Nach Polizistenmord in Dallas

Debatte über Roboter-Einsatz

Gedenken in Dallas
Gedenkveranstaltung am 12. Juli 2016 in Dallas für die fünf erschossenen Polizisten © imago/UPI Photo
Von Meike Laaff |
Der mutmaßliche Scharfschütze, der fünf Polizisten in Dallas erschossen haben soll, wurde mit einem Roboter, der einen Sprengsatz ein seiner Nähe platzierte, getötet. Jetzt wird in den USA über autonome Tötungsmaschinen und eine weitere Militarisierung des Landes diskutiert.
Am Ende war es ein Roboter, der Micah Johnson den Tod brachte. Genauer: eine kleine ferngesteuerte Maschine platzierte einen Sprengsatz neben dem mutmaßlichen Scharfschützen, der zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Polizisten erschossen und weitere verletzt hatte. Und schon seit Stunden, in einem Parkhaus verschanzt, mit der Polizei verhandelte. Ihn mit Hilfe eines Roboters zu töten, das ist eine Entscheidung, die David Brown, Polizeichef von Dallas, kurz danach so begründete:
"Wir haben keine Alternative dazu gesehen, unsere Bombe mit dem Roboter einzusetzen. Alle anderen Möglichkeiten hätten die Polizeibeamten in gravierende Gefahr gebracht."
Mit diesem Statement war die Diskussion in US-Medien allerdings nicht beendet, sondern gerade erst eröffnet: Schließlich war es vermutlich das erste Mal, dass die Polizei in den USA einen Roboter zum Töten eingesetzt hat. Heiligt der Schutz der Kollegen alle polizeilichen Mittel? Welche ethischen plus moralischen Fragen sind damit verbunden? In US-Medien war schnell von Schlachtfeld-Taktiken die Rede – und davon, ob es sich um einen Wendepunkt für die Einsatzkräfte der US-Polizei handle.
SNIP News: "The question for SWAT teams nationwide is wether Dallas marks a watershed moment in police tactics."

Akt des Tötens wird abstrakter

Klar ist: Von autonomen Tötungsmaschinen, wie sie in Science-Fiction-Filmen gern bemüht werden, ist das Gerät, das in Dallas zum Einsatz kam, weit entfernt. Schon allein, weil es sich um einen Roboter handelt, der – ausgestattet mit Greifarm und Kamera – ferngesteuert werden muss. Was bedeutet: Nicht die Maschine, war es, die hier entschied, einen Menschen zu töten. Sondern die Polizisten, die sie steuerten. Also: alles kein Problem? Ganz so sorglos sehen viele Beobachter das nicht. Sie kritisieren: Mit Hilfe des Roboters wird der Akt des Tötens noch einmal abstrakter, als wenn der Abzug einer Waffe noch selbst betätigt werden muss. Sinkt damit nicht die Hemmschwelle für das Töten von Verdächtigen?
Der Medienwissenschaftler Siva Varidhyanatan lobte im Podcast "This week in Tech" zwar die Besonnenheit der Polizeibehörden in Dallas bei dem Roboter-Einsatz, wandte aber ein:
"Was mich besorgt, ist die Möglichkeit, dass eine weniger aufgeklärte, bedachte Polizeibehörde beim nächsten Mal eine weniger gut informierte Bauchentscheidung treffen könnte – darüber, einen Roboter auszusenden, bevor alle anderen Möglichkeiten ausgereizt wurden. Das ist als Lösung fast zu einfach und zu verführerisch."

