Wenn ein Hurrikan eine ganze Volkswirtschaft zerstört
Die UN-Klimakonferenz in Bonn habe nicht viel gebracht, meinen viele Beobachter. Achim Steiner, Leiter des UN-Entwicklungsprogramms, mahnt, die Industrieländer dürften die Entwicklungsländer bei der Bewältigung von Klimaschäden nicht alleine lassen.
Bereits jetzt sind viele Entwicklungsländer von den Folgen des Klimawandels betroffen. Die Weltgemeinschaft tue sich jedoch schwer, die auf der Klimakonferenz von Paris beschlossenen Hilfsprogramm auch tatsächlich umzusetzen, meint der Leiter des UN-Entwicklungsprogramms, Achim Steiner.
"Es könnte ein bodenloses Fass ein, und davor haben natürlich viele Länder eine Sorge", sagte Steiner im Deutschlandfunk Kultur. Immerhin sei jetzt bei der Weltklimakonferenz in Bonn eine Aufstockung des UN-Anpassungsfonds eingeleitet worden, der Entwicklungsländer bei der Bewältigung von Klimaschäden unterstützt.
Industrieländer müssen den Entwicklungsländern zur Seite stehen
"Ich glaube, gerade hier können die Industrieländer den Entwicklungsländern zur Seite stehen", sagt Steiner und verweist darauf, dass etwa in einigen Inselstaaten der Karibik wegen der Hurikkans der letzten Zeit die gesamte Volkswirtschaft zerstört worden sei.
"Und es ist natürlich die Frage, wer übernimmt eigentlich die Verantwortung dafür, und wie helfen wir diesen Ländern, den Aufbau wieder zu gestalten? Denn im Augenblick stehen sie ganz allein da, vor einem nationalen Scherbenhaufen."
Wir müssen bei der Prävention helfen
Es sei auch im Interesse der Industrieländer, hier in die kleineren und ärmeren Staaten zu investieren, betont Steiner:
"Denn wenn nach solchen Naturkatastrophen der Wiederaufbau nicht möglich ist oder wir ihnen auch nicht bei der Prävention helfen, dann wird Verarmung und damit auch letztlich Hoffnungslosigkeit und Extremismus wachsen. Das gehört mit zu den Szenarien der Zukunft, wenn wir nicht handeln."
(uko)
Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Am Wochenende ist sie ja in Bonn zu Ende gegangen, die 23. Klimakonferenz, die Klima für die Fidschi-Inseln ausgerichtet hat. Die Warnungen vorher dramatisch, die Ergebnisse dürftig, ganz gut die anderen. Aber wenn wir den Planeten Erde nicht komplett verheizen wollen, was muss akut getan werden, und was bringen all die Klimagipfel, wenn deren Ergebnisse immer wieder nur halbgare Kompromisse sind?
All das möchte ich jetzt besprechen mit Achim Steiner, dem ranghöchsten Deutschen bei den Vereinten Nationen. Er ist dort Leiter des Entwicklungsprogramms der UNO, das versucht, in 170 Ländern Krisen und Armut zu bekämpfen, und über ein Budget von fast fünf Milliarden verfügt. Achim Steiner ist jetzt in New York am Telefon. Schönen guten Abend, muss man ja sagen , denn bei Ihnen ist es halb zwölf abends.
Achim Steiner: Guten Abend und guten Morgen, Frau von Billerbeck. Es ist in der Tat schon spät.
Sorge und Bedauern über das Scheitern von "Jamaika"
von Billerbeck: Das Klima war ja auch einer der Streitpunkte während der heute Nacht gescheiterten Sondierungen zwischen den vier Parteien hierzulande. Mit welchen Gefühlen haben Sie aus New York denn das Geschehen beobachtet?
Steiner: Natürlich mit Sorge und einem gewissen Bedauern, denn gerade in diesem Moment der Zeitgeschichte fällt Deutschland eine besondere Rolle zu, international Stabilität zu bieten, auch eine gewisse Führungsrolle bei den großen Themen einzunehmen.
Ich fand es auch interessant, dass Deutschland vielleicht mit einer ganz neuen Koalition auch in gewisser Hinsicht den Zeitgeist reflektiert. Denn wir haben verschiedene Strömungen in unseren Gesellschaften, und es war natürlich auch die Hoffnung, dass wir nun gerade aus Berlin für die internationale Gemeinschaft mit positivem und einem optimistischen Blick in die Zukunft schauen können. Dies ist zumindest für den Augenblick erst einmal vertagt.
Deutschland kann mit Stolz auf seine Leistung beim Klimaschutz schauen
von Billerbeck: Sie haben ja die Rolle Deutschland betont. Deutschland galt ja international auf der Bühne bisher als Klimaschutzvorreiter. Ist Deutschland das noch, oder gibt es diese Rolle gerade an China ab?
Steiner: Ich glaube, viele andere Nationen haben sich in den letzten Jahren immer schneller voranbewegt, daher wird die Konkurrenz für diejenigen, die eine Führungsrolle spielen, natürlich stärker, aber ich glaube, Deutschland kann immer noch mit Stolz erst mal auf das schauen, was es geleistet hat.
