Die "Rote Flora" - Hort linksexremistischer Gewalt?
Nach den Ausschreitungen während des G20-Gipfels steht auch das linksautonome Kulturzentrum "Rote Flora" in der Kritik. Ihr Sprecher war Anmelder der "Welcome to Hell"-Demonstration, distanzierte sich danach aber von den Randalierern. Wie radikal ist die "Rote Flora"?
Die alte Opernhaus-Fassade ragt in den Hamburger Himmel über dem Schanzenviertel. Seit 28 Jahren ist die "Rote Flora" von linken Gruppen besetzt, Graffiti an den Wänden, daneben Anti-G20-Plakate, Demo-Aufrufe. Das Hauptportal ist zugemauert, eine Betonrampe führt zum Seiteneingang: eine Stahltür, voll gekritzelt mit Parolen.
Andreas Blechschmidt ist Anfang 50 und fungiert als Sprecher der Rotfloristen. Blechschmidt übernimmt Presse-Interviews, die die meisten Flora-Nutzer kategorisch verweigern. Er trägt Jeans und Anorak, schiebt die schwere Tür auf, geht voran: "Wir stehen jetzt hier in der großen Veranstaltungshalle, die die historische Eingangshalle gewesen ist". Ein etwa 300 Quadratmeter großer Raum, in den bis zu 600 Menschen zu Konzerten reinpassten. Zehn Meter hoch, mit einer Holzdecke und einem Holzfußboden.
Linksautonome Betreiber zahlen nur Betriebskosten
Ende der Achtziger sollte das alte Opernhaus abgerissen werden, linke Gruppen besetzten die "Flora", tauften sie "Rote Flora". Damals gehörte das Gebäude der Stadt, wurde dann an den Immobilien-Kaufmann Klausmartin Kretschmer verkauft. Als der, von Geldsorgen getrieben, das Gebäude an einen privaten Investor verkaufen wollte, kaufte die Stadt das Haus ihm wieder ab. Auf Initiative von Bürgermeister Olaf Scholz. Es wird verwaltet von der gemeinnützigen Lawaetz-Stiftung und den Linksautonomen, bis auf die Betriebskosten, kostenfrei überlassen.
Es gibt eine Fahrrad- und Motorradwerkstatt, Proberäume für Bands. Die so genannte "Küche für alle" bekocht Flora-Besucher. Bezahlt wird nach Selbsteinschätzung. Im ersten Stock ist das "Archiv der sozialen Bewegungen" untergebracht, hier treffen sich regelmäßig politische Gruppen.
Auch beim G20-Gipfel stand die "Rote Flora" Protestierern offen. Aber immer dann, wenn Ausschreitungen auf der Straße vor dem Gebäude wahrscheinlich waren, wurde das Zentrum abgeschlossen, um nicht Teil der Auseinandersetzungen zu werden. Während der Zusammenstöße wurde die Tür nur für Verletzte geöffnet, um sie mit einem Dienst von freiwilligen Sanitätern zu versorgen. "Das ist ein Angebot an Menschen aus Deutschland oder internationalen Zusammenhängen, die gegen den Gipfel demonstrieren möchten", sagt Blechschmidt. Es gebe Informationen und auch "ganz bodenständige Dinge" wie preiswertes Essen.
Natürlich hatten auch die Hamburger Linksautonomen vor dem G20-Gipfel stolz erzählt, dass Teile der Szene aus ganz Deutschland und Europa anreisen würden. Nachdem sich die Polizei am Freitagabend vollständig aus dem Viertel zurückgezogen hatte, strömten immer mehr Randalierer vor die Straße vor der "Roten Flora", plünderten Geschäfte, schlugen Scheiben ein, verwüsteten das Quartier.
"Rote Flora"-Aktivisten forderten Ende der Gewalt bei G20
Ewald Lienen, früher Trainer, heute Technischer Direktor beim FC St. Pauli richtete sich in einem Appell per Video an die Gesetzesbrecher. Wenig später schlossen sich auch die Aktivisten der "Roten Flora" an und forderten ein Ende der Gewalt. Ohne Erfolg. Am Tag danach erklärte Andreas Blechschmidt, dass für die Aktivisten der "Roten Flora" phyische Integrität der Menschen eine rote Linie sei. "Wir haben den Eindruck, dass die Menschen, die da gestern in der Schanze agiert haben, dafür den Blick verloren haben. Das fanden wir falsch."
Aber viele Menschen, vor allem die Anwohnerinnen und Anwohner, fragen sich, warum die Hamburger Linksautonomen nicht viel stärker auf die Randalierer eingewirkt haben. "Gestern haben im Hamburger Schanzenviertel keine Strukturen agiert, mit denen wir politisch verbunden sind", entgegnet Blechschmidt. Er wisse nicht, wer genau auf der Straße gewesen sei. "Ich kann nur sagen, dass das ein Agieren war, das nicht aus unserem Kreis heraus organisiert worden ist. Wir waren nicht Teil davon." Insofern müssten sie sich auch nicht mit der Frage der Verantwortung an diesen Punkt auseinandersetzen."
Heuchlerische Entschuldigung am Tag danach?
Am Tag danach verteilten die Aktivisten Entschuldigungsschreiben in der Nachbarschaft, die von einigen begrüßt werden: "Das waren auch nicht die Linken, die das gestern angefangen haben, das war für mich ein Hooligan-Mob, die das übernommen haben, die geplündert haben." Andere hinterfragen das Schreiben sehr kritisch. Als heuchlerisch und unehrlich bezeichnet es einer. "Jetzt so zu tun: 'Das wollen wir auch nicht!' Das haben sie gewusst."
Der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer bestätigte gestern: Große Teile der gewaltbereiten Plünderer kamen aus anderen Städten, aus dem Ausland. Mit dabei waren demnach viele gänzlich unpolitische Jugendliche, die sich der Gewaltorgie aus reiner Zerstörungslust angeschlossen hatten.