Bürgerrechtler sind besorgt

Eine Sorge, die viele Experten für Roboterethik wie Bürgerrechtler mit ihm teilen: Je gewöhnlicher es wird, Roboter so einzusetzen desto wahrscheinlicher, dass sie auch in Situationen zum Einsatz kommen, die weniger eindeutig seien als der Fall in Dallas.
Und vielleicht muss es gar nicht immer gleich um tödliche Gewalt gehen: Was, wenn Polizeikräfte künftig auch in zivilen Bagatellfällen wie dem Umgang mit Obdachlosen gleich zu Robotik und Taser greifen, um Situationen zu lösen, die ihnen bedrohlich erscheinen? Kritiker wünschen sich zu diesen und vielen anderen Fragen eine gesellschaftliche Debatte.
"Wie Menschen Konflikte lösen, formt die soziale Landschaft",
sagte Daniel Suarez, Autor diverser dystopischer Romane über Drohnen und Automatisierung, schon vor geraumer Zeit in einem Vortrag. Eine Bemerkung, die in diesem Fall mit einem ferngesteuerten Gerät weit klarer trifft als das alte Asimovsche Robotergesetz, laut denen die Maschine einem Menschen keinen Schaden zufügen darf.
Doch es ist eine ganz andere Referenz, die die Debatte um die Ereignisse in Dallas seit Tagen befeuert.
"Das ist nicht der Beginn von Killer-Robotik im Inland – aber es ist schwierig, diesen Fall von einen Drohnen-Angriff zu unterscheiden",
sagt etwa Ryan Calo, Spezialist für Robotik-Gesetze von der Universität von Washington. Drohnen-Angriffe – diese Parallele ist immer wieder zu hören. Kollegen-freundlich, abstrakt, vergleichsweise minimalinvasiv: Assoziationen mit der Eliminierungspraxis von mutmaßlichen Terroristen in Pakistan und anderswo werden da gleich mitgeliefert. Die Roboter als ferngesteuerte Tötungshilfen – das sehen viele Kritiker auch als weiteren Beleg für die Militarisierung der USA im Inneren.

Militärische Ziele vs. Aufgaben der Polizei

Klar: im Ausland verwenden US-Militärs Roboter immer wieder auch zum Töten ihrer Feinde – und Drohnen sowieso. Auch Modelle wie die, die die Polizei in der Garage hat. Nur sind die Unterschiede doch gravierend: Im Krieg gehört das Töten von Feinden klar zum Ziel von Operationen. Die Polizei verfolgt eigentlich andere Ziele. Ist es da wirklich vertretbar, ihre Hilfsmittel zu Waffen nachzurüsten?
Genau das ist in Dallas aber passiert. Das eingesetzte Roboter-Modell wird von der Polizei seit Jahren eingesetzt: Zum Entschärfen von Bomben etwa, bei Bränden, in Verhandlungen mit Geiselnehmern. Heißt: eigentlich soll dieser Roboter Leben retten. Und nicht beenden. Die Einsatzkräfte von Dallas allerdings brauchten gerade einmal 15 Minuten, um ihn zu einer tödlichen Waffe umzufunktionieren.
"Technologie ist ein Werkzeug. Werkzeuge werden so genutzt, wie sie designt wurden – und dann improvisieren Menschen und finden neue Wege, sie zu nutzen",
kommentierte Militärexperte Peter Singer den Dallas-Vorfall. Was ein Stück weit natürlich banal ist. Nur: wie reguliert man dann den Einsatz solcher Technologie? Und vor allem: wie sichert man ihn ab? Sei erst einmal gezeigt worden, dass Geräte auch als Waffe genutzt werden könnten, werde die Sicherheit dieser Maschinen umso wichtiger, schrieb US-Sicherheitsforscher Matt Blaze nach den Ereignissen in Dallas. Will sagen: Roboter mit derlei tödlichem Potential brauchen Schutz vor Hackerangriffen und Sabotage.
Allen Bedenken zum Trotz: David Brown, der Polizeichef von Dallas ist sicher, richtig gehandelt zu haben.
"Für mich war das kein ethisches Dilemma. Ich würde es nochmal tun – um die Leben unserer Polizeibeamten zu retten. Dafür würde ich jedes Werkzeug nutzen, das nötig wäre."
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