Nach den "Sopranos" wurde alles anders

Von Christian Berndt |
"Breaking Bad", "The Wire" und "Mad Men" - moderne Fernsehserien sind mehr als einfache Raumfüller im Nachmittagsprogramm. Aber alles begann 1999 mit einer Serie über die psychischen Probleme eines Mafiabosses aus New Jersey.
Tony Soprano ist Mafia-Boss, aber ansonsten ein sympathischer Kerl. Er trägt viel Verantwortung - und eines Tages klappt er einfach zusammen. Im Krankenhaus wird nichts gefunden – es muss psychisch sein. Widerwillig begibt sich der Macho in Therapie:

"Wie fühlen Sie sich jetzt? Ich sag Ihnen mal was. Heute rennt jeder zum Seelendoktor, und zur Beratung, und auch noch in irgendeine Talkshow und quatscht über seine Probleme. Was war zum Beispiel mit Gary Cooper, der starke, stille Typ. Der hatte keinen Kontakt zu seinen Gefühlen, der hat getan, was er tun musste. Wenn die es geschafft hätten, dass Gary Cooper Kontakt gekriegt hätte zu seinen Gefühlen, dann hätte er pausenlos gesabbelt."

"Die Sopranos" erzählt eine Mafia-Geschichte der anderen Art - ohne mächtige "Paten", sondern eher mit kleinen Geschäftsleuten, die so tun, als wäre ihr Beruf - trotz kleiner Morde - ganz normal. "Sopranos"-Autor David Chase pfiff beim Drehbuch auf Serienkonventionen. Er baute literarische Anspielungen und surreale Traumszenen ein und entwarf für eine TV-Serie ungewöhnlich zwiespältige Figuren. Und neu war auch die Struktur dieser über 86 Folgen zusammenhängend - und nicht wie üblich in leicht verdaulicher Episodenform - erzählten Geschichte. Bei den Zuschauern kam das an. Mit dem Start der "Sopranos" 1999 begann eine neue Serienkultur.

Seit den "Sopranos" entwerfen Serienautoren ganze Gesellschaftspanoramen. In der inzwischen Kult gewordenen Serie "Mad Men" über New Yorker Werbetexter der 60er-Jahre reicht der Zeitraum über eine Dekade. Als komplexes Gesellschaftsbild der Gegenwart angelegt ist dagegen die Serie "The Wire", die das düstere Bild des postindustriellen Amerika zeichnet. Baltimore steht hier als Beispiel für verarmte Städte, in denen ganze Schichten durch Arbeitslosigkeit verwahrlost sind.

Und noch schwärzer ist die Gesellschaftsdiagnose in der hoch gelobten Serie "Breaking Bad". Sie beschreibt die verstörende Genese eines Chemielehrers, der sich die Krebsbehandlung nicht leisten kann, zum brutalen Killer. In Europa ist vor allem England die Heimat ambitionierter Serien. Während etwa in "Downton Abbey" mit nostalgischer Ausstattungswucht die Umbruchstimmung des Ersten Weltkrieges eingefangen wird, gelingen Produktionen wie "Shameless" und der bemerkenswerten Jugendserie "Skins" kraftvoll-authentische Gegenwartsbeschreibungen. In Deutschland gibt es noch nichts Vergleichbares.
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