Nachlass von Marika Rökk

Von Michael Lachmann · 06.07.2005
Marika Rökk spielte im Dritten Reich heile Welt und hat dennoch in ihrem Leben nicht nur Höhen erleben dürfen. Für viele war sie neben Zarah Leander der populärste weibliche Filmstar der Nazizeit. Jetzt präsentiert des Filmmuseum Berlin ihren Nachlass.
"Eine Frau, wenn sie will, kann alles" - Marika Rökk konnte vor allem in besseren, aber auch in schlechten Zeiten bei ihrem Millionenpublikum gute Laune erzeugen. Das war ihr Markenzeichen und lag in ihrem Naturell. Darin war sie wohl einmalig. Ihre Tochter Gabriele Jacoby, Schauspielerin im Theater in der Josephstadt, war zur Ausstellungseröffnung aus Wien angereist.

Gabriele Jacoby: "Ihr Gedächtnis zurück war so unwahrscheinlich stark. Sie konnte sich an alles erinnern, was sie anhatte, wo, wann, in welchem Film, das wusste sie alles. Sie war wahnsinnig optimistisch, sie war immer eigentlich gut gelaunt. Deprimiert war sie nie, im Gegensatz zu mir. Wie gesagt, sie hatte die Erfüllung in ihrem Beruf und in der Schönheit des Berufes. Bei mir kommt durch den Tierschutz so viel Unangenehmes dazu oder Deprimierendes. Sie hat immer alles positiv gesehen."

Viele der über 100 Exponate, also Fotos, Schriftgut, sehr viele und schöne Plakate, Bild- und Tonträger, Auszeichnungen und Kostüme sind im vergangenen Jahr als 27. Nachlass in die Sammlungen des Filmmuseums Berlin übergegangen. Was für diese Ausstellung fehlte, wurde im Bundesarchiv gezielt zur Rökk-Biographie recherchiert und dezent gegenüber gestellt, wie etwa ein Ergebenheitstelegramm von Marika Rökk und ihrem Mann Georg Jacoby aus dem Kriegsjahr 1940 - adressiert an Adolf Hitler auf dem Obersalzberg. Sie wusste, was sie wert ist und wer ihre Förderer waren. 1933 brauchten die Nazis nach ihrem Machtantritt für die Kinoleinwand neue Gesichter, weil ihnen so mancher beim Publikum geschätzte Mime aus bekannten Gründen abhanden gekommen war und anderswo Karriere machen konnte. Für das gertenschlanke, damals erst 20-jährige Multitalent ungarischer Eltern der zufällige Einstieg. Sie konnte singen, tanzen, steppen, einen Schlafzimmerblick aufsetzen, lieblich ihren Akzent pflegen und dabei einen verführerischen Schmollmund machen oder mit Energie über die Bühne fegen. Die UFA-Bosse griffen zu und die Rökk hatte offenbar später wenig Berührungsängste, mit Goebbels zu kokettieren und die Babelsberger Villa des vertriebenen jüdischen Kriminalfilmregisseurs Alfred Zeisler zu übernehmen, der seine Kunstsammlung dort zurücklassen musste. Wo jene geblieben ist, bleibt bis heute ungeklärt. Auch die Tochter weiß nichts. Privatleben sei eher eine Seltenheit gewesen, meint sie.

"Bei uns gingen nie sehr viele Privatleute ein und aus, sondern wenn jemand kam, dann hat es mit dem Beruf zu tun gehabt. Früher wars der Grothe, dann der Peter Kreuder, dann waren es die Leute, die die Bücher geschrieben haben oder die Filmarchitekten. Kann mich nicht erinnern, dass wir jemals eine Party oder so etwas gehabt hätten. Bei uns ging es
immer nur um den Beruf. Dann die Sabine Ress, dann Tanzbesprechungen, dann Kleiderbesprechungen, das war überhaupt das Wichtigste, da hab ich sehr viel von ihr gelernt. So darf man z. B. nicht sitzen beim Fernsehen. Das ist schlecht. Das ist abgeschnitten. Da sieht man dick aus. Man müsste mindestens bis hierher sitzen. Das hat sie mir alles beigebracht und schau auf diese Seite, diese Seite ist besser, als diese Seite. Also, das hab ich alles gelernt von ihr."

