Zwischen Ödland und Vorzeigecampus
Das ehemalige Expo-Gelände in Hannover: Wo sich früher die Welt mit Länderpavillons präsentierte, ist heute ein Patchwork der Nachnutzungen entstanden. Hier residiert die Hochschule Hannover, der Musikproduzent Mousse T. und einige Autohäuser. Andere Pavillons verfallen einfach.
Ein Publikumsmagnet aus dem Jahr 2000 ist zum Schandfleck geworden, denn der hoch aufragende niederländische Pavillon, der an einen deutschen Unternehmer verkauft wurde, verfällt dramatisch mit seinen übereinander angesiedelten Landschaften - und war schon Ort von Vandalismus. Karsten Klaus, Geschäftsführer der städtischen Gesellschaft, die die Grundstücke verkauft:
"Der holländische Pavillon ist in Privathand. Wir nehmen regelmäßig Kontakt auf zu dem derzeitigen Eigentümer, dort gibt es Planungen. Der steht auch mit dem städtischen Bauamt in Verbindung, um seine Vorstellungen mit uns abzustimmen. Und wir hoffen und gehen davon aus, dass sich dort in nächster Zeit etwas entwickeln wird."
Eine Ruine mit Zukunft? Viele der Grundstücke auf dem damals neu erschlossenen EXPO-Gelände sind inzwischen veräußert: Dienstleistungsfirmen aller Art sind in einige Pavillons gezogen, auch in den deutschen mit seiner konkaven Glasfassade. Manche Gebäude wurden abgerissen, und Bauteile in anderen Städten und Ländern neu verwendet.
In dem prächtigen belgischen Pavillon residiert der internationale Musikproduzent Mousse T. mit seinen Studios und Veranstaltungssälen.
Polnischer Pavillon ist Problemfall
Der Problemfall, der in diesen Tagen Schlagzeilen macht, ist der frühere polnische Pavillon. Eine Unternehmerin aus Vietnam hatte das Gebäude gekauft und dort vorübergehend mit pittoresken Einbauten ein asiatisches Kulturzentrum mit Gastronomie betrieben. Jetzt verrottet die möblierte Halle, und die Gesellschaft "EXPO Grund” hat nach jahrelanger Kontroverse die Unternehmerin ultimativ aufgefordert, auch das Grundstück zu kaufen oder es unverzüglich zu räumen. Den letzten Stand erläutert Anwalt Philipp Beisteiner:
"Man muss wissen, dass besagte Unternehmerin bereits 2001 einen Kaufvertrag geschlossen hatte über das Grundstück, auf dem sich dieser Pavillon befindet. Aber bedauerlicherweise hat sie den Kaufpreis nie gezahlt. Es wurde dann lange Zeit - aus unserer Sicht - eine Hinhaltetaktik betrieben. Nun aber hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Pavillon abgerissen werden darf. Die Vorbereitungen für den Abriss sind jetzt im Gange."
Design- und Medienstudenten prägen das Bild
Ein solcher Fall belastet das Erscheinungsbild der EXPO-Nachnutzung. Dennoch ist das Gelände im ganzen nicht verödet. Noch viel wichtiger als die Rock- und Pop-Konzerte, die hier überdacht oder unter freiem Himmel stattfinden, sind die kreativen jungen Leute, die täglich kommen, denn auf dem früheren EXPO-Grund hat sich die Hochschule Hannover mit markanten Studiengängen angesiedelt - und einen guten Ruf erworben als Schmiede junger Bildjournalisten und Dokumentarfotografen, mit dem internationalen Festival "Lumix” als Höhepunkt alle zwei Jahre. Präsident Josef von Helden:
"Die Hochschule Hannover ist 2002, also in unmittelbarer EXPO-Nachnutzung, hier auf das Gelände gezogen - mit Studiengängen in den Bereichen Design und Medien. Und wir haben dann das Spektrum 2007 noch einmal um die informationswissenschaftlichen Studiengänge erweitert. Dieser Ort ist natürlich für Hannover seit der EXPO-Zeit ein Vorzeigegelände, und für uns mit dieser Tradition und bundesweiten Bekanntheit ein interessanter und sehr wichtiger Standort."
Das frühere EXPO-Gelände als Campus mit zweieinhalbtausend Studenten. Die Hochschule setzt hier Akzente und erhält von diesem Schauplatz wiederum Impulse:
"Wir haben Kontakt zu hier ansässigen Firmen und auf diesem Gelände - gerade bei Design und Medien spielt es eine Rolle - auch die Möglichkeit, Veranstaltungen auszurichten, zum Beispiel das ‘Lumix‘-Festival und auch den ‘Modepreis Hannover‘."
Keine Lösung in einem Guss
Mit Studenten, Geschäftsleuten und gastierenden Künstlern ist so eine Art Patchwork der EXPO-Nachnutzung entstanden, keine Lösung aus einem Guss. Ein Spektrum zwischen Seminarräumen und Salons für Luxusautos.
Mancher hätte sich gefreut, wenn vom damaligen Flair mehr erhalten geblieben wäre, war die Weltausstellung doch nicht nur ein finanziell krisenhafter Kraftakt mit einem Verschleiß an Führungspersonal, sondern vor allem ein wunderbares Kunst- und Kulturereignis mit einmaliger Veranstaltungsdichte.
Als erinnerungsträchtiger Ort bietet sich immerhin das ehrenamtlich geführte, unter Kostendruck stehende EXPO-Museum an: mit Fotos, Modellen und Kostümen auf 500 qm. Mitinitiatorin Ingrid Wähler:
"Wir zeigen die offiziellen Gastgeschenke, die die teilnehmenden Nationen nach Hannover gebracht haben: Medaillen, Kunstwerke, Schalen und Tücher. All das, was die Länder schön fanden und nach Deutschland geschenkt haben."
Ein bunter Tontopf aus Südafrika, eine bemalte Feder aus Zentralamerika - und die Vereinigten Arabischen Emirate schenkten nicht nur ein vergoldetes Relief, das ihren damaligen "Wüsten"- Pavillon zeigt, sondern ließen auch die EXPO-Generalkommissarin Birgit Breuel in Öl verewigen. Zu den unbestrittenen Museumsschätzen zählen rund 2000 EXPO-Filme: offizielle und diverse Beiträge aus den Medien.
Ingrid Wähler nennt sich selber einen "EXPO”-Fan. Mit welchen Gefühlen geht sie heute über das traditionsreiche und doch stark veränderte Gelände?
"Wir sehen Pavillons, die leider verfallen. Wir sehen auch die freiliegenden Grundstücke. Das ist schon ein bisschen traurig, wenn man sich an die schönen Veranstaltungen vor 15 Jahren erinnert. Aber leider ist es derzeit so."