Ein wütender Mob, eine untätige Polizei und viele Fragen
In der Elbphilharmonie in Hamburg vergnügten sich im Juli die G20-Staatschefs. Währenddessen wurde das Schanzenviertel von gewaltbereiten Autonome und Krawalltouristen verwüstet. Die Polizei schritt damals zunächst nicht ein. Viele Fragen sind immer noch offen – ein Sonderausschuss soll Antworten geben.
Im Großen Saal der Elbphilharmonie erklingt Beethovens Neunte. Im Publikum: Donald Trump und Vladimir Putin, Justin Trudeau, Emanuel Macron, Xi Jinping und die anderen Staatschefs der G20. Mit dabei ist auch der Gastgeber, Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz. Immer wieder schaut er auf sein Smartphone, empfängt die schlechten Nachrichten aus dem Polizeipräsidium.
Während der Schlussakkorde in der massiv gesicherten Elbphilharmonie sind die Krawalle im linksalternativ geprägten Hamburger Schanzenviertel längst eskaliert. Auf den Straßen rund um das Schulterblatt, auch vor dem linksautonomen Zentrum "Rote Flora" lodern Feuer auf dem Kopfsteinpflaster, werden Barrikaden errichtet und Polizeikräfte mit Steinen attackiert. Geschäfte werden geplündert und in Brand gesteckt, ohne Rücksicht auf die Menschen, die darüber wohnen. Drei Stunden lang wütet der Mob, dann erst greift die Polizei ein, dann erst werden Spezial- und Antiterroreinheiten ins Schulterblatt geschickt.
In den frühen Morgenstunden des 8. Juli rückt die Stadtreinigung mit Besen, sogar Baggern an und räumt auf. Die Anwohner stehen zusammen, reden sich die Wut von der Seele.
"Ich verstehe nicht, wo das herkommt. Und ich verstehe nicht, was die damit bezwecken wollten! Ich verstehe einfach nicht, wo die Intention herkam, einfach alles kaputt zu machen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Leute, die hier wohnen, selbst die Leute aus der Flora das gutheißen möchten und ich würde einfach nur gerne wissen, was das für Leute waren, die dachten, sie kommen jetzt mal her, haben am Abend Spaß, zertrümmern alles und gehen dann wieder nach Hause und lassen uns hier mit den Scherben allein."
Die junge Frau wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Fassungslos über den Gewaltexzess. Aber auch über die Polizei, die mit Wasserwerfern, Räumpanzern und mehreren Hundertschaften direkt am Eingang zum Schulterblatt, am Neuen Pferdemarkt bereitstand, aber einfach nicht eingriff:
"Die haben sie einfach machen lassen! Wir haben uns immer gefragt: Warum? Warum lassen sie die einfach machen? Warum greift nicht einer mal ein?"
Noch immer kreisen die Polizeihubschrauber über dem Tagungszentrum der G20. Schon seit Tagen gehört das Dröhnen der Rotoren, das Heulen von Polizei-Sirenen zum Alltag in Hamburg. Warum die Polizei die Gewalttäter, Plünderer und Brandstifter gewähren ließ, dafür haben viele Bewohner im Schanzenviertel schon am Morgen danach eine Erklärung:
"Ich frage mich: warum schützt die Polizei nur die G20-Teilnehmer und nicht die Bevölkerung? Und da zu zu gucken vom Rand, wo die Häuser anfangen zu brennen, wo alles anfängt zu brennen, wo alles eingeschlagen wird, wo die Leute nicht mehr wissen sollen was sie machen sollen und auf die Dächer fliehen … Das geht so nicht"
"Und ich hatte auch das Gefühl, dass sich das hier zentrieren soll, damit es woanders eben nicht weiter eskaliert. Und da fühle ich mich als Bauernopfer. Oft heißt es ja schon so, nach dem Motto: 'Ach, wenn man hier wohnt, ist man selber schuld.' Und es hinterlässt einfach so ein Gefühl von Ohnmacht und Sprachlosigkeit hier bei den Anwohnern!"
