"Eine Art Gegen-Putin"
08:39 Minuten
Zehntausende Menschen haben in Russland für Alexej Nawalnys Freilassung demonstriert. Dabei wurden über 2000 Menschen festgenommen, darunter auch seine Ehefrau Julia. Dennoch ein Erfolg für Nawalny, findet der Historiker Ewgeniy Kasakow.
Am Samstag sind Zehntausende Menschen in Russland auf die Straße gegangen, um die Freilassung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny zu fordern. Dieser hatte nach seiner Festnahme am Moskauer Flughafen zu den Protesten aufgerufen.
Es sei "auf jeden Fall als Erfolg für Nawalny zu werten, dass mitten in der Pandemie und trotz angekündigten harten Vorgehens" so viele Menschen seinem Aufruf gefolgt sind, sagt Ewgeniy Kasakow. Er ist Historiker und Kurator am Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven und forscht zu Oppositionsbewegungen in Russland.
Bei den Protesten 2011/12 seien weitaus mehr Menschen auf die Straße gegangen, sagt der Historiker, "und dennoch konnte Putin diese Proteste aussitzen". Im Unterschied zu heute hätte damals die gesamte Opposition zu Demonstrationen aufgerufen. Nawalny sei aber momentan ganz klar der wichtigste Oppositionspolitiker des Landes, sagt Kasakow.
Die Öffentlichkeit ist ein zweischneidiges Schwert
Seine Bekanntheit schütze Nawalny, wie der Historiker erklärt. Seit der versuchten Vergiftung des Politikers im Flugzeug "ist alles, was mit ihm passiert, ein politisches Ereignis, und das weiß er sehr genau", sagt Kasakow. Nawalny könne man nicht mehr ignorieren, er sei mittlerweile eine Art "Gegen-Putin".
"Wenn ihm jetzt was passiert, wäre das ein Ereignis von internationaler Bedeutung", sagt Kasakow. Doch diese Öffentlichkeit sei ein zweischneidiges Schwert, denn je mehr Nawalny vom Westen unterstützt werde, desto besser könne ihn die Regierung in Moskau als Marionette des Auslands darstellen.
Der Minimalkonsens: Bekämpfung der Korruption
Dabei hütet sich der Oppositionspolitiker davor, den Westen zu loben, wie Kasakow erklärt, genauso wie er sich davor hütet, die Sowjetunion allzu sehr zu beschimpfen oder die Reformen der 90er-Jahre zu loben.
Bündnisfähigkeit sei für Nawalny "immer ein großes Thema" gewesen, so Kasakow. Der Minimalkonsens, auf den sich alle einigen können, sei die Bekämpfung der Korruption.
Nawalnys Recherchevideo über Putins Luxuspalast am Schwarzen Meer wurde über 70 Millionen Mal auf Youtube aufgerufen. Themen, die spalten könnten, versucht Nawalny hingegen zu vermeiden, meint der Historiker.
(ckr)