Nachrichten von der Front
Meinungsfreiheit habe es im Krieg bisher nicht wirklich zu geben, sagt die Medienwissenschaftlerin Johanna Roering. Diese Freiheit forderten einige Soldaten aber nun ein - und verbreiten ihre Meinung in Kriegsblogs.
Frank Meyer: Soldaten sollen Befehle ausführen. Sie sollen nicht über Befehle diskutieren und schon gar nicht über die Strategie oder gar den Sinn eines Einsatzes. Nun hat sich aber mit dem Vormarsch der digitalen Medien auch das Selbstverständnis von Soldaten verändert. Amerikanische Soldaten berichten in Blogs von ihren Einsätzen und sie mischen sich ein in die Debatte über die Strategie des Krieges. Die Medienwissenschaftlerin Johanna Roering hat solche Blogs aus dem Irakkrieg untersucht, und mit ihr reden wir in unserer Reihe über die Zukunft des Krieges. Frau Roering, seien Sie herzlich willkommen!
Johanna Roering: Hallo!
Meyer: Wovon schreiben denn die amerikanischen Soldaten aus dem Irak in ihren Blogs? Gibt es da Themen, die man zusammenfassen könnte, die sich durchziehen?
Roering: Also, es ist natürlich ganz gemischt. Es geht wirklich vom Wetter über was es zu essen gab, die täglichen Einsätze, die Erlebnisse in den Lagern, das Training, die Vorbereitung. Also so der Kriegsalltag, sagen wir mal, ist das Hauptthema in diesen Blogs.
Meyer: Und was wird da erkennbar? In welcher Rolle sehen sich die Soldaten? Wollen die sich einfach Luft machen oder wollen sie auch etwas mitteilen, was sonst verschwiegen wird?
Roering: Also es ist natürlich unterschiedlich, aber es gibt eine Reihe von Blogs von Soldaten aus dem Irakkrieg, und die werden unterstützt von Blogs von Soldaten, die in den USA sind, die sich mehr auf die politische und Nachrichtendimension konzentrieren, die gerne ein bestimmtes Bild vom Krieg in die Öffentlichkeit bringen wollen. Und zwar war das zu Zeiten des Irakkriegs, der ja in den Medien - sagen wir mal, ein starker Fokus auf die täglichen Anschläge, auf die Toten und so weiter, und da war das Anliegen der Soldaten, die positiven Entwicklungen aus ihrer Sicht zu berichten.
Also zum Beispiel den positiven Verlauf eines Einsatzes an dem Tag wäre ein ganz klassischer Eintrag zum Beispiel aus dem Blog "365 Days and a Wake-up", in dem der Soldat dann beschreibt, wie er nach Bagdad in einen Slum fährt und da Geschenke und Medizin verteilt und dann wieder nach Hause kommt und sich eigentlich ganz gut fühlt mit dem Getanen. Und das wird dann so als Gegenstimme zu dem, was als sehr negative Kriegsberichterstattung verstanden wird, versucht, in die Öffentlichkeit zu kriegen.
Meyer: Es gab am Anfang die Annahme, dass diese Berichte von den Soldaten, unmittelbar von den Kampfeinsätzen, aus dem Kriegsalltag, wie Sie es auch gesagt haben, dass die eher kriegskritische Berichte sind. Nach dem, was Sie gerade erzählen, stimmt das gar nicht, zumindest nicht durchweg?
Roering: Nicht durchweg, genau. Es gab natürlich solche, also ein bekannterer ist Jason Christopher Hartley, der hat 2003 aus dem Irak geschrieben und hat da auch eine Szene beschrieben, in der Zivilisten gefoltert wurden von ihm und seinen Mitsoldaten. Und da hat er selber auch kritisch drüber geschrieben, der wurde dann auch sehr stark zensiert, er wurde richtig zwei Ränge degradiert und durfte nicht mehr raus aus seinem Basecamp und nicht mehr an den Einsätzen teilnehmen. Aber das ist die Ausnahme.
Also der Großteil der Soldaten - man muss sich vorstellen, die bringen ja einen Wahnsinnseinsatz für diesen Krieg und stehen dem dann auch nicht kritisch gegenüber, sondern die sind davon überzeugt, die haben sich oft nach dem 11. September verpflichtet und die stehen hinter dem Krieg und hinter dem, was sie als Demokratie bringenden Einsatz im Irak verstehen.
