Nachbarschaftsmütter

Alltagshilfe für Migranten

Eine Frau mit dunklen Locken sitzt einem Arzt gegenüber an einem Schreibtisch.
Mit mangelnden Sprachkenntnissen kann es beim Arzt zu Verständnisproblemen kommen. © dpa/picture alliance/Georg Wendt
Von Axel Schröder |
Sprachbarrieren können Behördengänge oder Arztbesuche für Migranten zum Problem machen. Ein Projekt in Hamburg will Abhilfe leisten: Das Deutsche Rote Kreuz bildet sogenannte Nachbarschaftsmütter aus, die Migranten begleiten und beraten.
Hülya Aydin Karakus winkt ihrer kleinen Tochter zum Abschied. Die dreht sich gleich um, läuft zu ihren Spielkameradinnen in der Kita Grüne Insel in Hamburg-Neuwiedenthal. Zwei Räume weiter trifft sich die junge Mutter mit Zarife Akat, einer von zwölf sogenannten "Nachbarschaftsmüttern" im Stadtteil.
Drei Monate lang wurde Zarife Akat zur "Nachbarschaftsmutter" ausgebildet. Sie lernte unterschiedliche Hilfseinrichtungen für Migranten kennen, besuchte die Sachbearbeiter in den einzelnen Behörden, knüpfte Kontakte. Und berät nun ihre türkischen Mitbürger:
"Zum Beispiel begleite ich sie bei jeglichen Terminen. Zum Arzt, zur Behörde, zur Schule. Oder wir geben Tipps, wie sie ihre Kinder sprachlich fördern und bei der Schulbildung unterstützen können. Oder wir schlagen die richtigen Fachleute vor."
"Bildungschancen der Kinder erhöhen"
In Neuwiedenthal, einem Stadtteil im Süden Hamburgs, leben besonders viele Menschen mit ausländischen Wurzeln. Mit Handzetteln und über Mund-zu-Mund-Propaganda wird das Angebot der "Nachbarschaftsmütter" bekannt gemacht. 17 Stunden pro Monat stehen die ehrenamtlichen Helferinnen bereit. Bekommen eine Aufwandsentschädigung von 170 Euro für ihr Engagement. Angeboten wird die Unterstützung in Neuwiedenthal vor allem für Menschen aus dem arabischen Raum. Die Frauen sprechen Kurdisch, Persisch, Arabisch, Albanisch, Serbisch, Dari und auch Türkisch. Antje Hirt leitet das ans Neuwiedenthaler Eltern-Kind-Zentrum angebundene Projekt und erklärt die Zielrichtung:
"Unser großes Ziel ist es, die Bildungschancen der Kinder in Neuwiedenthal zu erhöhen. Und das funktioniert in unseren Augen nur dann, wenn die Eltern gut informiert sind. Wenn sie Institutionen kennen, wenn sie Beratungsstellen in Anspruch nehmen können, einfach Unterstützung von Frauen aus ihrem Kulturkreis erfahren können. Und wir haben festgestellt: In Eltern-Kind-Zentrum erreichen wir zwar sehr viele Familien. Wir hören aber auch immer wieder, dass wir Familien nicht erreichen. Ob das aus Angst ist vor einer Institution oder aus Angst, dass die Sprache nicht ausreicht, um eine Institution zu besuchen - da sehen wir die Nachbarschaftsmütter als eine Brücke zwischen den Familien und uns als Institution."
Keine Unterstützung durch staatliche Gelder
Viele der nun ausgebildeten Frauen haben schon in der Vergangenheit ihren Mitmenschen bei Behördengängen oder Arzt- und Schulbesuchen so gut es ging geholfen. Nun haben sie das Know-how, viel effektiver und zielgerichteter Ratschläge zu geben und kennen die passenden Hilfsangebote für Migranten in der Hansestadt.
Auf staatliche Gelder kann das Projekt nicht zurückgreifen. Der DRK-Kreisverband Hamburg-Harburg organisiert es als Träger, die finanziellen Mittel stammen aus ganz unterschiedlichen Quellen: Unterstützt werden die "Nachbarschaftsmütter" vom "Hamburger Spendenparlament", der Joachim Herz Stiftung, der Homann-Stiftung und der Alfred-Toepfer-Stiftung. Einen zweiten Projektableger gibt es in Hohenhorst im Norden der Stadt. Bislang wurden nur Frauen für dieses Ehrenamt ausgebildet, so Projektleiterin Antje Hirt:
"Wir haben im Eltern-Kind-Zentrum die Erfahrung gemacht, dass sich die Frauen sehr gut öffnen können, wenn sie unter sich sind. Und sobald ein Mann das Eltern-Kind-Zentrum betritt, doch betretenes Schweigen eintritt und viele Frauen sich zurückziehen. Ich vermute, es hat sehr viel mit der Kultur zu tun. Und deshalb haben wir uns, um Unbefangenheit in diesem Projekt stehen zu lassen, gegen Männer entschieden."
Aber wer weiß, so Antje Hirt, vielleicht ändert sich das in ein paar Jahren. Dann könnten auch "Nachbarschaftsväter" ihre Mitbürger im Viertel unterstützen.
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