Nachhaltigkeit in aller Munde
Zwar nutzen wir die vorhandenen Ressourcen heute effektiver als früher, aber wir verbrauchen dafür auch mehr, sagt Wolfgang Gründinger vom Think Tank 30. Er fordert, den Begriff Nachhaltigkeit zu ersetzen durch Generationengerechtigkeit.
Korbinian Frenzel: Wir feiern Geburtstag, und zwar den Geburtstag eines Begriffes, ohne den heute gar nichts mehr geht: Nachhaltigkeit. 300 Jahre wird er alt, oder sagen wir mal so: Vor 300 Jahren gebrauchte ihn ein sächsischer Förster zum ersten Mal, um einen nachhaltigen Umgang mit dem Wald einzufordern. 1713, da gab es noch nicht mal Industrie, aber schon die Antwort darauf. Im Kanzleramt feiert man heute diese deutsche Weitsicht und natürlich auch ein bisschen sich selbst. Der von der Bundesregierung eingesetzte Nachhaltigkeitsrat – da haben wir es wieder – begeht diesen 300. Geburtstag eines Begriffes "Made in Germany".
Wie viel Grund zum Feiern gibt es überhaupt? Das ist unsere Frage. Und Antworten hat Wolfgang Gründinger, Mitglied ist er im Think Tank 30, das ist die junge Denkfabrik des Club of Rome. Jetzt ist er am Telefon, guten Morgen!
Wolfgang Gründinger: Guten Morgen.
Frenzel: Herr Gründinger, Nachhaltigkeit – können wir uns allen ein Geburtstagsgeschenk machen, indem wir den Begriff etwas nachhaltiger verwenden?
Gründinger: Nun ja, Sie sagen ja schon, dass der Begriff ein Gummibegriff geworden ist. Nachhaltigkeit ist ja wirklich das, worunter man sich alles mögliche, was edel, frei und gut ist, vorstellen kann. Ich sage immer: Nachhaltigkeit ist so wie Sex unter Teenagern. Alle reden darüber, alle haben es angeblich schon tausendmal intensiv gemacht, aber die wenigsten haben es tatsächlich gemacht und wenn, dann schlecht.
Frenzel: Es ist ein Begriff, der im Alltagsgebrauch seit 20, 30 Jahren vor allem so richtig Karriere gemacht hat. Wenn ich Sie jetzt so höre, habe ich das Gefühl, das ist eigentlich nur Rhetorik. Oder gehen wir vielleicht doch besser um mit den Ressourcen, besser als früher?
Ressourcenproduktivität ist gestiegen
Gründinger: Na ja, was gestiegen ist, ist die Ressourcenproduktivität. Das heißt, wenn ich diesen Fachbegriff mal übersetzen darf, dass wir aus der gleichen Menge Ressourcen mehr herausbekommen als früher. Das Problem ist nur der sogenannte Boomerang-Effekt. Das heißt, wir kriegen zwar aus einem Liter Benzin mehr Kilometer heraus, aber dafür fahren wir einfach immer länger und daher hat das von dem absoluten Verbrauch von Ressourcen nicht viel gebracht. Also wir feuern weiter immer noch mehr Ressourcen in die Atmosphäre, als wir das vor 20 Jahren getan haben, und eine Trendumkehr ist momentan nicht in Sicht.
Frenzel: Was müsste denn politisch passieren, um wirklich nachhaltige Weichenstellungen zu treffen, und vor allem in welchem Bereich ist es drängender, in der Umwelt oder zum Beispiel bei sozialen Fragen?
Gründinger: Nun ja, da kommen wir wieder zu dem Problem, was eigentlich Nachhaltigkeit bedeuten soll. Bei der Umwelt kann man das noch relativ klar sagen. Da kann man sagen, verbrauche nie mehr Ressourcen als sich erneuern und mülle den Planeten nicht so zu, dass er sich nicht mehr regenerieren kann.
Frenzel: Und im Sozialen heißt das dann, …
Gründinger: Ja, da ist es schon schwieriger.
Frenzel: Heißt das denn da, dass die Generationen den Gürtel enger schnallen müssen?
