Nach der Fußball-EM

Ein Lob dem Sportverein

Fußball spielende Kinder
Auf dem Rasenplatz um die Ecke haben die Stars von heute ihre Karriere begonnen, so Dieter Bub. © dpa/picture alliance/anp Koen Suyk
Von Dieter Bub |
Das Wir-Gefühl von Meisterschaften wie der Fußball-EM hält der Journalist Dieter Bub für flüchtig. Umso dauerhafter bewertet er den Zusammenhalt, den unzählige Vereine schaffen - die eben auch Leistungssport und soziale Integration möglich machen.
Ich gestehe: Auch ich war von diesem Fieber der vergangenen Wochen infiziert, hatte Sympathien für Wales und Island und klar, für Jogis Jungs, für "uns", die Deutschen. In mir war dieses Wir-Gefühl.
Ich habe im biederen Lokal am Stadtpark neben dem Kinderspielplatz vor der Groß-Leinwand gesessen - unter karnevalesk verkleideten braven Bürgern, ausgestattet mit schwarz-rot-goldenen Hüten, T-Shirts, Schals und natürlich mit Wimpeln und Tröten.
Habe als Fan von Mannschaften gezittert und – zugegeben – auch gejubelt. War wie alle um mich herum im Ausnahmezustand. Nun ist Schluss mit Fan-Meile, Knallerei und Autokorso, mit Dekorationen aller Art. Die Fahnen und Wimpel in Nationalfarben verschwinden.

Spitzensport ist auch Verdienst regionaler Vereine

Dabei hat der Sport-Sommer erst begonnen. Nach den Fußballfreunden dürfen sich nun auch die Anhänger anderer Sportarten begeistern, wenn auch eher unter sich. Zu Lande und zu Wasser wird es um Zentimeter und Hundertstel-Sekunden gehen, in einer Fülle von Disziplinen - von den Leichtathleten über Segler, Schwimmer, Kanuten, Ringer bis zu den Beach Volleyballern, beispielsweise bei den Olympischen Spielen und darauf den Paralympics in Rio.
Sicher am Ende des Wettkampfes zählen Gold, Silber und Bronze. Und leicht vergisst man in Jubel und Frust über Sieg oder Niederlage, dass alle, die ins Stadion einlaufen, Spitzensportler sind, die monatelang Höchstleistungen trainiert und bewiesen haben.
Nicht nur Olympia-Stützpunkte und Sportzentren, nicht nur der Leistungssport, sondern auch der Breitensport werden durch die Fernsehbilder aus Brasilien ihr Engagement belohnt sehen – und zwar jenseits der Medaillen. Die Deutschen sind nämlich kein Volk von aufgeregten Stubenhockern am TV-Gerät.

Jeder dritte Deutsche engagiert sich im Breitensport

Jeder dritte, 28 Millionen, ist Mitglied in einem von 91.000 Sportvereinen, nicht mitgerechnet Freizeitsportler und Besucher von Fitnessstudios. Kinder für monatlich 2,50 Euro und Erwachsene für 6,00 Euro haben eine Auswahl an Disziplinen von Aikido bis Gummistiefel-Weitwurf, Streethockey, Westernreiten, Unterwasser-Rugby und natürlich immer wieder Fußball als Nummer eins in der Statistik.
Auf dem Rasenplatz um die Ecke haben die Stars von heute ihre Karriere begonnen, hier sind sie entdeckt worden, ob Boateng im Berliner Wedding, Podolski in Köln. Hier schlägt der Deutschen Sportlerherz. Hier haben die kleinen und großen Aktiven in der Woche beim Training und an jedem Wochenende bei Spiel und Wettkampf ihren Spaß, angefeuert von ihren Fans, von rabiaten Müttern und Vätern, egal ob vor 50 oder 200 Zuschauern.
So wie bei der EM die Isländer, die Engländer aus Wales, die Slowaken, die Ukrainer oder die Kroaten begeisterten, also die, mit denen keiner rechnet, die überraschen, weil man sie nicht kannte. So sind die wahren Fans den Mannschaften abseits der ersten Ligen treu, oft mit alten, zuweilen auch futuristischen Namen, immer der Region verbunden.

Vereinssport schafft Wir-Gefühl in Nachbarschaft

Denn Breitensport integriert und schafft dauerhaftes "Wir-Gefühl" – jedenfalls dort, wo er mit Umsicht geführt wird. Er holt junge Leute von der Straße und aus der Langeweile, gleicht soziale und persönliche Probleme aus, bietet Zugezogenen aller Hautfarben eine Heimat.
Vor allem: Er fordert und fördert Talente, selbst wenn auch er unerschwingliche Hürden hat: Trikot und Schuhe kosten zuweilen leider mehr, als eine Familie sich leisten kann. Ganz zu schweigen von exklusiven Sportarten wie Fechten, Segeln, Reiten, Golf oder Tennis.
Für den Verein meiner Jugend genügten ein paar Mark, es war die Badehose für den Schwimmverein Schwabach bei Nürnberg, in dem ich ein paar Jahre beim täglichen Training und bei Wettbewerben gute Freunde hatte.

Dieter Bub, Publizist und Buchautor, verbrachte seine Kindheit und Jugend in der DDR. Zwischen 1979 und 1983 war Korrespondent des "Stern" in Ostberlin.

Nach 1990 realisierte er für den NDR und den MDR große Dokumentationen zur Geschichte der DDR.

Publizist Dieter Bub
© Foto: privat
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