Zentralasiatische Staaten wollen keine Flüchtlinge
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Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan: Die Ex-Sowjetrepubliken sind nicht erpicht darauf, Flüchtlinge aus dem Nachbarland Afghanistan aufzunehmen. Die drei befürchten ein "islamistisches Virus", sagt die Zentralasien-Expertin Beate Eschment.
Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hoffen weiterhin Tausende Menschen verzweifelt darauf, das Land verlassen zu können. Deutschland und andere westliche Staaten bringen derzeit eigene Staatsbürger, frühere Helfer und weitere gefährdete Personen außer Landes.
Allerdings äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Erwartung, dass auch die Anrainerstaaten Afghanistans Flüchtlinge aufnehmen mögen. Während Pakistan und Iran in den vergangenen Jahren schon eine Vielzahl von Flüchtlingen aufgenommen haben, hält die Zentralasien-Expertin Beate Eschment das für die nördlichen Nachbarstaaten Afghanistans nicht für realistisch.
Turkmenistan, Tadschikistan und Usbekistan unterscheiden sich voneinander in einer Reihe von Punkten, betont Eschment. "Aber ich glaube schon, dass man pauschal sagen kann, dass sie alle drei nicht gerade begeistert darauf reagieren, dass Flüchtlinge aus Afghanistan in ihre Länder kommen könnten."
Usbekistan habe klargemacht, das Land stelle seinen Flughafen in der Hauptstadt Taschkent für Evakuierungsflüge zur Verfügung, unter der Bedingung, "dass die Menschen so schnell wie möglich usbekisches Territorium wieder verlassen". Es gebe auch nur einen Grenzübergang zu Afghanistan. So sei die Grenze sehr gut zu kontrollieren.
Turkmenistan wiederum werde oft mit Nordkorea verglichen: Es sei eines der Mam meisten abgeschotteten Länder der Erde. Zudem sei die Grenze hier eine Wüstenregion.
Die größten Chancen biete Tadschikistan mit seiner langen, schwer zu sichernden Gebirgsregion. Über diese Grenze kämen zurzeit viele Menschen aus Afghanistan, sagt Eschment, die am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien forscht. "Sie werden tatsächlich auch nicht zurückgeschickt", sagt Eschment. Man bringe sie in Zeltlagern unter.
Kein Flüchtlingsdeal mit Tadschikistan
Dass es mit Tadschikistan einen Flüchtlingsdeal ähnlich dem mit der Türkei geben könnte, kann sich die Expertin nicht vorstellen. Das Land sei die ärmste Sowjetrepublik gewesen und auch heute der ärmste Staat der GUS. Es sei wirtschaftlich und organisatorisch nicht in der Lage, "Massen von Menschen" aufzunehmen.
Grundsätzlich gebe es in Zentralasien Bedenken gegenüber Flüchtlingen, sie trügen einen "islamistischen Virus" in sich. "Von Russland aus betrachtet ist Zentralasien immer so etwas wie eine potenzielle islamistische Gefahr gewesen", sagt Eschment.
In Zentralasien selbst herrschten autoritäre Regime, die ihre "nicht demokratischen Maßnahmen" oft mit einem drohenden Islamismus begründet hätten. Allerdings: "Ich sehe die Staaten nicht in der Gefahr, dem islamischen Fundamentalismus zu unterliegen."
Junge Nationalstaaten wollen sich selbst positionieren
Die Bundesregierung und die EU seien schon seit den 1990er-Jahren dabei, "die zentralasiatischen Führungen davon zu überzeugen, dass sie eng zusammenarbeiten wollen", so Eschment weiter. "Das kann man nicht von außen sagen und fördern. Der Wunsch muss schon von innen kommen."
Dieser sei zwar heute größer als vor 20 Jahren, aber: "Junge Nationalstaaten haben erst einmal den Wunsch, sich selber zu positionieren und sich nicht gleich als Union der Staaten Zentralasiens auf der Welt darzustellen."
(bth)