Einer wie Thielemann
Seine Äußerungen zu Pegida irritierten zwar ein wenig, aber bei der Nachfolge von Sir Simon Rattle, der nach London wechselt, geht es ja nicht um Politik. Nach der Musikerlogik der Berliner Philharmoniker wäre jetzt auch mal wieder einer wie Christian Thielemann an der Reihe.
Als Lord Siegelbewahrer der guten alten, der deutschen Traditionen gilt Christian Thielemann vielen seiner Fans, und so sieht er sich wohl auch selbst. Gerne betont er, wie wohl er sich als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden fühlt, des wohl konservativsten deutschen Orchesters. Hier kann er jenen dunkel glänzenden Klang pflegen, den satt schimmernden Streicherdunst und warmen Hornsound, wie gerade eben bei der Freischütz-Premiere in der Semperoper.
Jenen Klang also, der zurückweist in die Karajan-Ära der Berliner Philharmoniker oder noch weiter, zu Furtwängler beispielsweise, dessen Abgrenzung gegen den Nationalsozialismus in etwa so schillernd war wie die Gerüchte über Christian Thielemanns politische Haltung, die er jüngst noch einmal mit einer verständnisvollen Stellungnahme zu den Dresdner Pegida-Protesten aufwärmte.
Aber um Politik geht es ja überhaupt nicht bei der Wahl des neuen Chefdirigenten, sondern nur um musikalische Qualifikation, werden die Musiker jedenfalls nicht müde zu betonen. Und die will Christian Thielemann, zumal im deutschen Kernrepertoire zwischen Ludwig van Beethoven und Richard Strauss wohl niemand absprechen.
An der Reihe
Nach der Musikerlogik der Philharmoniker wäre jetzt mal wieder einer wie Thielemann an der Reihe. Nach den Repertoireerweiterungen in Richtung Zeitgenössisches unter Claudio Abbado, nach der Öffnung in Richtung Musikerziehung und Neue Medien unter Simon Rattle wird es nach Ansicht vor allem der Streicher unter den Philharmonikern höchste Zeit, auch mal wieder am satten Luxusklang zu arbeiten, der in der Tat in den letzten Jahren etwas vernachlässigt wurde.
Das Amsterdamer Concertgebouw-Orkest, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und an guten Tagen auch die Dresdner Staatskapelle oder das Leipziger Gewandhausorchester haben da derzeit die Nase vorn, und das schmerzt. Christian Thielemann ist Karajan-Schüler und er ist Berliner, das würde also passen. Mit seinem betont Berlinischen Kommunikationsstil, der mit kompromisslos noch freundlich beschrieben ist, hat Thielemann sich allerdings in der Vergangenheit nur selten Freunde gemacht.
Aus den Chefpositionen an der Nürnberger Oper, der Deutschen Oper Berlin und bei den Münchner Philharmonikern ist er jedenfalls immer vorzeitig und immer mit heftigem Getöse geschieden. Thielemann übernimmt sich nicht, hat zurzeit nur relativ wenige Konzertverpflichtungen bei der Dresdner Staatskapelle und dirigiert noch weniger in der Dresdner Oper und macht sich an anderen Häusern rar, wahrscheinlich hat er einfach keine Lust mehr, zu arbeiten. Die Sommer verbringt er regelmäßig bei den Bayreuther Festspielen, wo er in diesem Sommer die Eröffnungspremiere von Katharina Wagners "Tristan und Isolde"-Inszenierung leiten wird. Die Berliner Philharmoniker würden seinen hinter eine nonchalanten Fassade verborgenen Ehrgeiz aber sicher nochmal ganz neu anstacheln.