Schweizer Unis schlagen Alarm
Nach dem Schweizer Volksentscheid gegen die sogenannte Masseneinwanderung droht die EU mit drastischen Maßnahmen: Sie will Milliarden-Programme für Forschung und Bildung auf Eis legen. Wissenschaftler und Studenten in der Alpenrepublik fürchten fatale Folgen.
Mittagspause an der Uni Basel, in der Mensa drängen sich die Studenten. Diskutiert wird an den Tischen auch über den Streit mit der EU. Brüssel will die Beteiligung der Schweiz am Studenten-Austauschprogramm Erasmus aussetzen. Ein Semester im europäischen Ausland studieren könnte dann schwieriger werden, befürchten viele hier.
"Die Studenten wären einfach eingeschränkter in ihrer Wahl, weil die Plätze schon heute begrenzt waren."
"Die meisten von uns waren zum Beispiel auch im Erasmus-Programm und ich finde das einfach nur schrecklich, wenn das gestrichen wird."
"Für die Studenten halt auch ein kultureller Verlust - also Leute, die ins Ausland gehen wollen, um Erfahrungen zu sammeln."
Besorgt wegen Erasmus ist auch Gérald Zimmermann vom Austauschbüro der Uni Basel - zu ihm kommen alle, die für ein oder zwei Semester ins Ausland wollen, im Schnitt sind das 200 Studenten pro Jahr. Plätze an Partner-Unis ließen sich zwar auch ohne Erasmus organisieren, sagt Zimmermann. Langfristig fehle der Uni jedoch ein wichtiges Netzwerk.
"Das bedeutet mal, dass wir die Verträge, die wir haben - das sind so um knapp die 200 - verloren gehen. Der Austausch ist ja nicht nur, dass Studierende aus Basel an den Partner-Unis studieren können, sondern auch umgekehrt. Dieser Aspekt verschwindet dann."
Noch schlimmer könnte es die wissenschaftliche Forschung treffen. Denn Brüssel hat mit der Schweiz auch die Gespräche über eine Beteiligung an "Horizon 2020" ausgesetzt - einem milliardenschweren EU-Programm für gemeinsame Forschung und Innovation. Schweizer Wissenschaftlern werden damit wichtige Chancen genommen, sagt Kurt Kamber, Leiter der europäischen Forschungszusammenarbeit an der Uni Basel.
"Wirklich ein Worst Case"
"Wenn sich unsere Forschenden dort nicht beteiligen können, dann ist das wirklich ein Worst Case. Das ist vergleichbar wie wenn Spitzensportler sich nicht mehr an europäischen Wettkämpfen beteiligen dürfen."
Gleichzeitig wird es für Schweizer Forscher schwerer, bei bestimmten Projekten EU-Mittel auszuschöpfen. Zwar kann auch die Regierung in Bern die Vorhaben unterstützen. Es geht jedoch nicht nur ums Geld, sagt der Präsident der Schweizer Rektorenkonferenz und Rektor der Uni Basel, Antonio Loprieno.
"Die Frage der Reputation ist vielleicht noch wichtiger als die finanzielle. Das Geld, das durch Brüssel kommt, ist durch ein Wettbewerbsverfahren gegangen, das so eine Art Qualitätssiegel darstellt und dieses Qualitätssiegel würde uns verloren gehen - und das wäre verheerend für die Wahrnehmung unserer Exzellenz."
Auslöser für die drastischen EU-Pläne ist der Volksentscheid gegen die sogenannte Masseneinwanderung. Die Schweiz will nun die Personenfreizügigkeit einschränken und hat - als ersten Schritt - ein entsprechendes Abkommen mit Kroatien suspendiert. Brüssel zieht nun Konsequenzen und legt zentrale Forschungs- und Bildungsprogramme auf Eis. Völlig schwarz sehen will der Rektor der Uni Basel aber trotzdem noch nicht.
"Wir sind noch in einer Phase des rhetorischen Gefechts, sowohl auf unserer wie auch auf EU-Seite. Ich hege immer noch die Hoffnung, dass nach dieser Phase, wo man gewissermaßen auf einer rigiden Position beharrt auch die Phase des diplomatischen Austauschs eintritt."
Der Schweizer Bundesrat prüft nun, ob sich bei der Personenfreizügigkeit mit Kroatien nicht doch ein Kompromiss findet. So ließen sich womöglich auch neue Gespräche über die EU-Pläne bei Bildung und Forschung anstoßen.
Die Schweiz bekommt erstmals die Folgen ihrer Einwanderungsinitiative zu spüren - aus Sicht der Studenten ein böses Erwachen.
"Gerade das mit den Forschungsgeldern - ich glaube, die meisten Schweizer wussten das nicht."
"Ich denke, ein großer Teil der Bevölkerung würde jetzt gerne mit Nein stimmen und nicht mehr mit Ja - wenn sie noch mal könnten."