Meyer: Wenn Sie sagen, dieser Blogger, Jason Christopher Hartley, wurde zensiert, sogar degradiert wegen seines Blogs - wie ist das überhaupt mit der Zensur? Wie viel Spielraum haben die Soldaten da, wie eng ist die Zensur für diese Blogs?
Roering: Ja, das ist ein interessantes Thema, ich meine, da muss man sich erst mal überlegen, dass es natürlich ein ganz grundlegendes und massives Problem ist. Weil, wenn jemand Soldat ist, dann hat er sich ja verpflichtet, sogar so weit zu gehen, sein Leben für die Nation zu geben. Und so was wie Meinungsfreiheit kommt da nicht wirklich vor. Das ist aber genau das, was diese Blogger jetzt einfordern. Die sagen, okay, ich will eine Meinung haben, ich habe eine Meinung, und ich finde eigentlich auch, meine Meinung ist besser oder klüger als die vom Pentagon, und dementsprechend gereizt hat das Pentagon am Anfang auch reagiert. Also es gab zu Anfang des Irakkriegs, als Blogs populärer wurden und es mehr gab, gab es massive Zensur, nicht nur von kritischen Blogs, sondern auch allgemein.
Also die Blogger sollten entweder gar nicht schreiben oder sollten jedes Mal, bevor sie ein Blogposting veröffentlichen, zu ihrem Kommandierenden gehen und das vorzeigen. Und da gab es massive Eingriffe. Das hat sich dann aber, als klar wurde, dass viele von diesen Military Bloggern wirklich auch versuchen, aktiv an der Heimatfront die Wahrnehmung des Krieges positiv mitzugestalten, hat sich das verändert, und das Verteidigungsministerium hat langsam angefangen, die Blogger mit einzubeziehen und hat dann auch angefangen, selber soziale Netzwerkangebot, also selber eine Blog-Seite und einen Facebook-Account aufzumachen und hat versucht, die zu integrieren. Und ein Höhepunkt war dann, als die Creme de la creme der Milblogger ...
Meyer: Milblogger sind die Soldaten-Blogger ...
Roering: Entschuldigung, ja, die Military Blogger nach Washington ins Weiße Haus zu George Bush eingeladen wurden und ein Gespräch mit ihm geführt haben über neue Medien und Kriegsführung, und George Bush dann auch in einem vielzitierten Satz gesagt hat, dass die Milblogger eine ganz wichtige Rolle spielen im Onlinekampf um Ideologie, so hat er das ausgedrückt.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir reden über bloggende Soldaten mit der Medienwissenschaftlerin Johanna Roering. Sie hat ein Buch über soldatische Berichterstattung in digitalen Medien geschrieben. Und Sie zitieren in Ihrem Buch einen amerikanischen Thinktank, der im Prinzip das sagt, was auch George W. Bush gesagt hat, dass nämlich die psychologische Kriegsführung, also auch die mediale Kriegsführung einflussreicher sei heute als die realen Kampfhandlungen, also als der tatsächliche Krieg. Schlägt sich das denn nieder im heutigen Umgang der Militärführung mit den Bloggern unter den Soldaten?
Roering: Auf jeden Fall. Also es gibt ganz viele Versuche, die Milblogger jetzt auf die Seite des Verteidigungsministeriums zu ziehen. Petraeus, als er noch nicht in Ungnade gefallen war, war bei den Milbloggern auf einer Konferenz. Die versuchen, die mit einzubeziehen und auch so die wichtige Vernetzungsarbeit, die diese Military Blogger leisten, für sich fruchtbar zu machen.
Meyer: Das heißt, man muss diese soldatischen Blogs heute als Teil eigentlich der Propagandamaschine des Pentagon ansehen?
Roering: Nicht alle. Es gibt auch einfach den Blog von Soldat Joe, der halt eben über das Essen schreibt, um seiner Verlobte zu versichern, dass er noch lebt. Und es gibt auch die kritischen, aber es gibt auf jeden Fall Blogs, die ganz klar Teilhabe an der Kriegsführung beanspruchen und die dann mit dieser Mischung zwischen Alltagsbericht, Tagebucheintrag, Nachrichten und Kriegsführung da versuchen, an der Heimatfront aktiv mitzugestalten.