Ist die Polizeistrategie bei den heftigsten Ausschreitungen während des G20-Gipfels gescheitert? Steckt hinter dem stundenlangen Abwarten der Einsatzkräfte taktisches Kalkül? Am Morgen des 7. Juli hatten Vermummte in versprengten, kaum kontrollierbaren Kleingruppen Autos in Brand gesteckt und Schaufenster zertrümmert. Sollten sich die Gewalttäter am Abend lieber auf dem Schulterblatt, im Herzen des Schanzenviertels austoben? Wurde das Viertel tatsächlich geopfert? Vor dem Gipfel hatte Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde versichert, dass die Einsatzkräfte in den Gipfeltagen besonders schnell zur Stelle sein würden:
"Egal, wo in Hamburg was passiert, wird in einer ganz anderen Größenordnung und in einer ganz anderen Geschwindigkeit Polizei da sein. Und gerade der Innenstadtbereich ist, glaube ich mit Polizei nicht unterversorgt, sondern da werden wir sehr schnell reagieren können. Wir haben auf alles ein waches Auge. Logischerweise aber auch auf jeden Privatmann. Wie gesagt: es soll ja jeder auch unbeschadet diesen Gipfel erleben."
Terrorangriff im Schanzenviertel?
Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer nannte auf Nachfrage sogar einen Zeitraum, in dem Spezialkräfte im Falle eines Terroranschlags vor Ort sein würden:
"Man kann ruhig verraten, dass es eine sehr schnelle Reaktionszeit gibt. Die liegt deutlich unter einer Minute. Deutlich unter einer Minute! So ist das Konzept aufgelegt. Das heißt, die sind im Prinzip überall."
Einen Terrorangriff hat es im Schanzenviertel zwar nicht gegeben. Wohl aber eine Situation, die auch aus Sicht der Polizei hochgefährlich war. So gefährlich, dass sich die hochgerüsteten Polizeieinheiten, die Wasserwerfer und Räumpanzer nicht hineinwagten. Polizeisprecher Timo Zill erklärte in einem ersten Telefoninterview am Tag danach:
Einen Terrorangriff hat es im Schanzenviertel zwar nicht gegeben. Wohl aber eine Situation, die auch aus Sicht der Polizei hochgefährlich war. So gefährlich, dass sich die hochgerüsteten Polizeieinheiten, die Wasserwerfer und Räumpanzer nicht hineinwagten. Polizeisprecher Timo Zill erklärte in einem ersten Telefoninterview am Tag danach:
"Wir hatten Erkenntnisse, dass man Gehwegplatten auf Dächern abgelegt hatte. Molotowcocktails. Dass sich Personen auf diesen Dächern befanden. Und dass man offensichtlich vorhatte, uns in das Viertel zu locken, um dann diese Gehwegplatten auf die Polizeibeamten zu werfen. Damit würde man Polizeibeamte töten."
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer erklärte zwei Tage nach den Krawallen im Hamburger Polizeipräsidium:
"Ich weiß nicht, wie sie es bewerten. Ich bewerte es als terroristischen Angriff. Oder es hat die Qualität eines terroristischen Angriffs ..."
…und wegen dieses Angriffs hätte die Polizei nicht einschreiten können. Die konkrete Gefahr, so Ralf Martin Meyer in der Pressekonferenz, sei von einem Hausdach am Eingang zum Schulterblatt ausgegangen. Drei Stockwerke hoch, davor ein Baugerüst, über das ein gutes Dutzend Gewalttäter aufs Flachdach gelangen konnte. Von dort oben sei die Polizei mit Zwillen beschossen, mit Molotowcocktails sei ein Wasserwerfer beworfen worden. – Aber warum sind die Hundertschaften nicht aus einer der vielen anderen Straßen, die aufs Schulterblatt führen, in die Straße vorgerückt? Waren auf allen Dächern Störer aktiv? Ralf Martin Meyer wich diesen Fragen auf der ersten Pressekonferenz nach den Krawallen aus:
"Wenn ein Hinweis auf einen Hinterhalt besteht, kann man jetzt im Nachhinein natürlich sagen: 'Naja, das hätte man vielleicht machen können.' Aber Hinterhalt heißt ja nun wirklich, dass man die Polizeikräfte dort hineinlocken wollte, um sie von oben auf menschengefährdende Art einzuwirken."
