Nachhaltiges Investment

Geld anlegen mit gutem Gewissen?

10:46 Minuten
Ein Blick an einer Windkraftanlage hinauf bis zum strahlend blauen Himmel in Rottweil.
Wachsende Renditen können bei den richtigen Investionen auch grün sein, sagt Banker und Theologe Helge Wulsdorf. © imago /Silas Stein
Helge Wulsdorf im Gespräch mit Sandra Stalinski |
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Profite machen und dabei die Welt verbessern – so lautet das Versprechen nachhaltiger Geldanlagen. Die gibt es inzwischen auch speziell für Anleger mit christlichen Grundwerten. Aber kann das funktionieren?
Sandra Stalinski: Nachhaltige Geldanlagen, das ist seit einigen Jahren ein wachsender Trend. Da geht’s in erster Linie darum, Geld in grüne, ökologische Unternehmen zu investieren in Form von Aktienfonds beispielsweise. Aber auch für Anlegerinnen und Anleger mit religiösen Werten gibt es Angebote. Einer, der sich fast schon sein gesamtes Berufsleben damit beschäftigt, ist Helge Wulsdorf. Er ist Bankkaufmann und Katholischer Theologe – und ist unter anderem Vorstandsmitglied im Forum Nachhaltige Geldanlagen.

Herr Wulsdorf, Sie arbeiten bei einer Kirchenbank, der Bank für Kirche und Caritas, die sich vor allem um Geldanlagen von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen kümmert. Aber passt das überhaupt zusammen: christliche Grundwerte einerseits und das Ziel, Geld zu vermehren durch Profite?
Wulsdorf: Das ist kein Widerspruch. Es geht ja nicht darum, dass die Kirche sich gegen Profite generell ausspricht. Wir müssen Gelder erwirtschaften, kirchliche Einrichtungen müssen schlicht und ergreifend auch Gelder einwerben, um ihrem Zweck nachkommen zu können. Und das ist ja auch nicht verboten. Auch kirchenrechtlich ist es erlaubt.
Die Kirche braucht für ihre Aufträge – wozu eben Liturgie, Verkündigung, Diakonie und Caritas gehören – Geld. Und dieses muss sie schlicht und ergreifend verwalten und eben auch gewinnbringend anlegen. Es geht nicht darum, dass sie damit Wucher erzielen soll, sondern dass sie marktkonform Gelder anlegt und auch attraktive Renditen für ihre Einrichtung, für ihre Zwecke erwirtschaftet.
Der Theologe und Bankkaufmann Helge Wulsdorf - graue Haar, Brille, Anzug - lächelt in die Kamera.
Helge Wulsdorf ist Bankkaufmann und katholischer Theologe – und Vorstandsmitglied im Forum Nachhaltige Geldanlagen.© Bank für Kirche und Caritas
Stalinski: Jetzt gibt es aber auch mehr und mehr private Anlegerinnen und Anleger, die ihr Geld sinnvoll, nachhaltig und nach ethischen Kriterien investieren wollen. Sagen wir mal, ich bin eine Anlegerin mit christlichem Wertefundament. Was habe ich da für Möglichkeiten?
Wulsdorf: Als Anlegerin, als Anleger gehe ich natürlich zu meiner Bank, wenn ich Geld anlegen möchte, frage meinen Kundenbetreuer, meine Kundenbetreuerin und die werden mir dann entsprechend Angebote machen müssen. Was jetzt neu ist, das ist eine rechtliche Vorgabe, die wir ab Anfang August haben, dass der Kundenbetreuer sogar verpflichtet ist, den Kunden nach seiner sogenannten Nachhaltigkeitspräferenz zu fragen. Das muss er auch dokumentieren und darüber kommt er mit dem Kunden ins Gespräch.
Und zusätzlich zu, ich sage mal, ganz normalen, breit aufgestellten Nachhaltigkeitsforderungen im sozialen und ökologischen Bereich gibt es dann noch christliche Werte, über die man ins Gespräch kommen kann. Und dann wird der Kundenbetreuer gucken müssen, wo er entsprechende Produkte findet, die die Wertvorstellungen des Kunden zumindest miteinbinden.

