Nachfolge ungewiss

Von Jürgen König · 16.02.2011
Helmut Seemann ist Präsident der Klassik Stiftung Weimar. Noch bis Ende Mai, denn laut Stiftungsrat wird sein Vertrag nicht verlängert. Mit Spannung wurde die Reaktion Seemanns auf seine mögliche Absetzung erwartet.
Seit Anfang Oktober herrscht Aufregung in Weimar, seit Thüringens Kulturminister Christoph Matschie völlig unvermittelt, und, wie es bald empfunden wurde, überstürzt eine Sondersitzung des Stiftungsrates nach Berlin einberief, dessen Vorsitzender er ist. Von einer geheimen Tagesordnung war die Rede, die Frage der Nachfolge im Präsidentenamt der Klassik Stiftung Weimar sei jetzt Chefsache.

Auf dieser Sitzung wurde, wie Christoph Matschie nicht müde wurde zu betonen, einstimmig der Beschluss gefasst, den Vertrag mit Helmut Seemann über den 31. Mai 2011 hinaus nicht zu verlängern. Gründe für die Entscheidung wurden bis heute nicht genannt, allenfalls, dass es doch ein ganz normaler Vorgang sei, wenn ein Zehnjahresvertrag nicht verlängert werde.

An der Einstimmigkeit des Beschlusses wurde sogleich gezweifelt, sitzt doch zum Beispiel auch eine Vertreterin des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien im Stiftungsrat, und Kulturstaatsminister Neumann hatte immer Sympathien für Seemann erkennen lassen, hatte auch das ganze Prozedere rund um die Sondersitzung kritisiert.

Es gab Solidaritätsbekundungen der Direktoren der wichtigsten Weimarer Sammlungen. Michael Knoche von der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Bernhard Fischer vom Goethe- und Schiller-Archiv und Werner Holler von den Kunstsammlungen der Klassikstiftung. Sie alle erklärten schriftlich, dass sie die "überaus erfolgreiche Arbeit" der letzten Jahre mit Helmut Seemann fortsetzen wollen. Der Masterplan "Kosmos Weimar" sei von Helmut Seemann entworfen und formuliert worden und sei der zukunftsweisende Weg für die Stiftung - eine Ansicht, die auch der Staatskulturminister bisher teilte. 150 Millionen Euro Steuergelder sollen bis 2017 verbaut werden - in der Anna Amalia Bibliothek, in den Wohnhäusern Goethes und Schillers, im Stadtschloss, im Nietzsche-Archiv, im Bauhaus-Museum.

Also war die Spannung heute groß. Der Saal war voll, und alle Journalisten hatten nur eines im Sinn: Wie wird sich Stiftungspräsident Helmut Seemann zur Frage der angekündigten Nichtverlängerung seines Vertrages verhalten? Was wird er sagen? Und tatsächlich, er kam gleich zu Beginn auf die Fragen aller Fragen zu sprechen, allerdings, indem er Liszt zitierte. Das war passend - Weimar feiert das Liszt-Jahr 2011 – allerdings nutzte Helmut Seemann das Liszt-Zitat vom "Vaterland des Ideals" auf ganz eigene, sehr ironische Art, und jeder im Saal verstand Seemanns Worte als Kommentar zu den Vorgängen der letzten Wochen.

""Das Vaterland des Ideals ist also, Liszt sagt das ganz bewusst so, das Vaterland des Ideals ist: die Provinz. Und das kann man manchmal auch anstrengend finden. Dass das Ideal und die Provinz sich in dieser Weise miteinander verbinden. Man darf auch darüber nachdenken, ob man sich das immerzu zumuten möchte. Oder ob man es nicht irgendwann praktischer findet, es mit der Realität in der Metropole aufzunehmen.

Dennoch - selbst wenn Sie jetzt den Eindruck haben sollten, Herr Seemann werde jetzt das Thema der Präsidentenfrage ansprechen, wird er das nicht tun. Und wenn Sie hergekommen sind, um über dieses Thema nähere Auskünfte zu erlangen, dann muss ich Sie enttäuschen, darüber redet nicht die Stiftungsleitung, sondern allenfalls der Stiftungsrat und der Sprecher des Stiftungsrates sitzt nicht in Weimar, in der Provinz, sondern in Erfurt, in der Hauptstadt.""

Doch der Sprecher des Stiftungsrats aus der Hauptstadt, Kulturminister Christoph Matschie, er war nicht anwesend. Aus seinem Ministerium ist bis heute zu diesen Vorgängen nichts Konkretes zu erfahren, allenfalls soviel: Die Klassik Stiftung Weimar stehe vor großen Herausforderungen, das Land Thüringen werde seinen Verpflichtungen nachkommen und die Klassik Stiftung auch weiterhin nach Kräften unterstützen.

Was dann folgte, war die Bilanz der Klassik Stiftung Weimar 2010. Einen Besucherrückgang von knapp sieben Prozent hatte man zu verkraften, wegen eines sehr heißen Sommers und fehlender, publikumswirksamer Ausstellungen. Die Wohnhäuser von Goethe und Schiller stünden nach wie vor in der Publikumsgunst ganz oben. Erfreulich sei, dass das Bauhaus- Museum sehr an Zuspruch gewonnen hätte. Am Großprojekt "Kosmos-Weimar" werde eifrig gearbeitet. Mit dem Umbau des Weimarer Stadtschlosses hoffe man 2013 beginnen zu können, wenn denn bis dahin das zentrale Museumsdepot fertiggestellt sein wird, in das die Schätze des Schlosses während der Umbauarbeiten ausgelagert werden sollen.

Wie sagte Liszt? "Das Vaterland des Ideals ist die Provinz."
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