Meyer: Wenn diese Blogs so ein Teil der Kriegspropaganda werden, wie Sie das zum Teil eben beschreiben, dann liegt es ja eigentlich nahe, die passenden Blogs auch einfach zu erfinden oder bestehende Blogs zu manipulieren oder einfach die richtigen Blogs nach vorne zu stellen. Gibt es solche Versuche seitens der amerikanischen Militärführung?
Roering: Also das würde ich auch gerne wissen. Es war schwierig für mich, herauszufinden, ob es da manipulierte Blogs gibt oder nicht. Und ich habe zwar teilweise mit den Soldaten gesprochen, aber die Soldaten sind ja Angestellte des Pentagons, das heißt, ob die jetzt das schreiben, was ihnen da jemand sagt, das kann natürlich sein und das kann ich nicht überprüfen. Es liegt nahe. Aber ich möchte da jetzt auch keine Verschwörungstheorien starten.
Die Blogs, die offiziell vom Verteidigungsministerium gestartet wurden, sind nicht besonders gut angenommen worden. Also es gab ganz offizielle Versuche, so ein Department-of-Defense-Live-Blog, eine Department-of-Defense-Social-Networking-Seite populär zu machen oder da viele Leser zu werben. Und da hat einfach das Verteidigungsministerium das Problem von allen Institutionen, dass bei neuen Medien diese gewollten, diese gezielten Unternehmungen nicht besonders gut angenommen werden, sondern die Blogs, die den Geschmack des Verbotenen, des Geheimen, des noch nicht Bekannten haben, dass die viel eher gut ankommen.
Meyer: Was denken Sie denn, welche Rolle werden solche bloggenden Soldaten in Zukunft spielen?
Roering: Also ich glaube, die bloggenden Soldaten werden wahrscheinlich eine kleinere Rolle spielen, weil der Blog ja schon fast wieder out ist. Viele von den Soldaten sind jetzt schon weiter gewandert zu Facebook oder Twitter oder neuen Medien, von denen ich wahrscheinlich noch gar nichts weiß, aber von denen eben ein 19-Jähriger weiß.
Meyer: Aber man kann die Frage ja erweitern und fragen: Das Prinzip ist ja immer der unmittelbare Kontakt, direkt von den Soldaten in die Öffentlichkeit. Was denken Sie, wie wichtig wird das bei den Kriegen der Zukunft sein?
Roering: Ich denke, das wird auf jeden Fall wichtig, und zwar auf mehreren Ebenen. Erstens ist es so, dass sich die Kriegsführung sowohl in den Medien als auch auf dem Schlachtfeld vernetzt und auch wirklich im technologischen Kommunikationssinne vernetzt. Also dass viele Soldaten jetzt einen Computer dabei haben, während sie in ihrem Humvee sitzen und da schon Updates kriegen. Also das heißt, diese Blogs spiegeln auch so ein bisschen eine Art der Kriegsführung wider. Das ist eine Art, auf die diese Kommunikationstechnologien auf jeden Fall eine wichtige Rolle spielen werden. Dann haben die eine ganz wichtige Funktion für Soldaten, die nach Hause kommen. Da Blogs und Twitter und Facebook denen ein soziales Netzwerk bieten können, in dem zum Beispiel posttraumatischer Stress thematisiert werden kann.
Und dann denke ich, für uns ist diese Entwicklung sehr wichtig, weil wir als Leser uns immer besser schulen müssen, um zu erkennen, was denn jetzt hier Meinung ist, was Propaganda ist, was vielleicht so eingefärbt ist, dass die Mutter es auch lesen kann. Das heißt, eine wichtige Auswirkung auf die Zukunft des Krieges ist, dass die Grenzen zwischen Nachrichten, Propaganda und persönlicher Botschaft, die sowieso nie klar gezogen waren, noch viel massiver verschwimmen und wir als Nutzer wirklich versuchen müssen, genau darauf zu achten, was wir da lesen, und versuchen, das einzuordnen und erst dann unsere Meinung zu bilden.
