Nachhaltige Landwirtschaft

Rinder unter Nussbäumen

09:12 Minuten
Bullen weiden auf einer Weideflächen, auf der Bäume wachsen.Agroforstwirtschaft heißt diese Kombination, bei der Bäume oder Sträucher auf Feldern genutzt oder Ackerbau und Tierhaltung kombiniert werden.
Bei Biolandwirt Hans Pfeffer grasen die Kühe unter Bäumen. © picture alliance/dpa / Thomas Frey
Von Anke Petermann |
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Im Nordpfälzer Bergland gehen Landwirte neue Wege: Die Agroforstwirtschaft bringt Ackerbau, Laubbäume und Weidetiere auf einer Fläche zusammen. Davon profitieren die Böden, die Tiere und auch die Bauern.
Gelbe Schlüsselblumen blühen oben am Wiesenhang bei Bad Kreuznach, weiter unten zartrosafarbenes Wiesenschaumkraut unter alten Obstbäumen. Hans Pfeffer, Bio-Landwirt in Odernheim am Glan, deutet auf eine Pflanzreihe mit grünen Kunststoffröhrchen quer zum Hang.
„In diesen Schutzröhren ist jeweils ein Baum gepflanzt“, erklärt Pfeffer, „die da drüben sind ja schon knallgrün. Wir können ja mal schauen, was da jetzt schon kommt.“

Jeder zweite Baum eine Walnuss

Pfeffer linst in ein Schutzröhrchen: Eine kleine Erle sprießt da. Im übernächsten eine Winterlinde, noch zwei weiter eine Traubeneiche. Jeder zweite Baum ist eine Walnuss – und zwar eine mit Nüssen, die sich vermarkten lassen, wie Hans Pfeffer betont. Er fasst an den Holzpflock neben einer Walnuss.
„Den Pfahl braucht‘s am Anfang, damit sie gerade wächst. Wir haben im Herbst gepflanzt, und dieses Jahr kommen schon wieder die großen Kühe und Rinder drauf. Da die Fläche als Grünland sofort beweidet wird, ist der Pfahl auch dazu da, den Baum zu schützen“, erklärt Pfeffer.
Er erklärt weiter: „Und zwar mit einem vom Elektrozaun abgenommenen System. Sodass die Kühe nicht an den jungen Nussbäumen fressen. Der ist ja jetzt vielleicht einen Meter hoch und fingerdick. Entweder würden sie sich kratzen oder das Grünzeug wegfressen – davor ist der Baum jetzt geschützt.“


Hellbraune Glanrinder weiden bald um die Jungbäume herum. Später, wenn die Bäume größer sind, werden sie in ihrem Schatten stehen. Glanrinder sind eine alte, regionale Rasse vom Glan, einem Nebenfluss der Nahe.
Hans Pfeffer vom Biolandbetrieb Bannmühle pflanzt auf einer seiner Weideflächen Bäume. Agroforstwirtschaft heißt diese Kombination, bei der Bäume oder Sträucher auf Feldern genutzt oder Ackerbau und Tierhaltung kombiniert werden. 
Landwirt Hans Pfeffer pflanzt Obst- und Nussbäume auf seinen Rinderweiden. (picture alliance / dpa / Thomas Frey)© picture alliance / dpa / Thomas Frey
An diesem Flüsschen liegt auch Pfeffers Biolandhof Bannmühle mit dreißig Kühen, Kälbern und Bullen. Pfeffer deutet von der Wiese mit den Walnüssen aus zu den Hügeln und Weiden, auf denen die Tiere grasen: „Da oben, wo die Rotmilane kreisen, da etwa hinten dran.“

