Nach der Präsidentenwahl

Österreich ist und bleibt tief gespalten

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Vor der Entscheidung: Alexander Van der Bellen (links) und Norbert Hofer nach einem TV-Duell. © picture alliance / dpa
Von Ralf Borchard |
Quer durch Europa geht ein Aufatmen: Der österreichische Bundespräsident heißt Alexander Van der Bellen. Die Abstimmung habe dennoch den Spalt in der Weltanschauung der Österreicher vertieft, kommentiert Ralf Borchard.
Es war knapp wie nie zuvor, doch jetzt ist das Ergebnis klar. Der nächste Bundespräsident in Österreich heißt Alexander Van der Bellen. Der 72-Jährige, früher Wirtschaftsprofessor, elf Jahre lang Parteichef der Grünen, wird das Land in den nächsten sechs Jahren nach innen und außen repräsentieren.
Quer durch Europa, jedenfalls Westeuropa, vor allem durch Brüssel, Paris und Berlin, geht ein Aufatmen. Ein Rechtspopulist als Bundespräsident in Österreich – gerade noch verhindert. Das Szenario eines von Norbert Hofer angekündigten starken Präsidenten, der der Regierung ständig FPÖ-Knüppel zwischen die Beine wirft, diese womöglich bald entlässt, um mit Parlamentsneuwahlen einem FPÖ-Kanzler den Weg zu ebnen: Dieses Szenario ist abgewendet - zunächst. Alexander Van der Bellen wird das höchste Staatsamt mit ähnlicher Zurückhaltung ausüben wie seine Vorgänger.

Van der Bellen wird sich schwer tun

Alles nochmal gut gegangen in Österreich? Nein, dieser Eindruck täuscht. Das Land ist und bleibt tief gespalten. Die Gräben verlaufen nicht nur zwischen Stadt und Land, zwischen Frauen und Männern. Die Großstädte, vor allem Wien, haben Van der Bellen gewählt, Männer überwiegend Hofer. Vor allem hat diese Wahl eine Spaltung in der Weltanschauung vertieft, besonders bei den Themen Flüchtlinge und Europa. Selbst wenn gut die Hälfte der Wähler sich am Ende für Van der Bellen entschied - der polarisierende Wahlkampf hat die zerstörerische Kritik an der EU, hat die zuweilen an Hetze grenzenden Vorurteile gegen Migranten und Flüchtlinge ein ganzes Stück hoffähiger gemacht in Österreich.
Van der Bellen verspricht, Gräben zuzuschütten, das Land zu einen. Er wird sich schwer tun. Die Analysen zeigen, dass sich fast die Hälfte seiner Wähler nicht für ihn als Person, für seine Positionen entschieden hat, sondern nur deshalb ihr Kreuz bei Van der Bellen gemacht hat, um Hofer zu verhindern. Umgekehrt gilt: Nicht alle Hofer-Wähler stehen rechts außen. Protest und Frust war hier für viele das Hauptmotiv, und diese Protest- und Frustrationsstimmung bleibt gefährlich.

Die FPÖ schärft die politische Klinge

Die FPÖ wird diese Niederlage nicht demütig schlucken. Schon kursiert, von Parteichef Heinz-Christian Strache befeuert, die Verschwörungstheorie, bei der Auszählung der Briefwahlstimmen könne doch nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Die FPÖ schärft schon jetzt die politische Klinge für den noch wichtigeren Wahlkampf ums Kanzleramt.
Selbst wenn der neue SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern mit der Wahl Van der Bellens etwas Zeit gewonnen hat, für eine neue, bessere Regierungsarbeit: Die FPÖ wird gegen Kern und Van der Bellen Stimmung machen, mit dem großen Ziel: Wahlsieg 2018. Sie ist in Umfragen stärkste Partei, weit vor SPÖ und ÖVP, vor den Grünen sowieso. Ein FPÖ-Präsident Hofer ist knapp abgewendet. Ein FPÖ-Kanzler Strache noch lange nicht.
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