Meyer: Der bloggende Soldat oder der digital kommunizierende Soldat wird häufiger werden in Zukunft. Das meint die Medienwissenschaftlerin Johanna Roering. Ihr Buch heißt "Krieg bloggen - Soldatische Kriegsberichterstattung in den digitalen Medien". Das Buch ist im Transkript-Verlag erschienen. Frau Roering, vielen Dank für das Gespräch!
Roering: Danke schön!
Meyer: Und morgen werden wir hier im Radiofeuilleton unsere Reihe zur Zukunft des Krieges fortsetzen. Dann wird es um das Thema "Gezielte Tötung statt Flächenkrieg" gehen. Morgen um 14 Uhr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Johanna Roering: Hallo!
Meyer: Wovon schreiben denn die amerikanischen Soldaten aus dem Irak in ihren Blogs? Gibt es da Themen, die man zusammenfassen könnte, die sich durchziehen?
Roering: Also, es ist natürlich ganz gemischt. Es geht wirklich vom Wetter über was es zu essen gab, die täglichen Einsätze, die Erlebnisse in den Lagern, das Training, die Vorbereitung. Also so der Kriegsalltag, sagen wir mal, ist das Hauptthema in diesen Blogs.
Meyer: Und was wird da erkennbar? In welcher Rolle sehen sich die Soldaten? Wollen die sich einfach Luft machen oder wollen sie auch etwas mitteilen, was sonst verschwiegen wird?
Roering: Also es ist natürlich unterschiedlich, aber es gibt eine Reihe von Blogs von Soldaten aus dem Irakkrieg, und die werden unterstützt von Blogs von Soldaten, die in den USA sind, die sich mehr auf die politische und Nachrichtendimension konzentrieren, die gerne ein bestimmtes Bild vom Krieg in die Öffentlichkeit bringen wollen. Und zwar war das zu Zeiten des Irakkriegs, der ja in den Medien - sagen wir mal, ein starker Fokus auf die täglichen Anschläge, auf die Toten und so weiter, und da war das Anliegen der Soldaten, die positiven Entwicklungen aus ihrer Sicht zu berichten.
Also zum Beispiel den positiven Verlauf eines Einsatzes an dem Tag wäre ein ganz klassischer Eintrag zum Beispiel aus dem Blog "365 Days and a Wake-up", in dem der Soldat dann beschreibt, wie er nach Bagdad in einen Slum fährt und da Geschenke und Medizin verteilt und dann wieder nach Hause kommt und sich eigentlich ganz gut fühlt mit dem Getanen. Und das wird dann so als Gegenstimme zu dem, was als sehr negative Kriegsberichterstattung verstanden wird, versucht, in die Öffentlichkeit zu kriegen.
Meyer: Es gab am Anfang die Annahme, dass diese Berichte von den Soldaten, unmittelbar von den Kampfeinsätzen, aus dem Kriegsalltag, wie Sie es auch gesagt haben, dass die eher kriegskritische Berichte sind. Nach dem, was Sie gerade erzählen, stimmt das gar nicht, zumindest nicht durchweg?
Roering: Nicht durchweg, genau. Es gab natürlich solche, also ein bekannterer ist Jason Christopher Hartley, der hat 2003 aus dem Irak geschrieben und hat da auch eine Szene beschrieben, in der Zivilisten gefoltert wurden von ihm und seinen Mitsoldaten. Und da hat er selber auch kritisch drüber geschrieben, der wurde dann auch sehr stark zensiert, er wurde richtig zwei Ränge degradiert und durfte nicht mehr raus aus seinem Basecamp und nicht mehr an den Einsätzen teilnehmen. Aber das ist die Ausnahme.
Also der Großteil der Soldaten - man muss sich vorstellen, die bringen ja einen Wahnsinnseinsatz für diesen Krieg und stehen dem dann auch nicht kritisch gegenüber, sondern die sind davon überzeugt, die haben sich oft nach dem 11. September verpflichtet und die stehen hinter dem Krieg und hinter dem, was sie als Demokratie bringenden Einsatz im Irak verstehen.
Meyer: Wenn Sie sagen, dieser Blogger, Jason Christopher Hartley, wurde zensiert, sogar degradiert wegen seines Blogs - wie ist das überhaupt mit der Zensur? Wie viel Spielraum haben die Soldaten da, wie eng ist die Zensur für diese Blogs?