Auch Hartmut Dudde sprang seinem Chef in der teils turbulenten Pressekonferenz nicht zur Seite. Die Polizei blieb dabei: ein Dutzend Störer auf einem einzigen Hausdach konnte die Polizei demnach über Stunden von einem Einsatz im Schanzenviertel abhalten. Zehn Tage später, auf der Sondersitzung des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft korrigierte die Polizei ihre Version: nicht mehr nur auf einem Dach, sondern auf fast allen Dächern seien potentielle Gewalttäter unterwegs gewesen, hieß es nun. Und es wurde preisgegeben, was ein Späher des Verfassungsschutzes in der Krawallnacht den Sicherheitsbehörden berichtet hatte:
Auch Hartmut Dudde sprang seinem Chef in der teils turbulenten Pressekonferenz nicht zur Seite. Die Polizei blieb dabei: ein Dutzend Störer auf einem einzigen Hausdach konnte die Polizei demnach über Stunden von einem Einsatz im Schanzenviertel abhalten. Zehn Tage später, auf der Sondersitzung des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft korrigierte die Polizei ihre Version: nicht mehr nur auf einem Dach, sondern auf fast allen Dächern seien potentielle Gewalttäter unterwegs gewesen, hieß es nun. Und es wurde preisgegeben, was ein Späher des Verfassungsschutzes in der Krawallnacht den Sicherheitsbehörden berichtet hatte:
"Circa 1500 zu allem bereite Personen beherrschen das Schanzenviertel. Das Schanzenviertel ist als Festung ausgebaut und man erwartet schon die Polizei. Auf dem Gerüst Schulterblatt 1 und den Dächern entlang des Schulterblatts sollen Molotowcocktails, Eisenstangen und Zwillen bereitgelegt sein, ebenso sollen Feuerlöscher und Gehwegplatten bereitgelegt sein. Verletzungen bis hin zum Tod würden von der Störerklientel billigend in Kauf genommen."
Für Hartmut Dudde, den G20-Gesamteinsatzleiter, war klar: die Einsatzkräfte sollen warten mit einem Einsatz im Schulterblatt. Stattdessen fordert er um 22.07 Uhr – nach dem Konzertende in der Elbphilharmonie, Spezialkräfte an.
Anderthalb Stunden später stehen rund 300 hochgerüstete Polizisten, auch das österreichische Einsatzkommando "Cobra", einsatzbereit auf dem Neuen Pferdemarkt. Schnellfeuergewehre im Anschlag. Sturmhauben unter den Helmen, die Visiere heruntergeklappt. Über ihnen kreisen Hubschrauber mit Wärmebild- und hochauflösenden Kameras. Als erstes sichern sie das Haus Schulterblatt 1. Es gibt 13 Festnahmen. Danach wird der nächste Hauseingang aufgebrochen und weitergesucht. Alvaro Piña Otey beobachtete die Szene von seinem Restaurant aus. Er erinnert sich:
"Die Situation war ja auch, dass sie auch die ersten Häuser auch von Haus zu Haus in die Wohnungen reingegangen sind, die geräumt haben. Das haben wir auch gesehen. Also, in so einen Maschinengewehrlauf zu schauen, ist nicht sonderlich schön. Es war vollkommen unangebracht. Man wusste gar nicht, was das sollte. Weil es in keiner Relation stand zu dem, was hier eigentlich vorher passiert ist."
Linksautonome und Schaulustige
Als die Spezialtruppen, ausgestattet wie Soldaten ins Viertel einmarschierten, hätten sich die Linksautonomen längst zurückgezogen, so Alvaro Piña Otey. Steine und Flaschen werfen danach, diese Beobachtung macht auch die Polizei, vor allem angetrunkene Jugendliche. Schaulustige, die sich an der Gewalt berauschen.
"Ich habe mir die Leute ja sehr genau angeguckt, die da auf dem Gerüst waren. Natürlich sind da auch Sachen geflogen auf die Polizei. Es ist aber auch in der Vergangenheit, bei Schanzenfesten Sachen von Dächern auf die Polizei geflogen. Da waren sie innerhalb von zwei Minuten dort und haben die Leute runtergeholt. Und es waren viele Leute auf diesem Gerüst und auf dem Dach. Aber von einem organisierten Hinterhalt zu sprechen, ist vollkommen abstrus. Das waren Gelegenheitsrandalierer teilweise. Und ein Großteil Voyeure. Und die Grenzen dazwischen waren fließend und dynamisch."
