Nachdenken über Architektur
Eine halbe Stunde von Kopenhagen entfernt liegt in Humlebaek das Louisiana Museum of Modern Art. Dort stellt der französische Star-Architekt Jean Nouvel seine Visionen als "Louisiana Manifesto" aus. Gerade baut er das Konzerthaus des Dänischen Rundfunks.
Die Anwesenden seien womöglich überrascht von der Form dieser Ausstellung, so wandte sich Jean Nouvel am Eröffnungstag an seine Gäste, aber er könne versichern, ihm sei es genauso gegangen. Das sei eben die Schuld des Kurators Jean-Louis Froment und der beteiligten jungen Künstler. Zwar ist es richtig, dass Jean Nouvel eine Ausstellung über Jean Nouvel konzipiert hat. Aber eine Selbstbeschau läge dem berühmten Architekten so fern wie nur etwas. Grundsätzliches Nachdenken über die Disziplin Architektur und ihre gegenwärtigen Möglichkeiten sind ihm wichtiger.
Bei dieser Zusammenarbeit - unter anderen mit jungen belgischen Comiczeichnern, ging es allen um mehr als die Präsentation wunderschöner Projekte aus dem Pariser Atelier Jean Nouvel. Obwohl es derer genügend gäbe: Bald vollendet sein wird der einer magischen Rakete gleichende Agbar-Tower in Barcelona. Den inspirierendsten Ballettsaal besitzen die Tänzer des von ihm gebauten Opernhauses in Lyon - sie schauen durch die verglaste Stirnseite ihrer hohen Kuppel über die ganze Stadt. Das Institut der arabischen Welt und die Fondation Cartier in Paris gehören wie das Luzerner Kultur- und Kongresszentrum zu den prominentesten Symbolen seiner Berufsauffassung: Sich niemals als Architekt über den Ort hinwegzusetzen, an dem gebaut wird. Das gleiche gilt für seine Ausstellungskonzeption
Jean Nouvel: " Das französische Wort s'exposer – sich aussetzen, sich ausstellen –bedeutet, ein Risiko eingehen. Und eine Ausstellung, das bedeutet für mich immer, eine Idee darzustellen, also einen Raum. Das heißt, ich verabscheue Ausstellungen, für die der Ort, an dem sie stattfinden, ganz gleichgültig ist.
Was aber ist jetzt so besonders an dieser Ausstellung, wieso heißt sie ein Manifest und was haben Comiczeichner mit den geplanten Nouvel-Bauten in Lissabon zu tun? Das Auffälligste ist, dass hier nirgends Modelle aus Pappe oder Sperrholz stehen. Und dass zweitens der spröde erste Eindruck gewollt ist. Vor den Wand füllenden Zeichnungen der Editions cinquième Couche, auf denen das zukünftige mögliche Leben der Lissaboner in Nouvels Häusern ausgemalt wird, ist die Theorie gestellt. Die wichtigste These des Manifestes, das Nouvel auf Dänisch an die Wände des ersten Raumes hat drucken lassen, formuliert er mündlich so:
" Jeder Ort, jede Situation, jeder Klient, jede Stadt hat heute das Recht auf eine spezifische Reflektion ihres Architekten, auf eine nur für dieses Projekt entwickelte Strategie. Das ist die prinzipielle Botschaft. Die meisten städtischen Gebäude werden heute nach denselben Mustern gebaut, nach den simpelsten Regeln. Die Bauten werden nach Fertigkonzepten hingestellt, mit geringstem Aufwand unter Zuhilfenahme von Computerprogrammen verändert. Gegen diese Zustände in der Architektur muss man sich erheben. "
Junge Künstler machen bislang noch unvollendete Projekte oder unverwirklichte Pläne anschaulich mit Illustrationen oder Geschichten. Die bereits vollendeten Projekte Nouvels sind durch Fotografien repräsentiert, bei deren Betrachtung man einer langen geschwungenen Wand folgt, bis einem genügend Gemeinsames an diesen Gebäuden aufgefallen ist. Sie alle strahlen eine tiefe kulturelle Verwurzelung mit dem Ort aus, an dem sie stehen. Sie ermöglichen ein sofortiges Verständnis der Gegend und des Gebäudezwecks. Sie sind erkennbar sinnreich, kommunikativ und trotzdem ästhetisch eigenständig. Ästhetik oder Stil aber werden nie zum Selbstzweck. Nouvels Bauten und seinen Plänen sieht man an, wie gründlich er über seine Projekte nachdenkt.
Natürlich ist Nouvel darum auch jemand, der sich mit der Geschichte seiner Disziplin auseinander setzt. Im Park zeigt ein geschützt in einem offenen Pavillon stehender Monitor ein Gespräch zwischen ihm und Wilhelm Wohlert - der an dem Museum in Louisiana maßgeblich mitgebaut hat. So schließt sich ein Kreis. Nouvel lehrt nicht nur Schauen, er ist auch gekommen, um zu lernen. Für das Architekturverständnis Jean Nouvels sei der Begriff Kontext sehr wichtig, erklärt auch der Direktor des Louisiana Museums für Moderne Kunst, Poul Erik Tojner:
" Kontext ist ein Schlüsselwort für Nouvel. Und das entstehende Konzerthaus des Dänischen Rundfunks hat noch keinen Kontext, darum vergleicht es Nouvel gerne mit einer Kathedrale.
Nouvel spielt damit auf mittelalterliche Städte an, die sich um ihre Sakralbauten herum gruppierten - so soll sich der Kopenhagener Stadtteil Oerestaden um das neue Konzerthaus herum entwickeln. Ganz so, wie sich diese aufschlussreiche, kleine Ausstellung um das Schaffen Nouvels kreist, der mit seinem Manifesto bewusst von sich ablenkt, und seine Zunft zur Ordnung ruft: Zum Zuhören und zum Hinschauen auf die Grundfragen des Bauens: Wo, was, für wen, woraus?