Einfacher bei spezialisierten Banken

Stalinski: Das heißt, ich kann das bei jeder Bank bekommen?
Wulsdorf: Ja, das ist natürlich ein bisschen aufwendig. In der Kirchenbank ist es etwas einfacher, weil Sie da den kirchlichen Wertkontext haben und hier spezielle Angebote für Kirche, Caritas und Diakonie gemacht werden. Wenn Sie zu einer konventionellen Bank gehen, ist es sicherlich etwas aufwendiger, aber das ist dann auch die Frage: Wie gut ist Ihr Kundenbetreuer, um Ihrem Wunsch als Kunde gerecht zu werden?
Stalinski: Welche Kriterien muss denn eine christlich-nachhaltige Geldanlage erfüllen, also welche Betätigungsfelder sind das, die dann ausgeschlossen werden müssen?
Wulsdorf: Ganz allgemein, das Thema Abtreibung, Arbeitsrechtsverletzung, embryonale Stammzellforschung, Pornografie und auch Suchtmittel, Tabak beispielsweise oder auch Drogen – das sind Kriterien, die eher im sozialen Bereich angesiedelt sind. Natürlich auch das Thema Korruption, Menschenrechtsverletzung, Rüstung, Militär, Todesstrafe, bis hin zu ökologischen Fragestellungen, die unsere Schöpfung betreffen, wie fossile Brennstoffe, Umgang mit gefährlichen Chemikalien. Das ganze Thema Klimawandel ist natürlich ein riesengroßes Thema, aber auch spezielle Fragen wie grüne Gentechnik und auch die Durchführung von Tierversuchen beispielsweise.

Eine Geldanlage allein rettet nicht die Welt

Stalinski: Das heißt, es gibt dann speziell christliche Aktienfonds zum Beispiel?
Wulsdorf: Ja, das sind Sachen, an denen wir auch mitbeteiligt sind. Solche speziellen Fonds, die diese Werte umsetzen... Ja, das gibt es.
Stalinski: Und wenn ich jetzt all das berücksichtige bei meiner Geldanlage, kann ich mir dann auf die Schulter klopfen und sagen, also jetzt vermehre ich nicht nur mein Geld, sondern verbessere dabei auch die Welt?
Wulsdorf: Sie haben sicherlich einen Mehrwert, Sie tun einfach was Gutes für die Schöpfung, für die Menschen, für diese Gesellschaft. Damit alleine retten Sie natürlich nicht die Welt, aber je mehr Menschen in solche Produkte investieren, desto mehr haben wir einen Veränderungsprozess.
Und Sie hatten es ja auch einleitend schon gesagt, das Volumen nachhaltiger Geldanlagen steigt von Jahr zu Jahr. Das wird auch in den nächsten Jahren sicherlich sprunghaft steigen, alleine durch die rechtlichen Vorgaben, die wir seitens der Europäischen Union und seitens des Regulators bekommen. Und von daher sind wir auf einem guten Weg, dass wir für ein Mehr an Gerechtigkeit, für ein Mehr an Nachhaltigkeit mit solchen Produkten auf den Finanzmärkten und damit auch in der Realwirtschaft sorgen.

Schon die Wahl der Bank ist entscheidend

Stalinski: Ist das nur ein Thema für Geldanleger, die, ich sage mal, im fünf- oder sechsstelligen Bereich Geld anlegen wollen, oder kann ich auch als einfache Sparerin mit einem Girokonto da irgendwas richtig oder falsch machen?
Wulsdorf: Also das fängt beim ersten Euro an, wenn man es ganz genau nimmt. Es ist natürlich immer die Frage: Mit welcher Bank arbeite ich zusammen? Wenn ich mir jetzt nur den Einlagenbereich angucke, also eine Giroeinlage oder eben auch eine Spareinlage, dann muss ich natürlich gucken: Wie geht die Bank mit meinem Geld um? Die Kirchenbanken und auf Nachhaltigkeit spezialisierte Banken legen vom ersten Euro an das Geld in nachhaltigen Geldanlagen an oder bei den Kirchenbanken eben speziell mit entsprechenden christlichen Werten, die die Kirchen in ihren Dokumenten haben – also wie lege ich ethisch-nachhaltig Geld an unter christlichen Aspekten. Entsprechend werden hier dann auch die Gelder angelegt und man leistet vom ersten Euro an seinen Beitrag zu einer christlicheren Welt.

Ethischer Filter bei Kirchen- und Ökobanken

Stalinski: Das heißt, bei einer normalen Bank kann es sein, dass mit dem Geld, das ich auf dem Girokonto liegen habe, Waffengeschäfte finanziert werden oder in Atomenergie investiert wird, in fossile Brennstoffe und so weiter. Und wenn ich jetzt aber bei einer Kirchenbank bin oder bei einer der Ökobanken – die GLS-Bank ist ja sehr traditionsreich – dann bin ich wirklich ganz auf der sicheren Seite?
Wulsdorf: Da haben Sie einen Filter, der über diese Geldanlagen gelegt wird. Ja, da können Sie dann sicher sein, dass es so ist. Eine normale, konventionelle Bank, die hat darüber wahrscheinlich keinen Filter. Das ist anders, wenn ich jetzt ein spezielles Bankprodukt habe wie einen Aktienfonds, einen Rentenfonds oder einen Mischfonds, da ist natürlich nur das Fondsprodukt entscheidend, wie dort die Anlagestrategie ist. Und so gucken Sie bei der anderen Sache auf die Gesamtbankstrategie.

