Nach den Anschlägen in Paris

Wie reagieren auf die Terror-Welle?

Ein Auto wird an der französisch-belgischen Grenze von zwei Beamten gestoppt.
Nach den Anschlägen von Paris wurden an der französischen Grenze zu Belgien die Kontrollen verschärft. © picture alliance /dpa /Didier Crasnault
Peter Lange und Pascal Thibaut im Gespräch mit Gisela Steinhauer |
In der Nacht ist es zu verheerenden Terroranschlägen in Paris gekommen. Frankreich steht unter Schock, in Deutschland ist die Anteilnahme groß. Wie reagieren wir, der Staat, die Gesellschaft, die Medien, auf eine solche Welle von Angriffen?
Die Anschläge in Paris, bei denen mindestens 120 Menschen getötet wurden, haben weltweit Bestürzung ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Großbritanniens Premierminister David Cameron zeigten sich tief erschüttert und schockiert. US-Präsident Barack Obama sicherte Frankreich jegliche Hilfe zu.
Die Nachricht von den Terroranschlägen habe einen Schock bei ihm ausgelöst, sagte Pascal Thibault, Deutschland-Korrespondent von Radio France, im Deutschlandradio Kultur. Nach den Attentaten auf das Magazin "Charlie Hebdo" im Januar habe man gehofft, für längere Zeit vor solchen Wiederholungen geschützt zu bleiben:

"Einige Attentate sind im Laufe der letzten Monate verhindert worden. Aber man wusste, und das sagten auch die Verantwortlichen – vielleicht aber nicht so laut -, dass Frankreich natürlich im Visier solcher Attentate, solcher Terroristen ist. Und dass man jeder Zeit damit rechnen musste. Und gestern ist es passiert."
Welle der Solidarität in Frankreich
Thibault beschrieb die Welle der Solidarität und das Entstehen großer Emotionen in der französischen Gesellschaft nach dem Attentat vom Januar:
"Das hatte eine Dimension, die man seit Jahrzehnen nicht mehr erlebt hatte. Ein Frankreich, das plötzlich als geeint galt gegen die Terroristen, gegen die Feinde der Freiheit. Gleichzeitig muss man auch sagen, dass dieser Geist von 'Charlie Hebdo' relativ schnell anfing zu bröckeln. Angefangen mit den Politikern, die natürlich den in Frankreich nicht sonderlich entwickelten Konsens verlassen haben. Peu à peu hat der Alltag doch wieder die Oberhand gewonnen."
Brüche in der französischen Gesellschaft
Diese Entwicklung hänge einerseits mit den politischen Machtverhältnissen zusammen, andrerseits aber auch mit bestimmten gesellschaftlichen Strukturen, so die Einschätzung von Thibaut:
"Die Brüche dieser Gesellschaft, die tief sind, die länger zurück liegen, die sind auf eine künstliche Art einige Tage, Wochen – wenn man großzügig ist – übertüncht worden. Aber dann gerieten sie wieder an die Oberfläche. Und so lässt sich, glaube ich, erklären, dass dieser Geist von 'Charlie Hebdo', der von vielen fast als Beginn einer neuen Ära begrüsst wurde, das dieser Geist doch sehr flüchtig war."
Worte als Ausdruck der Hilflosigkeit
Die deutschen Reaktionen auf die Pariser Terroranschläge bezeichnete Peter Lange, Chefredakteur von Deutschlandradio Kultur, als angemessen:
"Indem Politiker zum Ausdruck bringen, was ihre Bürger auch empfinden. Dass sie sozusagen die Worte stellvertretend finden für das, was an Gefühlen, Denken und Gedanken da ist. In der Wortwahl wird es allerdings, je öfter solche Situationen kommen, um so stereotyper. Es sind fast immer dieselben Worte. Was dann am Ende vielleicht auch Ausdruck einer Hilflosigkeit ist. Aber diese Hilflosigkeit wiederum – die empfinden wir alle ja auch. Insofern korrespondiert das ja schon miteinander. "
Nach einer Phase des Abwartens und Innehaltens müsse man die Frage nach den Konsequenzen aus den jüngsten Anschlägen stellen, so Lange:
"Diese Anschläge von Paris gehören aus meiner Sicht zu einer bestimmten Kategorie von Anschlägen, wo die Bürger eines Landes auch noch Jahrzehnte wissen: 'Ich weiß genau, was ich an dem Tag gemacht habe und in welcher Situation ich davon erfahren habe. Das gilt für den 11. September in den USA. Das gilt auch für den Anschlag auf das Dubrowka-Theater in Moskau 2002 mit einer ähnlich hohen Zahl von Opfern. Das sind alles Kategorien von Anschlägen, die so monströs sind, dass die Leute geschockt sind, dass ganze Gesellschaften traumatisiert sind."
Aus aktuellem Anlass war das Thema von "Im Gespräch" geändert worden.

Nach den Anschlägen in Paris - Wie reagieren auf die Terror-Welle? – Darüber diskutiert Gisela Steinhauer am Samstag, dem 14.11. von 9 Uhr 07 bis 11 Uhr mit Peter Lange, Chefredakteur von Deutschlandradio Kultur und Pascal Thibault, Deutschland-Korrespondent von Radio France Internationale in Berlin. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de sowie auf Facebook und Twitter.

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