Roering: Ja, das ist ein interessantes Thema, ich meine, da muss man sich erst mal überlegen, dass es natürlich ein ganz grundlegendes und massives Problem ist. Weil, wenn jemand Soldat ist, dann hat er sich ja verpflichtet, sogar so weit zu gehen, sein Leben für die Nation zu geben. Und so was wie Meinungsfreiheit kommt da nicht wirklich vor. Das ist aber genau das, was diese Blogger jetzt einfordern. Die sagen, okay, ich will eine Meinung haben, ich habe eine Meinung, und ich finde eigentlich auch, meine Meinung ist besser oder klüger als die vom Pentagon, und dementsprechend gereizt hat das Pentagon am Anfang auch reagiert. Also es gab zu Anfang des Irakkriegs, als Blogs populärer wurden und es mehr gab, gab es massive Zensur, nicht nur von kritischen Blogs, sondern auch allgemein.
Also die Blogger sollten entweder gar nicht schreiben oder sollten jedes Mal, bevor sie ein Blogposting veröffentlichen, zu ihrem Kommandierenden gehen und das vorzeigen. Und da gab es massive Eingriffe. Das hat sich dann aber, als klar wurde, dass viele von diesen Military Bloggern wirklich auch versuchen, aktiv an der Heimatfront die Wahrnehmung des Krieges positiv mitzugestalten, hat sich das verändert, und das Verteidigungsministerium hat langsam angefangen, die Blogger mit einzubeziehen und hat dann auch angefangen, selber soziale Netzwerkangebot, also selber eine Blog-Seite und einen Facebook-Account aufzumachen und hat versucht, die zu integrieren. Und ein Höhepunkt war dann, als die Creme de la creme der Milblogger ...
Meyer: Milblogger sind die Soldaten-Blogger ...
Roering: Entschuldigung, ja, die Military Blogger nach Washington ins Weiße Haus zu George Bush eingeladen wurden und ein Gespräch mit ihm geführt haben über neue Medien und Kriegsführung, und George Bush dann auch in einem vielzitierten Satz gesagt hat, dass die Milblogger eine ganz wichtige Rolle spielen im Onlinekampf um Ideologie, so hat er das ausgedrückt.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir reden über bloggende Soldaten mit der Medienwissenschaftlerin Johanna Roering. Sie hat ein Buch über soldatische Berichterstattung in digitalen Medien geschrieben. Und Sie zitieren in Ihrem Buch einen amerikanischen Thinktank, der im Prinzip das sagt, was auch George W. Bush gesagt hat, dass nämlich die psychologische Kriegsführung, also auch die mediale Kriegsführung einflussreicher sei heute als die realen Kampfhandlungen, also als der tatsächliche Krieg. Schlägt sich das denn nieder im heutigen Umgang der Militärführung mit den Bloggern unter den Soldaten?
Roering: Auf jeden Fall. Also es gibt ganz viele Versuche, die Milblogger jetzt auf die Seite des Verteidigungsministeriums zu ziehen. Petraeus, als er noch nicht in Ungnade gefallen war, war bei den Milbloggern auf einer Konferenz. Die versuchen, die mit einzubeziehen und auch so die wichtige Vernetzungsarbeit, die diese Military Blogger leisten, für sich fruchtbar zu machen.
Meyer: Das heißt, man muss diese soldatischen Blogs heute als Teil eigentlich der Propagandamaschine des Pentagon ansehen?
Roering: Nicht alle. Es gibt auch einfach den Blog von Soldat Joe, der halt eben über das Essen schreibt, um seiner Verlobte zu versichern, dass er noch lebt. Und es gibt auch die kritischen, aber es gibt auf jeden Fall Blogs, die ganz klar Teilhabe an der Kriegsführung beanspruchen und die dann mit dieser Mischung zwischen Alltagsbericht, Tagebucheintrag, Nachrichten und Kriegsführung da versuchen, an der Heimatfront aktiv mitzugestalten.
Meyer: Wenn diese Blogs so ein Teil der Kriegspropaganda werden, wie Sie das zum Teil eben beschreiben, dann liegt es ja eigentlich nahe, die passenden Blogs auch einfach zu erfinden oder bestehende Blogs zu manipulieren oder einfach die richtigen Blogs nach vorne zu stellen. Gibt es solche Versuche seitens der amerikanischen Militärführung?
