"Der Staat in Haiti existiert de facto nicht"
Erst das Erdbeben, dann der Wirbelsturm: Das bitterarme Haiti ist gebeutelt - und angewiesen auf Hilfe von außen. Doch selbst wenn Spenden fließen, kommt laut HaitiCare nur ein Bruchteil davon bei den Bedürftigen an.
Nach Naturkatastrophen in Haiti, wie dem verheerenden Wirbelsturm vor gut zwei Wochen oder dem Erdbeben vor sechs Jahren, kommt nach Angaben des Vereins HaitiCare nur ein Bruchteil der gespendeten Gelder bei den Hilfsbedürftigen an. Vereinsgründer Michael Kaasch kritisierte am Samstag im Deutschlandradio Kultur die großen Hilfsorganisationen dafür, mit den staatlichen Stellen in Haiti zusammenzuarbeiten.
"Der Staat in Haiti existiert de facto nicht. Es ist ein zusammengewürfelter Haufen von elitären Leuten, die nicht daran interessiert sind, an der Situation der Armen irgendetwas zu verändern, denn die zehn bis 15 Prozent der Eliten leben wie die Made im Speck", betonte Michael Kaasch, der sich seit mehr als 30 Jahren für Haiti engagiert. Den großen Hilfsorganisationen warf er vor, vor allem darauf zu achten, wie sie sich medienwirksam positionieren können.
Infrastruktur zerstört, Lebensmittel fehlen
Beim Durchzug des Wirbelsturms "Matthew" durch Haiti am 4. Oktober waren mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen. Viele Orte wurden dem Erdboden gleichgemacht. Nach UN-Angaben sind 1,4 Millionen Menschen in Haiti auf Nothilfe angewiesen.
Der Hilfsbedarf sei auch gut zwei Wochen nach dem Wirbelsturm noch immer enorm, so Helfer Kaasch: "Wir haben eine zerstörte Infrastruktur", so Kaasch. "Man kann sagen, der Brotkorb der Städte ist schlicht und einfach verloren mit der Ernte. Die Menschen stehen vor dem Nichts." Während es keine heimischen Waren für die Straßenmärkte mehr gebe, seien die importierten Produkte in den Supermärkten für die betroffenen Menschen unbezahlbar.
"Die Leute geben sich nicht auf"
Als kleine Hilfsorganisation achte HaitiCare darauf, ihre Einrichtungen vor Ort - wie Schule, Waisenhaus oder Kindergarten, von Menschen aus Haiti leiten zu lassen - betonte Kaasch. "Wir wollen zuhören und wollen hören, was sie brauchen, das heißt da findet ein Dialog statt." Der Mut der Menschen vor Ort sei beeindruckend: "Die Leute sind gewohnt, dass man ihnen nicht hilft, also organisieren sie sich selber in kleinem Rahmen und packen selber an, die Leute geben sich nicht auf."