Service:
Die Ausstellung "Louisiana Manifesto" von Jean Nouvel ist im Louisiana Museum of Moder Art vom 7. Juni bis 18. September 2005 zu sehen.
Link:
Louisiana Museum of Modern Art
Bei dieser Zusammenarbeit - unter anderen mit jungen belgischen Comiczeichnern, ging es allen um mehr als die Präsentation wunderschöner Projekte aus dem Pariser Atelier Jean Nouvel. Obwohl es derer genügend gäbe: Bald vollendet sein wird der einer magischen Rakete gleichende Agbar-Tower in Barcelona. Den inspirierendsten Ballettsaal besitzen die Tänzer des von ihm gebauten Opernhauses in Lyon - sie schauen durch die verglaste Stirnseite ihrer hohen Kuppel über die ganze Stadt. Das Institut der arabischen Welt und die Fondation Cartier in Paris gehören wie das Luzerner Kultur- und Kongresszentrum zu den prominentesten Symbolen seiner Berufsauffassung: Sich niemals als Architekt über den Ort hinwegzusetzen, an dem gebaut wird. Das gleiche gilt für seine Ausstellungskonzeption
Jean Nouvel: " Das französische Wort s'exposer – sich aussetzen, sich ausstellen –bedeutet, ein Risiko eingehen. Und eine Ausstellung, das bedeutet für mich immer, eine Idee darzustellen, also einen Raum. Das heißt, ich verabscheue Ausstellungen, für die der Ort, an dem sie stattfinden, ganz gleichgültig ist.
Was aber ist jetzt so besonders an dieser Ausstellung, wieso heißt sie ein Manifest und was haben Comiczeichner mit den geplanten Nouvel-Bauten in Lissabon zu tun? Das Auffälligste ist, dass hier nirgends Modelle aus Pappe oder Sperrholz stehen. Und dass zweitens der spröde erste Eindruck gewollt ist. Vor den Wand füllenden Zeichnungen der Editions cinquième Couche, auf denen das zukünftige mögliche Leben der Lissaboner in Nouvels Häusern ausgemalt wird, ist die Theorie gestellt. Die wichtigste These des Manifestes, das Nouvel auf Dänisch an die Wände des ersten Raumes hat drucken lassen, formuliert er mündlich so:
" Jeder Ort, jede Situation, jeder Klient, jede Stadt hat heute das Recht auf eine spezifische Reflektion ihres Architekten, auf eine nur für dieses Projekt entwickelte Strategie. Das ist die prinzipielle Botschaft. Die meisten städtischen Gebäude werden heute nach denselben Mustern gebaut, nach den simpelsten Regeln. Die Bauten werden nach Fertigkonzepten hingestellt, mit geringstem Aufwand unter Zuhilfenahme von Computerprogrammen verändert. Gegen diese Zustände in der Architektur muss man sich erheben. "
Junge Künstler machen bislang noch unvollendete Projekte oder unverwirklichte Pläne anschaulich mit Illustrationen oder Geschichten. Die bereits vollendeten Projekte Nouvels sind durch Fotografien repräsentiert, bei deren Betrachtung man einer langen geschwungenen Wand folgt, bis einem genügend Gemeinsames an diesen Gebäuden aufgefallen ist. Sie alle strahlen eine tiefe kulturelle Verwurzelung mit dem Ort aus, an dem sie stehen. Sie ermöglichen ein sofortiges Verständnis der Gegend und des Gebäudezwecks. Sie sind erkennbar sinnreich, kommunikativ und trotzdem ästhetisch eigenständig. Ästhetik oder Stil aber werden nie zum Selbstzweck. Nouvels Bauten und seinen Plänen sieht man an, wie gründlich er über seine Projekte nachdenkt.
Natürlich ist Nouvel darum auch jemand, der sich mit der Geschichte seiner Disziplin auseinander setzt. Im Park zeigt ein geschützt in einem offenen Pavillon stehender Monitor ein Gespräch zwischen ihm und Wilhelm Wohlert - der an dem Museum in Louisiana maßgeblich mitgebaut hat. So schließt sich ein Kreis. Nouvel lehrt nicht nur Schauen, er ist auch gekommen, um zu lernen. Für das Architekturverständnis Jean Nouvels sei der Begriff Kontext sehr wichtig, erklärt auch der Direktor des Louisiana Museums für Moderne Kunst, Poul Erik Tojner:
" Kontext ist ein Schlüsselwort für Nouvel. Und das entstehende Konzerthaus des Dänischen Rundfunks hat noch keinen Kontext, darum vergleicht es Nouvel gerne mit einer Kathedrale.
Nouvel spielt damit auf mittelalterliche Städte an, die sich um ihre Sakralbauten herum gruppierten - so soll sich der Kopenhagener Stadtteil Oerestaden um das neue Konzerthaus herum entwickeln. Ganz so, wie sich diese aufschlussreiche, kleine Ausstellung um das Schaffen Nouvels kreist, der mit seinem Manifesto bewusst von sich ablenkt, und seine Zunft zur Ordnung ruft: Zum Zuhören und zum Hinschauen auf die Grundfragen des Bauens: Wo, was, für wen, woraus?
Service:
Die Ausstellung "Louisiana Manifesto" von Jean Nouvel ist im Louisiana Museum of Moder Art vom 7. Juni bis 18. September 2005 zu sehen.
Link:
Louisiana Museum of Modern Art