Nach der Wahl ist vor der Wahl

Von Christoph Heinzle |
Am Montag wird in Afghanistan das vorläufige Ergebnis der Parlamentswahlen vor drei Wochen bekannt gegeben. Ein Viertel der Sitze im Parlament sind für Frauen reserviert. Trotz dieser vergleichsweise hohen Quote sind afghanische Frauen im Alltag nach wie vor benachteiligt, kritisiert Frauenrechtlerin Shukria Barakzai.
Barakzai: "Ich will nicht im Hinterzimmer sitzen und Leute einladen. Ich möchte wirklich mitten in der Bevölkerung sein, möchte wissen, was die Menschen wollen." (Barakzai redet mit Lehrerin)

Ein kurzes Gespräch mit einer ehemaligen Lehrerin. Die lobt Shukria Barakzai als aktiv und dynamisch, als eine, die etwas erreichen kann für die Frauen in Afghanistan. Für Gleichberechtigung hat sich die Journalistin und Frauenrechtlerin schon bei der großen Stammesversammlung eingesetzt, die im Januar 2004 nach wochenlangen Debatten die neue Verfassung Afghanistans beschlossen hatte.

"Ich kämpfe für Gerechtigkeit für jedermann – ohne Diskriminierung, ohne politische Einseitigkeit. Ich glaube an Gleichheit. Ich will der Demokratie in Afghanistan auf die Beine helfen. Das ist mein Programm."

Für die immer noch labile Sicherheitslage und den Mangel an Entwicklung in einigen Teilen des Landes macht Barakzai auch die internationale Gemeinschaft verantwortlich.

"Die zweischneidige Politik der großen Staaten hat Afghanistan in diese Lage gebracht. In einigen Provinzen gibt es keine Veränderung seit den Taliban. Ich mache dafür das Ausland verantwortlich. Sie haben eine Situation geschaffen, von der sie glauben, sie sei gut für die Afghanen. Aber sie sollten herkommen und selber sehen, wie die Lage ist und was die Afghanen wollen und hoffen."

Mehr als ein Viertel der Sitze ist bei dieser Wahl für Frauen reserviert – damit liegt Afghanistan im weltweiten Vergleich in der Spitzengruppe. Doch der Lebenswirklichkeit entspricht das nicht. Nicht wenige Männer sähen Frauen lieber zu Hause als beim Straßenwahlkampf. Shukria Barakzai hat es dabei leichter als andere. Sie ist eine prominente Frauenrechtlerin, Ehefrau eines wohlhabenden Geschäftsmanns in einer modernen, westlich orientierten Familie.

"Nein, nein, ich habe keine Angst. Ich habe in meinem Leben viel Leid gesehen. Ich bin mit dem Krieg in Afghanistan aufgewachsen. Ich weiß, eines Tages werden sie mich umbringen, aber das schert mich nicht, ich habe meine eigenen Pläne."



Mehr über Frauen in Afghanistan und ihre Rolle im Alltag erfahren Sie im Interview von Deutschlandradio Kultur mit Galina Breitkreuz (Link zum Audio in der rechten Spalte). Die Autorin war mehrfach in Afghanistan und hat bei dtv das Buch "Erst kommt die Angst - Afghanistans mutige Frauen" veröffentlicht.