Nachdenken über außerirdische Intelligenz

Rezensiert von Jochen R. Klicker |
Mit "Leben im All – Positionen aus Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie" ist ein Buch erschienen, das einlädt zusammen mit zwölf renommierten Wissenschaftlern den Himmel noch einmal neu zu erkunden. Eine der zentralen Fragen lautet, was sich ändern würde, wenn wir tatsächlich anderen intelligenten Wesen begegneten.
" Die Suche nach extraterrestrischen Intelligenzen ist endlich erfolgreich. Radioastronomen haben ein mysteriöses Signal empfangen. Seine Entschlüsselung lässt Ungeheuerliches entdecken, nämlich eine komplexe Botschaft an die Menschheit. In ihr offenbaren uns die Außerirdischen, dass Gott nie existiert habe. Das Universum sei nur ein Produkt des Zufalls. Weiter teilen uns die Außerirdischen mit, dass es keinen tieferen Sinn der Existenz, kein Leben nach dem Tode gebe; dass Tausende anderer Zivilisationen im All den Glauben an Gott längst abgelegt hätten. Doch damit nicht genug: Die Außerirdischen lehren uns, wie man Überbevölkerung, Aggressionen, soziale Unreife, Krankheiten und die genetisch bedingte Sterblichkeit in den Griff bekommt. Sie bringen uns den Himmel auf Erden. Sie stehlen uns unsere Träume. Sie rauben uns den Sinn unserer Existenz. "

So lässt der Essener Zukunftsforscher und Publizist Tobias Daniel Wabbel sein Buch "Leben im All – Positionen aus Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie" beginnen. Und er fragt selbst:

" Könnte dieses Schreckensszenario irgendwann wahr werden? Und was geschieht, wenn sich ein solches Signal als das Produkt einer außerirdischen Zivilisation herausstellt, die den Kontakt mit der Menschheit sucht? "

Die zwölf international renommierten Gelehrten, die der Herausgeber für seinen Band gewinnen konnte, sind sich einig: Ein solcher Kontakt löste eine intellektuelle wie religiöse Krise aus, weil er unsere bisherigen Welt- und Gottesbilder umstürzen, ja zerstören würde. Gehen wir doch bisher selbstbewusst davon aus, dass der Mensch der einzige Vernunftträger ist, der eine vernünftige Schöpfung – genannt Universum –. bewohnt. John F. Haught, Theologe an der Georgetown-Universität in Washington:

" Aus theistischer Sicht wurzeln alle Galaxien und alle Universen in einer letzten Einheit des Seins. Wenn aber alle möglichen Welten einen gemeinsamen Ursprung in dem einen Gott haben, dann können uns unsere Reisen niemals zu einer Begegnung mit etwas völlig Fremden führen. "

Vom weltberühmten englischen Physiker Stephen W. Hawking über den niederländischen Priester und Biochemiker Sjoerd Bonting bis zum philosophierenden Bestseller-Autor Jostein Gaardener aus Oslo reicht die Mehrheit der Stimmen, die damit rechnen, dass im All zwar allenthalben Leben entstanden ist; dass aber keine dieser extraterrestrischen Lebensformen Intelligenz und Bewusstsein entwickelt hat. Stephen W. Hawking:

" Die Chronologie der Evolution unterstützt die Ansicht, dass bei der Entwicklung des Lebens auf der Erde Intelligenz eine unwahrscheinliche – also wohl eher einmalige und zufällige – Entwicklung war. ... Wir können damit rechnen, in der Galaxie viele andere Formen des Lebens vorzufinden, doch es ist unwahrscheinlich, dass es intelligent ist."

Auch der Philosoph Jostein Gaarder kämpft an dieser Front der Einmaligkeit menschlicher Intelligenz.. Jedoch meint er zusammen mit vielen Naturwissenschaftlern, so wenig wie das Universum selbst, so seien auch Leben und Bewusstsein keine Zufallsprodukte. Im Gegenteil: Vom Augenblick des Urknalls an ist dieses neu entstandene Universum mit "etwas schwanger" gewesen:

" Das Universum ging schwanger mit dem Leben, und das Leben mit dem Bewusstsein, das dieses Universum von sich hat."

Den beteiligten Theologen gefallen natürlich solche Positionen, sehen sie doch das gesamte Universum auf einer evolutionären Reise in das Mysterium Gottes. Also schreckt sie auch nicht die Vorstellung, "da draußen" möglicherweise anderen lebendigen und intelligenten Wesen zu begegnen - außerirdischen Lebewesen, die sogar intelligenter und spiritueller sein mögen als wir selbst, weil sie evolutionsgeschichtlich schon viel weiter sind als der Mensch. John F. Haught:

" Religion ist ein Ausdruck von allem intelligenten Leben, strebendem, forschendem und hoffendem Leben auf höchster Ebene des Seins. "

"Leben im All", dieser von Tobias Daniel Wabbel herausgegebene Band ist vor allem theologisch gesehen eine Überraschung. Denn Theologie beziehungsweise religiöses Denken pflegt aus Krisen zu entstehen und auf Krisen zu reagieren, statt sie früh zu erkennen und auf sie vorzubereiten. Hier dagegen liegt nun eine Auswahl von kritischen und einfühlsamen Essays vor, die keine "Reaktion" darstellen sondern mutiges und vorwegnehmendes Nachdenken in Sachen "planetarischer Vergeistigung". Im Übrigen – so die spannenden und überzeugenden Beiträge aus Philosophie und Naturwissenschaft – kommen wir im Nachdenken über außerirdische lebendige Intelligenz sowieso erst weiter, wenn zwei naturwissenschaftliche Rätsel gelöst sein werden:

" Nämlich, was eigentlich im ersten Bruchteil der ersten Mikrosekunde geschehen ist, die dieses Universum erlebt hat. Und wie es um die Natur des Bewusstseins steht, das dieses Universum von sich selbst hat. "

Leben im All – Positionen aus Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie.
Herausgegeben von Tobias Daniel Wabbel.

Patmos Verlagshaus Düsseldorf, 2005. 240 Seiten, € 24,90.
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