Weniger Rendite bei nachhaltigen Geldanlagen?

Stalinski: Aber mal ehrlich, wenn ich so viele gute und wichtige Werte bei meiner Geldanlage berücksichtige oder auch bei der Wahl der Bank, dann habe ich doch sicherlich nur einen Bruchteil der Rendite im Vergleich zu anderen Geldanlagen, oder?
Wulsdorf: Das ist ein Gerücht, das sich hält. Das ist nicht so. Man kann nicht sagen, dass Sie per se, wenn Sie in ethisch-nachhaltige Geldanlagen gehen, einen Renditenachteil haben. Die Studien, die wir haben, zeigen, dass im Endeffekt Nachhaltigkeit sogar einen Mehrwert bietet, auch einen finanziellen Mehrwert, wenn man langfristig dabei ist. Weil Sie natürlich in sozial-ökologische Sachen investieren, die zukunftsfähig sind, und diejenigen Sachen ausschließen, die nicht zukunftsfähig sind.
Wenn Sie beispielsweise fossile Brennstoffe nehmen, die werden ausgeschlossen Zug um Zug, beispielsweise Kohle. Und dadurch haben Sie langfristig einen gewissen Renditevorteil, weil: Die Unternehmen, die sich jetzt schon auf diese Zukunftsthemen einstellen, werden langfristig bessere Renditen erzielen als die, die weiterhin konventionell arbeiten und sich auf die zukünftigen Nachhaltigkeitsrisiken jetzt noch nicht einstellen, sondern erst dann, wenn sie zwangsläufig müssen.

Genau hinschauen gegen Etikettenschwindel

Stalinski: Jetzt ist dieser ganze Anlagendschungel ja für Nicht-Ökonomen ohnehin ziemlich undurchsichtig. Es gibt zum Beispiel auch sogenannte nachhaltige ETFs, also börsengehandelte Aktienfonds. Bei denen ist zum Beispiel Coca Cola oder Apple mit drin, wo man nicht so auf die Idee kommt, dass das besonders nachhaltige Unternehmen sind. Wie kann ich denn ausschließen, dass da nicht nur grün oder sozial oder christlich draufsteht, und ich dann doch in Unternehmen investiere, die nicht gemäß meinen Kriterien handeln?
Wulsdorf: Ich glaube, es wird sehr schwer sein, alle Kriterien eins zu eins umzusetzen, so, wie Sie sich das als Kunde wünschen. Am Kapitalmarkt gibt es eben nicht schwarz oder weiß, da sind verschiedenste Graustufen. Deswegen sind eben auch immer mal wieder Unternehmen in gewissen Portfolios drin, wo Sie selber sagen würden: Wie kann das denn da reinrutschen? Aber das ist gerade die Auseinandersetzung, die auch den Kunden herausfordert, auch im Gegenüber mit seinem Kundenbetreuer zu sagen: Wie wird das Ganze gemanagt, wie hängt das Ganze zusammen?
Sie hatten jetzt speziell ETFs angesprochen. Hier ist natürlich grundsätzlich die Frage: Da ist ein Index hinterlegt und man kann dort nicht so frei, aktiv das Ganze managen, sondern: Das ist eben ein passiv gemanagtes Produkt, das sich an einen Index anlehnt, und wenn in diesem Index keine Ausschlusskriterien drin sind, dann hat dieser ETF natürlich auch nicht diese Ausschlusskriterien umgesetzt. Also, es ist schon eine Herausforderung für alle Seiten, das richtige Produkt zu finden. Und es fordert natürlich ein Stück weit auch den Kunden heraus, sich etwas mehr mit seiner Geldanlage zu beschäftigen, als es früher der Fall war, weil diese Nachhaltigkeitsdimension vielen wahrscheinlich gar nicht bewusst ist, was sie im Endeffekt mit Geld auch bewirken können.
Geld hat ja immer eine Wirkung. Man sagt zwar, Geld stinkt nicht, aber letztendlich ist es so: Sie können Positives damit bewirken, indem Sie in Zukunftsfragen investieren, oder Sie können Negatives bewirken, indem in Sachen investiert wird wie Rüstung, Militär, fossile Brennstoffe, die eben nicht zukunftsfähig sind und die auf Dauer dann sicherlich zu einer Minderrendite führen werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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