Nach der Wahl in Russland

Putins Machterhalt: Ein Triumph für Rechtspopulisten

3305812 02/20/2018 Election campaign posters in Novosibirsk. Alexandr Kryazhev/Sputnik Foto: Alexandr Kryazhev/Sputnik/dpa |
Election campaign posters in Novosibirsk © Sputnik
Von Jörg Himmelreich |
Wladimir Putins Wahlsieg gibt den Rechtspopulisten in Europa Auftrieb, sagt der Politikwissenschaftler Jörg Himmelreich. Die Allianz zwischen dem Kremlchef und den Rechten hält er für gefährlich – sie arbeite gegen den inneren Frieden Europas.
Auf den ersten Blick mag dieser billige Akklamationsklamauk geradezu langweilen. Manchem erscheint er gar als eine altbekannte Klamotte aus dem herkömmlichen russischen Spielkasten, ein wenig Demokratie vorzugaukeln. Für Europa aber bedeutet diese Akklamation Wladimir Putins viel mehr. Für Europa ist sie seit den letzten Monaten der bisherige triumphale Höhepunkt in einer ganzen Reihe von bedeutenden Wahlerfolgen europäischer Rechtspopulisten.

Putin als Held europäischer Rechtspopulisten

Es begann mit dem erstmaligen Einzug der rechtspopulistischen und rassistischen Partei AfD als stärkster Opposition in den Bundestag - ein historischer Wendepunkt in der deutschen Parlamentsgeschichte. Und setzte sich mit den Wahlerfolgen der Rechtspopulisten bei den Parlamentswahlen in Österreich und Italien fort. Und jetzt Putin. Für Europas Rechtspopulisten ist er der Held. Sie gieren danach, ihn möglichst persönlich zu treffen. Damit erhalten sie gleichsam seinen Segen für ihre Politik und manchmal sogar sein Geld, wie zum Beispiel Marine Le Pen mit ihrer französischen Front National. Sie durfte Putin gleich drei Mal zum Privatgespräch im Kreml aufsuchen, bevor sie Emmanuel Macron unterlag. Matteo Salvini, der Chef der rechtspopulistischen Lega Nord in Rom, geht seit seinem Besuch bei Putin 2014 im Kreml ein und aus. Fragen nach Finanzspritzen vom Kreml weicht er beharrlich aus.

Rechtspopulistische Forderungen untergraben europäische Werte

Putins Ablehnung westlicher Werte teilen auch die Rechtspopulisten: Ausländer raus, gegen Brüssel, gegen die Herrschaft des Rechts, gegen Meinungsfreiheit und für den eigenen starken Staat. Auch der AfD-Parteivorsitzende Alexander Gauland erweist mit seinen regelmäßigen Treffen in Russland - zuletzt im Januar - mit Handlangern des Putin-Regimes diesem seine Reverenz. Mit der Kremlpartei "Vereintes Russland" haben FPÖ und Lega Nord Kooperationsabkommen zur "patriotischen Erziehung der Jugend" abgeschlossen. All diese rechtspopulistischen Forderungen und Kooperationen untergraben die gemeinsamen Werte und Stabilität Europas. Und das ist ganz im Sinne Putins.

Putin führt gegen Europa neuen Kalten Krieg

Denn zum eigenen fragilen Machterhalt hat Putin Europa einen neuen kalten Krieg erklärt, mit allen Mitteln und wo immer möglich. Sein Cyberwar ist Krieg in moderner, billiger Form. Russische Hacker dringen in die IT-Systeme von Kanzleramt und Bundestag ein. Deutsch-Russen werden in Berlin aufgewiegelt, indem Außenminister Lawrow erfundene Lügen über die angeblich nicht verfolgte Vergewaltigung eines deutsch-russischen Mädchens verbreitet. Abtrünnige Ex-KGB-Spione lässt Putin in Großbritannien vergiften. Auch um Europa als Schwächling vorzuführen, das seine Bewohner nicht schützen kann.

Rechtspopulisten machen sich zu Kollaborateuren Putins

Viel gefährlicher als jede prahlerische militärische Aufrüstung sind daher in diesem Kampf Putins Trolleinheiten in Petersburger Verstecken. Denn mit ihnen unterwandert er über die sozialen Netzwerke den inneren demokratischen Meinungsdiskurs in Europa, und gewinnt politische Deutungsmacht. Europas Rechtspopulisten sind dabei seine dümmlichen, aber sehr hilfreichen Verstärker. Putin kämpft gegen Demokratie, Rechtsstaat und den inneren Frieden in Europa. Indem AfD und andere europäische Rechtspopulisten Putins autokratische Politik so naiv übernehmen, machen sie sich zu seinen billigen Kollaborateuren.
Auch deswegen ist gegen deutsche und europäische Rechtspopulisten der politische Kampf mit allen demokratischen Mitteln so wichtig: durch Offenlegung der Netzwerke und Verbindungen nach Russland, durch Hassverbote und die vorurteilsfreie Analyse eigener Versäumnisse. Denn wie schon der berühmte Historiker Toynbee voraussagte: Zivilisationen sterben nicht durch Mord, sondern durch Selbstmord.

Jörg Himmelreich: Der Politikwissenschaftler schreibt als Autor für die "Neue Zürcher Zeitung" und forscht zu kulturgeschichtlichen und außenpolitischen Themen Russlands und Asiens. Er war Mitglied des Planungsstabs des Auswärtigen Amts in Berlin sowie Gastdozent in Washington, Moskau, und London.

© Peter Ptassek
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