Roering: Also das würde ich auch gerne wissen. Es war schwierig für mich, herauszufinden, ob es da manipulierte Blogs gibt oder nicht. Und ich habe zwar teilweise mit den Soldaten gesprochen, aber die Soldaten sind ja Angestellte des Pentagons, das heißt, ob die jetzt das schreiben, was ihnen da jemand sagt, das kann natürlich sein und das kann ich nicht überprüfen. Es liegt nahe. Aber ich möchte da jetzt auch keine Verschwörungstheorien starten.
Die Blogs, die offiziell vom Verteidigungsministerium gestartet wurden, sind nicht besonders gut angenommen worden. Also es gab ganz offizielle Versuche, so ein Department-of-Defense-Live-Blog, eine Department-of-Defense-Social-Networking-Seite populär zu machen oder da viele Leser zu werben. Und da hat einfach das Verteidigungsministerium das Problem von allen Institutionen, dass bei neuen Medien diese gewollten, diese gezielten Unternehmungen nicht besonders gut angenommen werden, sondern die Blogs, die den Geschmack des Verbotenen, des Geheimen, des noch nicht Bekannten haben, dass die viel eher gut ankommen.
Meyer: Was denken Sie denn, welche Rolle werden solche bloggenden Soldaten in Zukunft spielen?
Roering: Also ich glaube, die bloggenden Soldaten werden wahrscheinlich eine kleinere Rolle spielen, weil der Blog ja schon fast wieder out ist. Viele von den Soldaten sind jetzt schon weiter gewandert zu Facebook oder Twitter oder neuen Medien, von denen ich wahrscheinlich noch gar nichts weiß, aber von denen eben ein 19-Jähriger weiß.
Meyer: Aber man kann die Frage ja erweitern und fragen: Das Prinzip ist ja immer der unmittelbare Kontakt, direkt von den Soldaten in die Öffentlichkeit. Was denken Sie, wie wichtig wird das bei den Kriegen der Zukunft sein?
Roering: Ich denke, das wird auf jeden Fall wichtig, und zwar auf mehreren Ebenen. Erstens ist es so, dass sich die Kriegsführung sowohl in den Medien als auch auf dem Schlachtfeld vernetzt und auch wirklich im technologischen Kommunikationssinne vernetzt. Also dass viele Soldaten jetzt einen Computer dabei haben, während sie in ihrem Humvee sitzen und da schon Updates kriegen. Also das heißt, diese Blogs spiegeln auch so ein bisschen eine Art der Kriegsführung wider. Das ist eine Art, auf die diese Kommunikationstechnologien auf jeden Fall eine wichtige Rolle spielen werden. Dann haben die eine ganz wichtige Funktion für Soldaten, die nach Hause kommen. Da Blogs und Twitter und Facebook denen ein soziales Netzwerk bieten können, in dem zum Beispiel posttraumatischer Stress thematisiert werden kann.
Und dann denke ich, für uns ist diese Entwicklung sehr wichtig, weil wir als Leser uns immer besser schulen müssen, um zu erkennen, was denn jetzt hier Meinung ist, was Propaganda ist, was vielleicht so eingefärbt ist, dass die Mutter es auch lesen kann. Das heißt, eine wichtige Auswirkung auf die Zukunft des Krieges ist, dass die Grenzen zwischen Nachrichten, Propaganda und persönlicher Botschaft, die sowieso nie klar gezogen waren, noch viel massiver verschwimmen und wir als Nutzer wirklich versuchen müssen, genau darauf zu achten, was wir da lesen, und versuchen, das einzuordnen und erst dann unsere Meinung zu bilden.
Meyer: Der bloggende Soldat oder der digital kommunizierende Soldat wird häufiger werden in Zukunft. Das meint die Medienwissenschaftlerin Johanna Roering. Ihr Buch heißt "Krieg bloggen - Soldatische Kriegsberichterstattung in den digitalen Medien". Das Buch ist im Transkript-Verlag erschienen. Frau Roering, vielen Dank für das Gespräch!
Roering: Danke schön!
Meyer: Und morgen werden wir hier im Radiofeuilleton unsere Reihe zur Zukunft des Krieges fortsetzen. Dann wird es um das Thema "Gezielte Tötung statt Flächenkrieg" gehen. Morgen um 14 Uhr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.