Die Istanbuler Musikszene unter Erdogan
Istanbul ist berühmt für seine Musikszene. Doch die Terroranschläge und die angespannte politische Lage schrecken viele ausländische Musiker ab. Das bedeutet wiederum eine Chance für lokale Gruppen. Doch wie geht es nach dem Türkei-Referendum weiter?
Istanbul ist berühmt für seine Musikszene, die vor nicht allzu langer Zeit noch in einer multikulturellen Stadt mit niedrigen Lebenshaltungskosten blühen konnte - der Film "Crossing The Bridge - The Sound of Istanbul" von Fatih Akin hat vielen Deutschen einen Eindruck davon gegeben. Doch auch wenn Musiker in der Türkei nicht die Hauptaufmerksamkeit von Erdogans Politik gilt, sitzen doch auch einige von ihnen in Haft, wie die Mitglieder der Band Grup Yorum, die allerdings im März nach ihrem Prozess wieder freigelassen wurden.
Die Lage ist unübersichtlich, hat aber nicht nur negative Seiten für die Istanbuler Musikszene, wie unser Autor Thorsten Bednarz bei einem Besuch in der Stadt erfahren hat. Istanbul präsentierte sich ihm in einem Meer von Bannern und Wimpeln mit dem Schriftzug "Evet", also "Ja" zu Erdogans Referendum. Im Gespräch mit Isil Kilkis vom bekannten Istanbuler Musikclub Babylon war jedoch von Repressionen gegen Musiker nichts zu erfahren - die Probleme liegen eher woanders: "Es gab bis vor zwei Jahren eine große Szene mit vielen Festivals und Konzerten. Dann kamen die Terrorangriffe, die politische Situation verschärfte sich. Seitdem wollen viele Musiker nicht mehr kommen. Sie fühlen sich nicht sicher", sagt Kilkis.
Kritiker Erdogans sind durch Referendum angespornt
Die Abwesenheit internationaler Musiker wirke sich allerdings nicht nur negativ auf die lokale Szene aus: "Die Clubs stehen jetzt leer für die lokalen Musiker, auch wir buchen mehr Bands aus Istanbul - es gibt hier viele unentdeckte Schätze! Für sie ist es allerdings auch wieder problematisch, dass sie nicht nach Europa oder Asien reisen können."
Nach dem Referendum hat sich Besorgnis unter den Künstlern breit gemacht, aber auch eine Form der Erleichterung, wie Thorsten Bednarz erfahren hat: Jetzt könne keiner mehr sagen, dass die Gegner Erdogans nur ein paar wenige Spinner sind - nein, diese Spinner sind die Hälfte der Bevölkerung, und das sporne alle kritischen Geister an, jetzt noch stärker gegen die Machtfantasien Erdogans anzukämpfen.