Besucher der Ausstellung werden schon im Eingangsbereich mit der bis ins hohe Alter ohne jeden Zweifel temperamentvollen Dame konfrontiert, wo jene Szene aus dem 1988 von Peter Schamoni gedrehten Film "Schloss Königswald" gezeigt wird, in der sie mit GIs Rock n' Roll in der Empfangshalle tanzt und mit sage und schreibe 75 Jahren noch einen sauberen Überschlag hinbekommt. Nach den Jahren der Operette, Lustspiele und Showtourneen wieder ihr erster, aber auch ihr letzter Film. Werner Sudendorf, der Sammlungsleiter des Berliner Filmmuseums, ist besonders glücklich über eine äußerst frühe Fernsehrarität, auf die er bei der Ausstellungsvorbereitung gestoßen ist.

Werner Sudendorf: "Das, was uns allen als Filmhistoriker oder als Filmbesucher gegenwärtig ist, das sind die Filme der 30er, 40er Jahre. Was wir nicht mehr so genau wissen, dass sie viele Filme auch in den 50ern gemacht hat und natürlich, das ist eines der Highlights der Ausstellung, die Hormocenta-Reklame, fast so gut wie Clemens Wilmenroth, der Fernsehkoch und ich würd sagen, fast noch besser, und ich wurde schon gefragt, ob das nicht irgendwie ein Abstieg von ihr gewesen ist, in die Werbung zu gehen. Ich glaube, das ist überhaupt nicht der Fall - heute ist der Einstieg für die Stars, nachdem sie fünf Mal im Fernsehen aufgetreten sind, machen sie schon Werbung und dann - das war's dann! Dann gibt’s noch ein paar Schlagzeilen in der Boulevardpresse, und dann ist die Halbwertzeit auch schon beendet. Marika Rökk hat gefußt auf ihrem Erfolg, ihrer Disziplin und sie hat sich darauf auch nicht ausgeruht. Das war eine Etappe."

Ihre Revuefilme fügten sich ins Ablenkungskonzept der NS-Propaganda, und das hat ihr nach dem Krieg auch Schwierigkeiten bereitet, aber die österreichische Gewerkschaft stufte sie schließlich am 28. Juli 1947, so der ausliegende "Persilschein", als unbedenklich ein. Marika Rökk durfte wieder arbeiten.

Ein besonders schönes Exponat der Ausstellung ist ein Geschenk von Erich Kettelhut, dem Filmarchitekten von "Metropolis", der Marika Rökk eine beschriftete große Zeichnung mit einer Harfe zu ihrem 1944 gedrehten Film "Die Frau meine Träume" widmete. Ein weiteres wichtiges Stück - das erste Bambi, das das Haus der Deutschen Geschichte in Bonn als Dauerleihgabe gern haben möchte. Damals war das Reh noch aus weißem Porzellan. Marika Rökk gehörte neben Jean Marais zu den allerersten Preisträgern. 1948 wurde die Auszeichnung von der "Neuen Filmrevue" herausgegeben. Kindheitserinnerungen:

G. Jacoby: "Also die Mutter kam nach Hause, kann mich erinnern, es war am Abend, ich hab schon geschlafen und sie hat mich aufgeweckt und hat mir dieses Rehlein vor die Nase gehalten und ich war damals schon sehr tierverrückt und ich habe diese Walt-Disney-Filme gesehen, und da lief grad "Bambi", und ich wach so aus dem Halbschlaf auf und sie zeigt mir das, schau Gabikam, was ich heute bekommen habe, es ist eine große Auszeichnung und ich schau das an und sage. Du hast mir das Bambi nach Hause gebracht. Also damit hat sie das dann weitererzählt, im Fernsehstudio oder im Filmstudio und bei bei Bekannten und so hat es dann wirklich die Runde gemacht und den Namen Bambi bekommen."

Das Filmmuseum Berlin präsentiert bis zum 4. September den Nachlass von Marika Rökk.