohungen von Neonazis trat dort der Bürgermeister zurück. Für Claudia van Laak kann die Folge nur sein: Politik und Öffentlichkeit müssen das Ehrenamt stärken.
Tröglitz - den Namen dieses Dorfes kannte bislang kaum jemand. Aber in den letzten Tagen ist er zu einer Chiffre geworden. Tröglitz in Sachsen-Anhalt steht inzwischen für Vieles: für Städte und Gemeinden, die mit der Unterbringung von Flüchtlingen ringen, die sie zugewiesen bekommen. Für bestimmte ostdeutsche Regionen, die sich seit der Wende entleert haben und die von der Politik und den etablierten Parteien im Stich gelassen worden sind. Und nicht zuletzt für ehrenamtlich engagierte Bürgermeister, die eine unverzichtbare Arbeit leisten, aber keine Anerkennung dafür erhalten.
Dass militante Neonazis diejenigen bedrohen, die sich für Flüchtlinge einsetzen und gegen Rechtsextremismus, das ist kein neues Phänomen. Seit langem kursieren auf einschlägigen rechtsextremen Webseiten Steckbriefe derjenigen, die nicht in das demokratiefeindliche und rassistische Weltbild von Neonazis passen. Da werden Fotos veröffentlicht, private Adressen und Telefonnummern. Mit E-Mail-Terror beginnt es, mit Brandanschlägen auf Autos hört es noch lange nicht auf.
Breite Bündnisse sorgen bei den Neonazis meist für den Rückzug
Allerdings hat sich in vielen Städten auch eine erfolgreiche Gegenbewegung entwickelt. Es zeigt sich: Überall dort, wo sich breite Bündnisse bilden, die wenig spektakulär, aber beharrlich auftreten und klar machen, wem der öffentliche Raum gehört, überall dort treten Neonazis den Rückzug an. Ein anstrengender, ein langwieriger Prozess, der aber von Erfolg gekrönt ist. Diejenigen, die bedroht werden, brauchen Unterstützung in ihrem Engagement, sonst passiert das, was in Tröglitz geschehen ist.
Dass der parteilose Bürgermeister das Handtuch wirft, weil er sich von Neonazis verfolgt und zu wenig unterstützt fühlt, sendet mindestens zwei fatale Signale. Erstens: Die Demokraten geben beim ersten kleinen Windhauch auf. Und die Extremisten reiben sich die Hände: so fragil ist es, das parlamentarische System. Dann auf zum Angriff!
Das zweite fatale Signal: Ehrenamtliche Arbeit für das Gemeinwesen wird bestraft und nicht belohnt – zumindest in Sachsen-Anhalt im Burgenlandkreis. Weder die Polizei noch das Naumburger Landratsamt oder das Magdeburger Innenministerium sahen sich in der Lage, den Bürgermeister von Tröglitz, seine Frau und deren sieben Kinder vor der Demonstration der NPD zu schützen. Mit fadenscheinigen Begründungen übrigens. Die Folge: Die eh schon gering ausgeprägte Motivation, sich ehrenamtlich in der Lokalpolitik zu engagieren, könnte weiter sinken. Viele Kommunen haben schon seit Jahren Probleme, Kandidatinnen und Kandidaten für den Stadtrat, den Kreistag oder das Bürgermeisteramt zu finden. Auch die Wahlbeteiligung sinkt, vielerorts gibt nur die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme ab.
Ein Gutes könnte der Fall Tröglitz trotzdem haben: der Rücktritt des Bürgermeisters hat Teile der Bundespolitik aufgeschreckt. Hoffentlich nicht nur zwei Tage lang. Jetzt empörte Pressemitteilungen verschicken und einmal im Jahr am Tag des Ehrenamts eine Rose verteilen reicht definitiv nicht aus. Anerkennungskultur heißt das Zauberwort. Es muss endlich mit Leben erfüllt werden.