Weidewirtschaft auf schwierigem Gelände

Frank Wagener vom IfaS-Institut für angewandtes Stoffstrommanagement in Birkenfeld ist soeben dazu gestoßen. Mit seinem Team übernimmt er einen Teil der begleitenden Forschung. Er findet: „Das ist schon fast alpin, was Hans hier macht.“
In seinen Worten schwingt Bewunderung. Dass Biobauer Pfeffer die Weidewirtschaft in diesem schwierigen Gelände aufrecht hält, dafür zollt ihm Kulturlandschafts-Forscher Wagener Respekt. Viele Bauern geben solche Flächen auf: zu viel Arbeit, zu wenig Ertrag.
Auf dem Gegenhang wuchern Schlehen auf brachliegendem Grünland, die artenreichen Wiesen verschwinden unter Gestrüpp. Für sein Forschungsprojekt „Entwicklung von Agroforstsystemen“, kurz „eva“, formuliert Wagener als Leitfrage: „Wie bekommen wir solche Standorte langfristig gesichert, nicht nur für den Betrieb – der muss davon leben können –, sondern vor allen Dingen auch für die Gesellschaft?“

Rindfleisch, Edelhölzer, Esskastanien

Der Weg dahin, so die Hypothese, führt über bessere Verdienstmöglichkeiten für Bauern. Warum nicht zusätzlich zum Fleisch der Weiderinder Biowalnüsse oder Esskastanien oder edle Kirschholzstämme anbieten?
Hans Pfeffer ist offen für Experimente: „Ich selbst habe vor 20 Jahren eine Apfelanlage nach dem gleichen System gepflanzt. Das ist heute meine liebste, mit der wenigsten Arbeit, den wenigsten Krankheiten und den dicksten Bullen unten drunter – das ist wunderbar.“
Warum die Bäume auf der beweideten Streuobstwiese so gesund sind? Hans Pfeffer glaubt, dass sich durch die Kombination von Obstbäumen und Rindern die Artenvielfalt potenziert hat.
„Der Wechsel von Licht und Schatten, von trockenen Flächen in der Sonne und etwas feuchteren unter den Bäumen wird stärker. Dadurch habe ich mehr Insekten, mehr Spinnen, Artenreichtum an Blütenpflanzen, die wiederum andere Insekten anlocken, die wiederum vielleicht regulierend auf die Obst-Schädlinge einwirken“, erläutert er. Und setzt hinzu: „Wir wissen nicht ganz genau, warum. Es gibt auch weniger Pilzkrankheiten in dieser Anlage.“
Der Biolandwirt fragt sich: „Ist es, weil die Kühe einen Teil der Blätter im Herbst schon fressen oder in den Boden treten? Weil so die Pilzsporen, die auf den Blättern sind, um im nächsten Frühjahr auszutreiben, reduziert werden?“
„Ist etwas im Kot oder im Urin, was die Blätter schneller zersetzen lässt? Oder Organismen, die gar Antagonisten der Schorfpilze sind? Oder liegt es allein daran, dass die Kühe die untersten Äste immer sauber abnagen, sodass es der Pilz schwerer hat, in die Krone zurückzukommen?“
Fragen über Fragen. Vielleicht hilft die ergänzend geplante Forschung der Uni Koblenz-Landau weiter. Die Landauer Ökosystem-Wissenschaftler wollen die ökologische Balance der Obstwiese genauer untersuchen.
Pfeffer hofft zudem darauf, „dass wir einen Mikrobiologen für die Bodenbiologie kriegen. Und was dann noch fehlen würde, wäre jemand, der aus der Phytomedizin kommt. Jemand, der etwas über den Zusammenhang mit den Krankheiten sagen könnte. Kommt her und untersucht es!“
Ein Mann und eine Frau stehen auf einer Weide. Sie begutachten den Grund, in den Pflöcke mit Seilen geschlagen sind.
Geoökologin Dorothea Kortner unterstützt Landwirte, die Agroforstwirtschaft umsetzen wollen, mit ihrer Expertise.© Deutschlandradio / Anke Petermann

