Rettungsgasse - so geht das
Erschreckend wenig Autofahrer wissen, wie man eine Rettungsgasse bildet. Aus diesem Grund üben die Fahrlehrer in Ostwestfalen-Lippe genau dies neuerdings - und zwar nicht nur mit ihren Schülern.
"Du kannst den ruhig mal überholen, lass den Lkw noch weg. Und dann ziehen wir auch schon raus. Und schalten! Nimm mal den Sechsten, gut. So. Und dann immer, wenn wir schneller fahren, auch Abstand halten, nie drauf los."
Fahrlehrer Hans Offer hat seinen jungen Fahrschüler Johannes auf dessen Autobahnfahrt genau im Blick. Tempo 140, Regen, die Sicht ist schlecht, der Verkehr dicht und das Unfall- und Staurisiko hoch. Deshalb nutzt der routinierte Herforder Fahrlehrer bewusst jede Gelegenheit, um seinen Schüler für das Thema "Rettungsgasse" zu sensibilisieren.
"Wenn jetzt die beiden anderen Fahrstreifen voll wären, so wie jetzt - der Linke ist ja schon ziemlich voll - dann würden wir schon langsamer und würden an die Rettungsgasse denken und ganz an den Strich oder an den Bordstein ran. Je nachdem wie sich das zuspitzt."
Autofahrer wissen nicht mehr, was zu tun ist
Zugespitzt hat sich die Situation auf den Autobahnen zuletzt wahrlich: Immer neue und immer schwerere Unfälle, bei denen kaum ein Autofahrer im Stau wusste, was zu tun ist, um den Rettungskräften Platz zu machen. Für Fahrlehrer Hans Offer nach mehr als 40 Berufsjahren Anlass genug, das plötzlich wieder topaktuelle Thema "Rettungsgasse" aus der Versenkung der Fahrschülerausbildung zu holen.
"Das war früher auch schon Thema. Aber da ist man leicht drüber weggegangen, aber jetzt durch die Unfälle bin ich da angestochen und nehme das auch wieder mehr mit auf. Ich finde das was ganz Schlimmes, wenn die Rettungsfahrzeuge nicht nach vorne können. Da kann ja Leben dran hängen. Und deswegen müssen wir in den Fahrschulen auch viel häufiger auf diese Rettungsgasse eingehen, damit die jungen Fahrer das gleich lernen!"
Fahranfänger als Vorbilder für ältere Fahrer
Denn Fahranfänger hätten darin tatsächlich eine Vorbildfunktion für ältere Fahrer, die in ihrer eigenen Fahrschulzeit vor Jahrzehnten kaum etwas über die Rettungsgasse vermittelt bekommen hätten, ist Hans Offer überzeugt, und die jetzt von den jungen Fahrern lernten.
Doch beherzt ganz dicht an die Mittelleitplanke oder den rechten Nebenmann heranzufahren, um die Rettungsgasse zu bilden: Das traut sich längst nicht jeder Fahrschüler so zu, wie heute Johannes.
"Ist mir noch nie passiert, wäre das erste Mal. Aber ich stelle es mir nicht allzu schwierig vor, ein bisschen nach links zu fahren. Das kriegen die Jungs sowieso alle geregelt. Mädchen tun sich da schwerer."
Auch abends im Theorieunterricht ist die Rettungsgasse intensiv Thema - mit Videos, aber auch mit einem ganz "handfesten" Tipp:
"Ihr seht meine Hand, und wir können uns wunderbar anhand der Hand merken: Der linke Fahrstreifen - das ist hier der Daumen - der geht ganz links rüber. Und gleichgültig, wie viele Fahrstreifen noch da sind: Die gehen alle rechts rüber, wobei aber die Pannenspur freigehalten wird."
Ein Punkt in Flensburg
Die meisten der etwa 15 jungen Führerscheinanwärter im Theorieraum der Herforder Fahrschule haben noch nie etwas von einer Rettungsgasse gehört. Dementsprechend vielfältig sind ihre Fragen.
"Im Baustellenbereich, wird die Gasse auch so gehalten wie mit der Hand?" Antwort Offer: "Im Baustellenbereich haben wir oft nicht den Platz, dass da eine Gasse gebildet werden kann. Ansonsten gilt das da genauso."
Einen Punkt in Flensburg können Fahranfänger bekommen, wenn sie in der Probezeit keine Rettungsgasse bilden und dabei erwischt werden. Auch deshalb nehmen die Herforder Fahrschüler die Tipps lernwillig an:
"Man kann ja auch besser helfen, wenn die Gasse gebildet wird. Man hat halt Angst, wenn man gerade einen Unfall hat. Und dann keine Rettungsgasse gebildet wird. Man möchte ja nicht ne Stunde auf einen Rettungswagen warten. Ich finde, dass es sehr wichtig ist, dass man es in den Fahrschulen bespricht, dass man einfach davon weiß!"
Auch Ausbilder brauchen Nachhilfe
Das sehen auch die Fahrlehrerverbände so und wollen das Thema "Rettungsgasse" im Fahrschulalltag künftig viel stärker aufgreifen als bisher, etwa der Verband Westfalen-Lippe mit seinen etwa 350 Fahrlehrern. Doch vorher brauchen viele der Ausbilder erst einmal selbst viel Nachhilfe in Sachen Rettungsgasse, gibt Hans Offer zu bedenken. Er ist nämlich auch Prüfer für angehende Fahrlehrerkollegen:
"Die meisten in der Fahrlehrerausbildung haben noch gar nichts davon gehört. Andere, die haben das schon gehört, aber auch nicht so ganz bewusst. Also, ich denke da ist noch viel aufzuholen!"