Gründinger: Ja, aber auch dann wer von den künftigen Generationen. Natürlich ist es gut, wenn der Staat sich dann verschuldet, um Investitionen zu tätigen, die künftigen Generationen helfen. Zum Beispiel können wir sagen, Bildung hilft ja auch den Kindern und den nachfolgenden Generationen. Da könnte es sinnvoll sein, sich zu verschulden, wenn anderswo kein Geld da ist. Andererseits allerdings steigt der Schuldenquotient seit Jahrzehnten an und ich sehe nicht, dass daher so viel mehr Geld zum Beispiel in Bildung investiert worden ist. Also hier müssen wir uns deutlich fragen: für was geben wir Geld aus, wo können wir Geld sparen. Mein Vorschlag wäre, dass wir einen Generationen-Soli erheben, dass also wir eine höhere Steuer auf große private Erbschaften einführen, und dieses Geld fließt dann in Kinderbetreuung und Bildung.
Frenzel: Stößt dann Nachhaltigkeit hier und jetzt nicht immer auf einen Widerspruch, gerade wenn wir mal auf den Umweltbereich gucken, auch auf den sozialen Widerspruch? Ich nehme das Beispiel der Flugreise nach Mallorca. Die ist natürlich schön billig, die ist zu billig, das sagt man zurecht. Aber wenn sie nicht so billig wäre, könnten sich ganz viele das nicht leisten.
"Die Welt ist kompliziert"
Gründinger: Das ist richtig, wobei ein Flug nach Mallorca auch nicht zu den Grundrechten gehört. Ich bin schon dafür, dass wir sozialen Ausgleich und Umweltschutz voneinander trennen und dass wir dort spezifisch herangehen, also nicht den Flug nach Mallorca möglichst billig ermöglichen, sondern gucken, wer hat denn die Hilfe der Gesellschaft nötig und wo können wir helfen, wo wirklich Armut ist, und nicht einfach ratz fatz alles für alle machen, weil mit dem gleichen Argument könnte man ja sagen, egal wer, jeder hat Anspruch auf alles, weil ja alles umgekehrt ungerecht ist. Also die Welt ist sehr kompliziert und da müssen wir spezifisch ganz konkret herangehen, wo wir Ungerechtigkeit sehen.
Frenzel: Herr Gründinger, zum 300. Geburtstag der Nachhaltigkeit, haben Sie einen Vorschlag für einen neuen Begriff, der nicht so abgenutzt ist?
Gründinger: Ja. Ich würde vorschlagen, Nachhaltigkeit zu ersetzen durch Generationengerechtigkeit, denn Gerechtigkeit heißt ja schon mal etwas anderes. Das ist schon griffiger, da wissen wir ungefähr schon, was wir dahinter eigentlich sehen wollen, auch wenn es da auch im Einzelfall natürlich immer Unklarheiten gibt. Aber zumindest wissen wir, was ungerecht ist. Auf der anderen Seite: auch Generationen sind ein klarer Begriff. Wir wissen, was alt, was jung ist, was heute lebt, wer morgen lebt, und wir können dann besser damit umgehen.
Frenzel: Das sagt Wolfgang Gründinger, der Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Gründinger: Ich danke Ihnen, schönen Tag noch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wie viel Grund zum Feiern gibt es überhaupt? Das ist unsere Frage. Und Antworten hat Wolfgang Gründinger, Mitglied ist er im Think Tank 30, das ist die junge Denkfabrik des Club of Rome. Jetzt ist er am Telefon, guten Morgen!
Wolfgang Gründinger: Guten Morgen.
Frenzel: Herr Gründinger, Nachhaltigkeit – können wir uns allen ein Geburtstagsgeschenk machen, indem wir den Begriff etwas nachhaltiger verwenden?
Gründinger: Nun ja, Sie sagen ja schon, dass der Begriff ein Gummibegriff geworden ist. Nachhaltigkeit ist ja wirklich das, worunter man sich alles mögliche, was edel, frei und gut ist, vorstellen kann. Ich sage immer: Nachhaltigkeit ist so wie Sex unter Teenagern. Alle reden darüber, alle haben es angeblich schon tausendmal intensiv gemacht, aber die wenigsten haben es tatsächlich gemacht und wenn, dann schlecht.
Frenzel: Es ist ein Begriff, der im Alltagsgebrauch seit 20, 30 Jahren vor allem so richtig Karriere gemacht hat. Wenn ich Sie jetzt so höre, habe ich das Gefühl, das ist eigentlich nur Rhetorik. Oder gehen wir vielleicht doch besser um mit den Ressourcen, besser als früher?