Alvaro Piña Otey gehört zu den Schanzenviertel-Bewohnern, die der Polizei auch heute noch, dreieinhalb Monate nach den Krawallen, ihre Version des Einsatzes nicht abnehmen. Vor zwanzig Jahren war er selbst im linksautonomen Zentrum Rote Flora aktiv. Er kennt das Viertel. Hat schon etliche Räumungen des Schulterblatts miterlebt:
"Die Polizei beschränkte sich dann hier irgendwann darauf – was man immer nicht verstanden hat, warum die es machen – einfach nur vorzufahren mit dem Wasserwerfer, den leer zu spritzen, dann langsam wieder zurück zu fahren, den nächsten Wasserwerfer, der dahinterstand, nach vorne zu packen, während der andere wieder aufgetankt wurde. Und so ging das über Stunden, dass sie nicht versucht haben, hier rein zu kommen."
Die Zugänge zum Schulterblatt blieben offen. Den ganzen Abend über strömten die Menschen ins Viertel, vorbei an den wartenden Einsatzhundertschaften.
Wäre es aber wirklich möglich gewesen, auch ohne bewaffnete Antiterroreinheiten die Situation zu klären? Einer der wenigen Polizisten, die sich dazu äußern, ist der Berliner Beamte Oliver von Dobrowolski. Er ist zweiter Vorsitzender des Bündnis 90/Die Grünen nahestehenden Vereins "PolizeiGrün".
"Ich denke halt auch, dass diese Situation, wie sie in der Schanze bestand, durch aus mit dem vorhandenen Equipment der Polizei hätte bereinigen können. Und das man dann am Ende sagt: ´Wir mussten um unser Material, aber auch um das Leben der eingesetzten Polizistinnen und Polizisten fürchten`, das ist der Versuch einer Erklärung oder einer Rechtfertigung. Aber wozu gibt es denn diese Schutzausrüstung und dieses enorm teure und relativ frisch angeschaffte Material wie zum Beispiel diese modernen Wasserwerfer."
Diesem Wasserwerfer, dem 31 Tonnen schweren "WaWe 10.000" können nach Angaben des Herstellers, Molotowcocktails nichts anhaben. Bei Tests hielt der "WaWe 10.000" einer aus dem 3. Stock geworfenen Gehwegplatte stand. Noch stabiler sind die Räumpanzer gebaut. Auch sie standen im Schanzenviertel bereit, um Hindernisse von der Straße zu schieben.
Diesem Wasserwerfer, dem 31 Tonnen schweren "WaWe 10.000" können nach Angaben des Herstellers, Molotowcocktails nichts anhaben. Bei Tests hielt der "WaWe 10.000" einer aus dem 3. Stock geworfenen Gehwegplatte stand. Noch stabiler sind die Räumpanzer gebaut. Auch sie standen im Schanzenviertel bereit, um Hindernisse von der Straße zu schieben.
"Man darf bei der Sache ja eins nicht vergessen: Wir hatten so eine Konzentration an Polizeikräften, wie es die fast noch nie zuvor auf deutschem Boden gab. Man hätte dem begegnen können."
Keine Hilfe trotz mehrerer Notrufe
Vor wenigen Wochen erklärte die Hamburger Polizei, dass insgesamt 30.000 Einsatzkräfte den G20-Gipfel gesichert haben. – Wenn der Gewaltexzess im Schulterblatt einen schnellen Polizeieinsatz verhindert hat: in welcher Gefahr schwebten dann die Anwohner der Straße? Natürlich hätte man, trotz des vermeintlichen Hinterhalts sofort eingegriffen, wenn Menschenleben in Gefahr gewesen wären, betont Polizeisprecher Timo Zill. Aber im Schulterblatt hätte es eben nur Sachbeschädigungen gegeben. Die Wohnbevölkerung sei nie in Gefahr gewesen, erklärt er. Seine Aussage, es hätte nur ganz vereinzelt Notrufe aus dem Viertel gegeben, hat Timo Zill mittlerweile korrigiert.
Eine von denen, die mehrfach anrief, war die Ärztin Judith Röder, wohnhaft Schulterblatt 56, 5. Stock. Noch am frühen Abend bemüht sie sich zusammen mit ihren Nachbarn vergeblich darum, die brennenden Barrikaden selbst zu löschen. Ihr ist klar: die Feuerwehr kann das verbarrikadierte Viertel mit ihren Löschzügen gar nicht erreichen.
