Nach dem Kino: Party

Von Gerd Brendel |
Madonna war da, Sean Penn, Jeromy Irons, Kevin Spacey, Til Schweiger und Iris Berben auch - nach dem roten Teppich wird kräftig weiter gefeiert. Einblicke eines begeisterten Party-Besuchers - aufgezeichnet am Kater-Tag danach.
Wenn die letzte Zeile des Abspanns verschwindet und die Lichter im Kinosaal wieder angehen, dann ja dann beginnen erst die wahren Kinoreifen Dramen. Denn dann, dann beginnt:

"Ne Berlinale-Party."

Und nicht nur eine, Dutzende: Jeder der feiern kann, feiert seinen Film: Die Filmverleihe, die Bundesländer, die Filmfirmen aus Skandinavien, die aus Großbritannien, die aus Frankreich, die von sonst woher die öffentlich-rechtlichen Sender, die privaten Sender, die Panorama-Sektion des Festivals, das Forum, die Casting-Agenturen, die Sponsoren und Wolfgang Joop. Sie alle machen, genau:

"Ne Berlinale-Party."

Welches Genre bedient wird - Drama, Komödie, Tragödie, Thriller, Seifenoper -, das entscheidet sich in den ersten drei Minuten am Enlass:

"Guten Tag. Oh, ich finde ihren Namen nicht. Ah, da steht er ja."

Uff. Das war knapp. Die erste Hürde des Abends ist genommen. Die zweite ist die Schlange vorm Buffett. Kluge Berlinale- Party-Darsteller beginnen den Feier-Abend mit den eher bodenständigen Empfängen in den Vertretungen der Bundesländer, wenig Glamour dafür viel Sauße zum Schweinebraten. Und hin und wieder eine Plastiktüte mit landestypischen Spezialitäten zum Abschied. Zum Nachtisch empfiehlt sich dann zum Beispiel der Empfang des Medienboards Brandenburg im Ritz-Carlton.

"Hier ist es vom Raum her weniger gut. Ja, das ist globales Ambiente. Wenn man nicht wüsste, dass man in Berlin wäre, man könnte überall sein. Es ist 0815-Luxus Ambiente."

Dafür stimmt die Mischung der Gäste, die sich in dem neobarocken Saal aus Plastik und Blech tummeln.

"Was ich hier an Berliner Mischung bemerke, da ist groß und klein gemischt, also echte Prominenz, Halb-Prominenz und E-Klassen Prominenz." "Zu welcher Klasse würden Sie sich zählen?" "Zu E-Klasse."

Was man unter anderem daran erkennt, dass sich Klaus Siebenhaar, Berliner Verleger und Professor für Kulturmanagement gerne unterhält – ganz im Gegensatz zur mehr oder weniger echten Prominenz.

Was bei Til Schweiger seit seinen letzten Talkshow-Auftritten zum Thema Strafvollzug schwerfällt, aber das ist ein anderes Thema.

"Berlinale - Ist das mehr working time oder mehr party time?" "Die Interviews sind Pflicht. Die Kür ist wenn die Journalisten irgendwann den Raum verlassen." "Immer Pflicht?" Nö, das ist ja ihre Interpretation." "Sie stehen ja in dem Ruf gerne zu feiern." "Na sie müssen nicht alles glauben, was man liest."

Aber glauben, was man mit den eigenen Augen sieht, darf man schon: Und was man da vom regierende Bürgermeister Berlins gesehen hat, aber das ist auch ein anderes Thema. Zeit für den nächsten Akt im Berlinale Party Drama: das Happy end ohne maulfaule Promis. An der Garderobe gibt es noch für jeden zum Abschied eine Tube Naturkosmetik für jeden, dann geht es weiter zur nächsten Party:

Die Premiere von "Margin Call” , einem Films über die letzte Wirtschaftskrise. Ort: Diesmal ein echtes Berliner Mitte-Cafe´. Hauptdarsteller Kevin Spacey sieht in seinem blauen Anzug so aus wie der fiese Bankmanager, den er im Film spielt aber geht zum Rauchen brav vor die Tür. Die dritte Hürde des Abends überwinde ich mit Hilfe einer Bekannten, die hinter einer roten Kordel beim Filmteam sitzt: Einen Platz auf der VIP-Sitzecke. Kevin Spaceys Kollege Kollege Jeremy Irons ist auch da. Er trägt schwarzen Samt und hohe Stiefel und sieht aus als würde er bei Piraten der Karibik vorsprechen. Dafür bleibt er zum Rauchen in seiner VIP-Sofaecke sitzen. Als ich ihn um Feuer bitte, sehe dass sein Samthemd über dem linken Arm ein Loch hat, klein, aber deutlich zu erkennen, als Freibeuter Irons meiner Nachbarin etwas ins Ohr flüstert:

"Ich fürchte, dass das Imago größer ist als die reale Substanz einer solchen Nacht."

Hatte mir E-Klassen-Promi Klaus Siebenhaar erklärt. Dafür wächst mit jedem Berlinale Partytag mein realer Hausstand an Hautcremes, Lippenstift, Zeitschriften, Socken und Plastikschnickschnack - alles Mitbringsel die einem am Ausgang mit freundlichen Grüßen diverser Sponsoren in die Hand gedrückt werden. Das nächste Mal werde ich mich mal nach einer Party mit Nähzeug erkundigen. Wer weiß, in welchem Zustand die Garderobe des nächsten Promis ist, der mir auf einer dieser vielen, vielen Berlinale-Party über den Weg läuft.

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