Ressourcenproduktivität ist gestiegen
Gründinger: Na ja, was gestiegen ist, ist die Ressourcenproduktivität. Das heißt, wenn ich diesen Fachbegriff mal übersetzen darf, dass wir aus der gleichen Menge Ressourcen mehr herausbekommen als früher. Das Problem ist nur der sogenannte Boomerang-Effekt. Das heißt, wir kriegen zwar aus einem Liter Benzin mehr Kilometer heraus, aber dafür fahren wir einfach immer länger und daher hat das von dem absoluten Verbrauch von Ressourcen nicht viel gebracht. Also wir feuern weiter immer noch mehr Ressourcen in die Atmosphäre, als wir das vor 20 Jahren getan haben, und eine Trendumkehr ist momentan nicht in Sicht.
Frenzel: Was müsste denn politisch passieren, um wirklich nachhaltige Weichenstellungen zu treffen, und vor allem in welchem Bereich ist es drängender, in der Umwelt oder zum Beispiel bei sozialen Fragen?
Gründinger: Nun ja, da kommen wir wieder zu dem Problem, was eigentlich Nachhaltigkeit bedeuten soll. Bei der Umwelt kann man das noch relativ klar sagen. Da kann man sagen, verbrauche nie mehr Ressourcen als sich erneuern und mülle den Planeten nicht so zu, dass er sich nicht mehr regenerieren kann.
Frenzel: Und im Sozialen heißt das dann, …
Gründinger: Ja, da ist es schon schwieriger.
Frenzel: Heißt das denn da, dass die Generationen den Gürtel enger schnallen müssen?
Gründinger: Ja, aber auch dann wer von den künftigen Generationen. Natürlich ist es gut, wenn der Staat sich dann verschuldet, um Investitionen zu tätigen, die künftigen Generationen helfen. Zum Beispiel können wir sagen, Bildung hilft ja auch den Kindern und den nachfolgenden Generationen. Da könnte es sinnvoll sein, sich zu verschulden, wenn anderswo kein Geld da ist. Andererseits allerdings steigt der Schuldenquotient seit Jahrzehnten an und ich sehe nicht, dass daher so viel mehr Geld zum Beispiel in Bildung investiert worden ist. Also hier müssen wir uns deutlich fragen: für was geben wir Geld aus, wo können wir Geld sparen. Mein Vorschlag wäre, dass wir einen Generationen-Soli erheben, dass also wir eine höhere Steuer auf große private Erbschaften einführen, und dieses Geld fließt dann in Kinderbetreuung und Bildung.
Frenzel: Stößt dann Nachhaltigkeit hier und jetzt nicht immer auf einen Widerspruch, gerade wenn wir mal auf den Umweltbereich gucken, auch auf den sozialen Widerspruch? Ich nehme das Beispiel der Flugreise nach Mallorca. Die ist natürlich schön billig, die ist zu billig, das sagt man zurecht. Aber wenn sie nicht so billig wäre, könnten sich ganz viele das nicht leisten.
"Die Welt ist kompliziert"
Gründinger: Das ist richtig, wobei ein Flug nach Mallorca auch nicht zu den Grundrechten gehört. Ich bin schon dafür, dass wir sozialen Ausgleich und Umweltschutz voneinander trennen und dass wir dort spezifisch herangehen, also nicht den Flug nach Mallorca möglichst billig ermöglichen, sondern gucken, wer hat denn die Hilfe der Gesellschaft nötig und wo können wir helfen, wo wirklich Armut ist, und nicht einfach ratz fatz alles für alle machen, weil mit dem gleichen Argument könnte man ja sagen, egal wer, jeder hat Anspruch auf alles, weil ja alles umgekehrt ungerecht ist. Also die Welt ist sehr kompliziert und da müssen wir spezifisch ganz konkret herangehen, wo wir Ungerechtigkeit sehen.
Frenzel: Herr Gründinger, zum 300. Geburtstag der Nachhaltigkeit, haben Sie einen Vorschlag für einen neuen Begriff, der nicht so abgenutzt ist?
Gründinger: Ja. Ich würde vorschlagen, Nachhaltigkeit zu ersetzen durch Generationengerechtigkeit, denn Gerechtigkeit heißt ja schon mal etwas anderes. Das ist schon griffiger, da wissen wir ungefähr schon, was wir dahinter eigentlich sehen wollen, auch wenn es da auch im Einzelfall natürlich immer Unklarheiten gibt. Aber zumindest wissen wir, was ungerecht ist. Auf der anderen Seite: auch Generationen sind ein klarer Begriff. Wir wissen, was alt, was jung ist, was heute lebt, wer morgen lebt, und wir können dann besser damit umgehen.
Frenzel: Das sagt Wolfgang Gründinger, der Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Gründinger: Ich danke Ihnen, schönen Tag noch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.