"Irgendwann kam der Nachbar hoch und sagte, jetzt würde auch die Sparkasse brennen. Zuerst wussten wir nur, dass der REWE brennt, der sich sozusagen rechts von uns befindet, links von uns die Sparkasse. Und als die dann brannte, haben wir angefangen uns zu überlegen, wie wir unser schlafendes Kind durch dieses Chaos da unten irgendwie nach draußen tragen. Und wie wir uns letztendlich aus der Schanze rausbewegen können."
Der Hamburger Oberbrandrat Jan Peters kann die Angst der Menschen zwar verstehen. Er sei nicht vor Ort gewesen, verlässt sich aber auf die Beobachtungen der verdeckt eingesetzten Polizisten und Verfassungsschutzzuträger. Demnach ging von dem brennenden Supermarkt und der angesteckten und komplett ausgebrannten Sparkasse keine Gefahr aus.
"Gebäude sind in Deutschland so gebaut, dass das Feuer nicht innerhalb von Sekunden vom Erdgeschoss aufs Obergeschoss überträgt. Wir hoffen schon, dass wir auch am Telefon die Bürgerinnen und Bürger in ihren individuellen Fällen beraten konnten, um ihnen etwas von ihrer Angst zu nehmen."
Die Ärztin Judith Röder schüttelt darüber den Kopf. Die Feuerwehr verharmlose die Situation, ohne vor Ort gewesen zu sein, findet sie. Sie hofft auf den G20-Sonderausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft. Der soll nicht nur die Gewalttaten, sondern auch die Einsätze der Polizei ausleuchten. Sie selbst glaubt nicht, erklärt Judith Röder, dass ein "Hinterhalt" die Polizei so lange, bis in den späten Abend aufgehalten haben könnte.
"Offiziell war da die Festivität in der Elbphilharmonie zu Ende. Und danach waren dann anscheinend genügend Einsatzkräfte frei, um die Schanze zu räumen. Und mir stellt sich da die Frage nach einer Güterabwägung. Ob man da eine Güterabwägung vorgenommen hat. Und die Staatsgäste letztendlich sozusagen das höhere Gut waren, was zu schützen war. Und nicht die Bewohner der Schanze."
Noch sind viele Fragen offen, auf die der Sonderausschuss bis Mitte nächsten Jahres Antworten finden soll. Die Basis für die Ausschuss-Arbeit sind die Polizei-Akten zum G20-Einsatz. Dass diese Akten an vielen Stellen geschwärzt sind, dass Seiten entnommen wurden, kritisiert unter anderem die Linken-Politikerin Christiane Schneider. Die Polizei hat schon eingeräumt, etwas zu voreilig Inhalte geschwärzt zu haben. Rund 400 Akten würden nun nochmals durchgesehen und dem Ausschuss dann erneut zugestellt. Christiane Schneider begrüßt das. Denn am Ende gehe es im Sonderausschuss um nicht weniger als die Wiederherstellung des gesellschaftlichen Friedens:
"Wenn das aber nicht passiert, wenn da nicht wirklich aufgeklärt wird, wenn da Zweifel im Raum stehen, wenn da Sachen widerlegt werden ohne, dass das irgendwelche Konsequenzen hat, dann heißt das, dass der Frieden in der Stadt nicht wirklich hergestellt werden kann. Und die Stadt ist gespalten, die ist politisch gespalten, da herrscht nicht Frieden darüber. Und das muss der Sonderausschuss leisten. Und wenn er das nicht leistet, hat er seine Aufgabe verfehlt!"
Die Zweifel an der Polizei-Version des Schulterblatt-Einsatz bleiben: die 13 auf dem Hausdach Schulterblatt Nummer 1 verhafteten, angeblichen Gewalttäter sind alle wieder auf freiem Fuß. Molotowcocktails, Gehwegplatten und Eisenstangen wurden auf dem Dach nicht sichergestellt. – Die Polizei hat auch dafür eine Erklärung: die Beweissicherung fand erst vier Tage nach dem Schwarzen Freitag auf dem Schulterblatt statt. Vorher war dafür einfach keine Zeit. Nun gibt es dafür umso mehr Raum für Spekulationen.