Bereit zur Wende
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Böen, Brisen, Stürme: Für Surfer und Surferinnen gehört das zum Lebensgefühl. Auch für Mario Rodwald. Er hat nicht nur mehrere Europameistertitel im Kitesurfen geholt, er setzt sich in seinem Sport auch für mehr Nachhaltigkeit ein.
Ein weißer Klinkerbau, links der Golfplatz, rechts, keine 300 Meter entfernt, die Kieler Förde. So wohnt einer der besten Kitesurfer Deutschlands. Mario Rodwald lacht. Die Zeiten, als er im Wohnmobil hauste, sind lange vorbei. Es ist Mittag, der 30-Jährige ist in der Nacht vom Wellenreiten aus Dänemark zurückgekommen. "Das ist meine ganz große Liebe. Da denke ich an gar nix anderes", sagt er.
Im dänischen Nationalpark Thy ist Mario nicht nur gesurft, sondern hat auch ein neues Waveboard getestet. "Kold Shapes" heißt seine nachhaltige Marke. Kold wie in kalt. 2018 hat sich der Typ mit dem Lockenschopf selbstständig gemacht.
"Da kann man schnell sehr viel ändern"
"Ich bin damals angetreten, weil ich gesagt habe: Okay, der Kitesport ist so naturverbunden, wir sind immer auf dem Wasser unterwegs und das ist quasi unser Spielplatz. Und der ganze Sport an sich ist nicht besonders nachhaltig. Wir sind natürlich viel mit dem Flugzeug unterwegs. Bis dato wurde eigentlich fast alles in Asien gefertigt, vom Neoprenanzug bis zum Kite. Und alles in Massen an Plastik verpackt. Damals, so vor vier Jahren, habe ich gesagt: Okay, da kann man auf jeden Fall schnell sehr viel ändern."
Als Erstes hat sich Mario die Boards vorgenommen – und statt Plastik natürliche Rohstoffe verarbeitet. Also: Holz, Flachs, Naturharz. Produziert wird in Europa, hauptsächlich in Portugal und Polen, der CO2-Ausstoß zu 100 Prozent ausgeglichen, unter anderem, indem sein Unternehmen Bäume in Afrika und Südamerika anpflanzt. Alles prima, wenn da nicht Corona gewesen wäre. Die ganzen Lockdowns.
"Ja, für uns war es auch einschneidend: Weil man natürlich gewohnt ist, viel zu reisen. Mit dem Wohnmobil an die Strände zu fahren. Aber ich muss sagen: Der Sport hat mich echt gerettet. Wenn ich jetzt im Ruhrpott gewesen wäre und wirklich gar nicht das Bundesland verlassen hätte dürfen: Das wäre die Voll-Katastrophe gewesen", erzählt er.
"Aber so konnten wir immer noch zu Fuß ans Wasser gehen. Und da hat man auch mal zwei, drei Freunde auf dem Wasser gesehen. Und von daher hat eigentlich so der Sport uns da so durchgetragen."
Wettkampf bis an die persönliche Grenze
Mario ist auf die Terrasse gegangen. Drinnen, meint er lachend, halte er es nicht lange aus. Er zeigt nach rechts: Da, hinter den Bäumen, liegt die Kieler Förde. Sein Hausstrand. Morgen früh will der Schleswig-Holsteiner wieder surfen gehen. Nur zum Spaß.
An Wettbewerben nimmt er schon länger nicht mehr teil. Vier Europameistertitel, der Gewinn mehrerer Word-Cups, diverse nationale Meisterschaften: Das muss reichen. "Zehn oder 15 Jahre Wettkampf waren supergeil und haben auch so gezeigt, wo meine persönlichen Grenzen sind", erzählt er.
"Ich habe zu viel trainiert, habe mir dann mal die Rippen gebrochen. Oder dann zu viele Wettkämpfe in zu kurzer Zeit gefahren. Habe mir dann das Knie komplett zerschossen. Aber jetzt dieses neue Ding mit der Produktentwicklung macht auch so viel Spaß, dass ich sage: Ich will das jetzt nicht mehr missen."
Australien, Hawaii, die portugiesische Atlantikküste: Mario ist viel herumgekommen. Nur um irgendwann festzustellen: Zu Hause – im Land zwischen den Meeren – ist es eigentlich auch ganz okay.
"Bei der Nordsee hat man natürlich die schönere Welle. Gerade auf Sylt ist es einfach so eine explosive Welle, wo dann auch Leute aus Hawaii oder aus der Südsee echt ihre Schwierigkeiten haben, wenn da so dieser Shorebreak draufklatscht", sagt er.
"Diese brutalen Wellen, das ist schon faszinierend. Und Ostsee: Grad bei Ostwind hat man auch dieses türkise Wasser, was man sonst nur vielleicht aus der Karibik kennt. Das hat man hier auch, das ist schon der Wahnsinn."
Der surfende Umweltschützer hat für eine NDR-Dokumentation versucht, zwei Wochen plastikfrei zu leben. Hat halbwegs geklappt. Mario springt auf, er muss los. Zwei Surfshops in Kiel beliefern. "Und dann bin ich ready für morgen", lacht er.