Nachgehört - Neue Podcasts

Papas Porno und andere Entdeckungen

06:26 Minuten
Blick auf einen Computer, auf dem ein Audioprogramm läuft
Blick auf einen Computer, auf dem ein Audioprogramm läuft © imago stock&people
Von Meike Laaff |
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"Was haben wir denn da?" dachte sich Jamie Morton, als er ein Manuskript findet: einen selbsverfassten Porno-Roman seines Vaters. Er liest, kommentiert und macht ihn öffentlich in seinem Podcast "My dad wrote a porno" - nur einer von vielen neuen Podcast-Entdeckungen.
Derek Thompson hat Fragen. Jede Menge Fragen: "Wie süchtig machen Smartphones und Soziale Medien? Warum ist Onlinedating so merkwürdig? Und: Wie kriegt Facebook all diese Falschmeldungen in den Griff?"

All das erklärt Thompsons Podcast "Crazy/Genius" - gut gelaunt und in kleinen 20-Minuten-Häppchen. Acht Folgen, acht Antworten: Crazy/Genius beackert in der ersten Staffel Themen, die für jeden in der Luft liegen, der in einer digitalisierten Gesellschaft lebt. Thompson, Redakteur beim US-Magazin "The Atlantic", lässt immer mehrere Perspektiven pro Thema zu Wort kommen, karrt tolle Experten zusammen und bezieht am Ende jeder Folge Stellung.
"Die Blockchain? Wahrscheinlich überschätzt – weil sie für Konsumenten noch immer nicht mehr bietet als eine riskante Investmentmöglichkeit. Facebook? Braucht dringend Konkurrenz. Am Ende jeder Folge ist der Hörer von Crazy/Genius für jeden Smalltalk gerüstet."
Als aufwändig produzierte Show ist Crazy/Genius aber eine Ausnahme. Storytelling, das war einmal: die meisten neuen Podcasts sind wieder: Gespräche, Gespräche, Gespräche. So auch der "Talk-O-Mat", eine Eigenproduktion von Spotify Deutschland.

"Willkommen in meinem Leben!"

Das Konzept ist simpel: zwei Promis treffen zu einem Blind-Date auf einander. So richtig mit Augenbinde lupfen im Studio:

- "Heey, wow, das ist ja eine große Ehre."
- "Westermann: Echt, warte mal. Ich grüsse dich. Und ich kenne dich nicht, das ist mir total peinlich. Wer bist du?"
- "Ich bin Arnim und ich spiele in einer Rockband die heisst Beatsteaks."
- "Herzlich, äh, willkommen in meinem Leben. Tach. Wie schön!"

Oft kennen die beiden sich nicht – womit sie dann aber allein klar kommen müssen, denn bei der dreiviertel-Stunde Gespräch ist kein Moderator anwesend.
"Die Gesprächsthemen bestimme ich – der Talk-O-Mat: eine emotionslose, algorithmusgesteuerte Maschine mit geiler Stimme"
Mal ist das Ergebnis, das da auf Autopilot entsteht, banal. Mal kommen ganz erstaunliche Gespräche heraus. Oder es wird – dadaistisch.
SIDO: "Ich lieb den Baumarkt. Für mich, für mein Verständnis gibts da alles. Alles. Wie im Darknet in analog, da gibt es alles. SHS: "Ja, so ungefähr."
Wem das zu seicht ist, dem sei die Ezra Klein Show empfohlen. In diesem Podcast-Klassiker spricht Ezra Klein, ein profilierter US-Journalist und Gründer von vox.com, mit oft hochkarätigen Gästen.
"Hello, and welcome to 'This is the Ezra Klein Show' from the Vox Media Podcast Network. Today is a big episode. My guest ist Hillary Clinton. You might remember her from such elections as 2008… "
"My guest this week is Paul Krugman..."
"My guest is Melinda Gates..."
"...Jaron Lanier, welcome back on the podcast!"
"My guest is Marc Zuckerberg..."
Klein diskutiert, was ihn als US-Linksliberalen bewegt: Über Trump und Geschlechtergerechtigkeit, über Veganismus und das bedingungslose Grundeinkommen, über Rassismus, Internet und Technologie. Das liefert oft wertvollen Hintergrund, um die großen Entwicklungslinien unserer Zeit zu verstehen.
Neben den Gästen lebt der Podcast von Kleins Gesprächsführung: locker, mit erkennbar eigener Meinung und ohne Angst vor der Konfrontation.

Das Leben als Laternenpfahl

Doch warum eigentlich immer nur Menschen interviewen?
"I am pretty tall. I guess you might have walked into me – hopefully not. People sometimes tie their dogs on a leash to me. I am also a holder of notes: people looking for nannies, babysitters, lost dogs, you find those stuck on to me."
Dürfen wir vorstellen: der Laternenpfahl Maeve, interviewt im neuen Radiotopia-Podcast , "Everything is Alive". Es ist die alte Phantasie: wenn die Dinge um uns herum lebendig wären, was würden sie wohl erzählen.
Louis: "Once the soda is gone, the can remains, but byebye me, i think."
Und so philosophiert hier die Coladose darüber, was von ihr bleibt, wenn sie dereinst ausgetrunken sein wird.
Eine witzige Idee, die nebenbei auch einmal all diese Laberpodcasts ein bisschen auf die Schippe nimmt. Wermutstropfen: Die Folgen sind so lang, dass der Gag der sprechenden Objekte leider fast schon zu nerven beginnt.
Bleiben noch die beliebtesten Gesprächspodcasts überhaupt. Die über Sex nämlich. Für Sie ausprobiert kann ich versichern: die können Sie sich sparen. Eigentlich. Wäre da nicht dieser Überraschungserfolg aus Großbritannien.
Alice: "Jamie, Why are we here?
Jamie: "Because my dad has written a porno."
Alice: "Your dad has written a porno?"
Jamie: "Yeah. Erotic literature."
Both: "Why?"

Es ist schon ein paar Jahre her, da entdeckte der britische Autor und Regisseur Jamie Morton, dass sein Vater, ein pensionierter Bauarbeiter, unter Pseudonym im Selbstverlag einen Porno-Roman herausgegeben hatte. Titel: Belinda Blinked. Den fand sein Sohn so unfreiwillig komisch, dass er sofort begann, ihn gemeinsam mit Freunden in einem Podcast vorzulesen und zu kommentieren:
"Belinda laid back in the leather chair and sprad her legs wide open as requested. Her vaginal lids popped open and her...
Sorryy! Dingdong! ..and her… Let‘s stop there: I am no expert on the vagina, maybe Alice can enlighten us: Does a vagina have lids? I have never thought of it as a tupperware box..."
Vagina-Deckel, die einfach so aufspringen – nur eines von hunderten verunglückten erotischen Bildern des Buches.
Der Roman strotzt nur so von sprachlicher Unbeholfenheit, faustdicken Plotlöchern und einem wenig kundigen Blick auf die weibliche Anatomie. Und die drei Podcaster lassen keinen Gag darüber auf dem Weg liegen. Diese Kombination macht "My dad wrote a porno" zu einem herrlich albernen Vergnügen. Und brachte insgesamt schon über 100 Millionen downloads.
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