Aber natürlich, andere Länder holen nicht nur auf, sondern beginnen, Deutschland auch zu überholen, und das ist ja auch nicht schlecht, denn gerade Länder wie China und andere Industrieländer waren ja am Anfang etwas langsam.
Nun steht es natürlich uns allen an, die Verpflichtungen, die durch das Pariser Klimaabkommen eingegangen wurden, auch umzusetzen. Das ist die Herausforderung, der sich auch ein Land wie Deutschland stellen muss.
Der Kohleausstieg ist keine Frage des Willens
von Billerbeck: Ein Thema, das ja gerade jetzt bei den Sondierungen und auch während der Klimakonferenz immer besprochen wurde, ist der Kohleausstieg. Wie bewerten Sie denn diese Ausstiegsallianz aus Kanada, Großbritannien, die Kanada und Großbritannien auf dem Klimagipfel gestartet haben, der ja Deutschland nicht angehört?
Steiner: Nun war es natürlich gerade in diesem Augenblick der Verhandlungen in Deutschland schwierig vielleicht, einer solchen Allianz beizutreten. Aber ich glaube, sie ist ein Zeichen dessen, was wir ja schon seit einigen Jahren beobachten, dass die kohlenstoffarme Volkswirtschaft der Zukunft kommt.
Der Kohleausstieg ist ja nicht nur eine Frage des Willens, sondern er ist ja von der Wissenschaft uns im Grunde schon vorgezeichnet. Europa, die Industrieländer müssen bis zum Jahr 2030 aus der Kohle aussteigen und der Rest der Welt bis zum Jahr 2050, sonst werden wir scheitern. Und das Scheitern bei der Verringerung von Emissionen, das wurde uns ja noch einmal ganz klar gezeigt mit den Berichten, die kurz vor dieser Bonner Konferenz veröffentlicht wurden, wir haben noch nicht die Kurve bekommen, und es wird immer knapper, immer enger, immer teurer, wenn wir nicht handeln.
Hilfe für die Karibikstaaten
von Billerbeck: Sie sind ja als Chef des UN-Entwicklungsprogramms dafür verantwortlich, dass Krisen und Armut bekämpft werden. In vielen Ländern, 170 Ländern, da sind auch viele Länder darunter, die von der Klimaerwärmung dramatisch betroffen oder schon sind. UN-Generalsekretär António Guterres hat ja von einer Reise in die Karibik berichtet und von den Hurrikanschäden, die er dort gesehen habe, und die katastrophalen Folgen lasten schon auf uns, mahnt er. Was sind da Ihre Erfahrungen?
Steiner: Ich kann dies nur bestätigen, und zwar nicht nur aus den letzten Wochen und Monaten heraus, sondern aus den vielen Jahren, die ich ja selbst in Afrika gelebt habe und dort die Veränderungen beobachten konnte. Wir haben aufgrund auch der Reise von Generalsekretär Guterres in die Karibik morgen und übermorgen nun hier in New York eine Geberkonferenz, die wir organisieren, um diesen Karibikstaaten zur Seite zu stehen.
Denn die Zerstörungen, die diese Länder durch eine extreme Natur- und Wetterepisode, kann man fast sagen, dem Hurrikan, in 24 Stunden erleben, hat letztlich die gesamte Volkswirtschaft einiger Inselstaaten zerstört. Und es ist natürlich die Frage, wer übernimmt eigentlich die Verantwortung dafür, und wie helfen wir diesen Ländern, den Aufbau wieder zu gestalten? Denn im Augenblick stehen sie ganz allein da, vor einem nationalen Scherbenhaufen.
"Wir müssen ineinander investieren"
von Billerbeck: Und wie sieht es aus mit der Umsetzung des Hilfsprogramms für Klimaschäden in besonders bedrohten Ländern? Das ist ja in Paris beschlossen und zugesichert worden.
Steiner: Im Prinzip ja. Natürlich tut sich die Weltgemeinschaft schwer, weil es könnte ein bodenloses Fass ein, und davor haben natürlich viele Länder eine Sorge. Aber gerade in den Finanzierungsinstitutionen, auch in Bonn wurde ja noch einmal auch eine Aufstockung des Anpassungsfonds eingeleitet. Und ich glaube, gerade hier können die Industrieländer den Entwicklungsländern zur Seite stehen. Wir müssen ineinander investieren, und gerade für die kleineren Staaten und die ärmeren Staaten ist es auch in unserem Interesse. Denn wenn nach solchen Naturkatastrophen der Wiederaufbau nicht möglich ist oder wir ihnen auch nicht bei der Prävention helfen, dann wird Verarmung und damit auch letztlich Hoffnungslosigkeit und Extremismus wachsen. Das gehört mit zu den Szenarien der Zukunft, wenn wir nicht handeln.
von Billerbeck: Einschätzungen waren das von Achim Steiner, dem Leiter des UN-Entwicklungsprogramms, nach der Bonner Klimakonferenz. Ich danke Ihnen schön!
Steiner: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.