Beratung aus der Wissenschaft

Aus dem Tal steigt eine Frau in Gummistiefeln den regenfeuchten Hang hinauf. Dorothea Kortner vom Mainzer Büro für Landschaftsökologie und Zoologie beschäftigt sich schon länger mit der Vegetation auf Pfeffers Grünland. Denn dessen Bannmühle ist ein sogenannter „Partnerbetrieb Naturschutz“ im Netz des Umweltministeriums von Rheinland-Pfalz.
Die Zusammenarbeit geht in beide Richtungen: Hans Pfeffer lässt sich einerseits naturschutzfachlich beraten und speist andererseits Ideen ein, um Agrarumweltprogramme zu verbessern.
Die Geoökologin will für Wageners Agroforst-Projekt „eva“ herausfinden, wie sich die Wiesen verändern, wenn Walnuss und andere Bäume dort heranwachsen. Sie entdeckt Hainsimse und Kammgras, zwei von vielleicht vier Dutzend Pflanzenarten, die auf Pfeffers nährstoffarmen Wiesen mit voranschreitendem Frühling zu blühen beginnen.
„Da sind Glockenblumen drin, das ist Margerite drin und Wiesenflockenblume. Das ist die typische artenreiche Wiese mittlerer Standorte.“ Auch seltene Orchideen wachsen hier, Dorothea Kortner hat soeben das Purpurknabenkraut gefunden.
Die Geoökologin schlägt Pflöcke ein, um einzelne Untersuchungsfelder abzugrenzen. „Und dann überlegen wir, wo die Horchboxen für Vögel und Fledermäuse hinkommen.“, ergänzt Frank Wagener. Er meint damit Detektoren, die Fledermausrufe und Vogelgezwitscher digital aufzeichnen.

Die Dürre macht dem Landwirt zu schaffen

Dass der Biolandhof Bannmühle überhaupt mit gesetzlich geschütztem Grünland experimentieren darf, hat mit dem Hochwasserschutz zu tun, der hier ebenfalls erforscht wird. Denn Sommer leidet das Nordpfälzer Bergland zunehmend unter Dürre. Wenn es regnet, dann oft verheerend stark.
Biobauer Pfeffer erprobt daher auf seinem Grünland auch ein neues Wassermanagement: Seine Wiesen sollen Regenfluten besser absorbieren und so das unterhalb gelegene Dorf davor schützen. Pfeffer deutet auf den Boden. Vor den Baumreihen hat er schmale Furchen mit der Spatenmaschine umgegraben.
„Quer zur Hangrichtung, damit sie das Wasser bremsen und ein gewisses Gefälle von den nassen zu den trockenen Stellen haben. Sodass es eher zum Trockenen geht und nicht dahin, wo es eh schon zu nass ist. Damit wollen wir das Wasserspeichervermögen des Bodens vergrößern. Das ist wahrscheinlich das Allerbeste, was wir tun können, um mit den wenigen starken Niederschlägen und den langen Trockenphasen umzugehen.“

Ergiebiges Futter für die Rinder

Hier im Mittelgebirge zwischen Saar und Nahe fehlt Regen, daher bildet sich immer weniger Grundwasser. Und so kann das erprobte Agroforstsystem vielleicht nicht nur die Artenvielfalt stärken, sondern auch die Folgen des Klimawandels mildern und die Ernährung sichern, hoffen Wagener und Pfeffer.
Der Biobauer denkt dabei vor allem auch an seine Herde: Gut bewässerte Weidepflanzen liefern seinen Rindern auch ergiebigeres Futter. Das heißt, er muss weniger zufüttern. Gleichzeitig filtert kräftigeres Grün mit mehr Wurzel- und Blattmasse mehr Kohlendioxid aus der Luft. Ein doppelter Gewinn also. Und noch etwas: die Baumreihen in diesem Agroforstsystem schützen auch die Bodenpilze, glaubt Pfeffer.
„Wenn ich jetzt also durch meine Beschattung etwas besseres Gras krieg‘, hat das Gras eine bessere Leistung, es gibt mehr Zucker an den Boden ab, es wird mehr Pilze geben. Die Pilze sind dann wiederum besser geschützt, dadurch, dass sie in einem temperierten Boden nicht der Sonne ausgesetzt sind, weil Schattenbäume darüberstehen. Sodass wir da in ein System kommen, das eher einer Mischkultur entpricht, so in Richtung Richtung Savannne-Wald. Das sind sehr effektive Ökosysteme.“
Ob die entstehende „Nordpfälzer Savanne“ all diese Erwartungen erfüllt – die Forschung der kommenden Jahre wird es zeigen.
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