Wie dreckige Diesel wieder sauber werden
Ein neuer Katalysator könnte schmutzige Dieselfahrzeuge vor einem Fahrverbot bewahren und die Verschrottung zahlreicher Autos verhindern. Über das große Nachrüsten müssen sich Politik und Industrie allerdings noch einigen.
"Mein Auto steht hier, hinter dem Baum, der A4", sagt Hartmut Bäumer. Der pensionierte Richter in Berlin steht vor seinem Audi A4, Baujahr 2009. Abgasnorm "fünf. Und Motor EA 189, also die meistgebauten Motoren mit diesem Problem."
"Dieses Problem" ist eine illegale Abschalteinrichtung. Die sorgt dafür, dass der Wagen die gesetzlichen Grenzwerte für giftiges Stickstoffdioxyd nur auf dem Prüfstand einhält, nicht aber im Straßenverkehr. Nicht allen Autoherstellern konnte eine solche Betrugssoftware nachgewiesen werden. Aber, sagt Reinhard Kolke, Technikchef des ADAC: Es gibt fast keine Diesel-PKW, die die gesetzlichen NOX-Grenzwerte im Straßenbetrieb einhalten:
"Faktisch ist es so, dass alle Diesel im Emissionsstandard Euro 6, die nicht Euro 6d oder 6d-temp sind, und natürlich auch Euro 5 und Euro 4 sehr hohe Emissionen haben. Und das durch die Bank."
"Wir könnten in allen Fahrverbotszonen fahren"
Die Folge: In vielen Städten ist die Luft verpestet, immer mehr Gerichte verhängen Fahrverbote – auch für Berlin. Betroffen wäre dann auch Diesel-Besitzer Hartmut Bäumer. Deshalb will er seinen Wagen nachrüsten, mit einem SCR-Katalysator: "Ich bin der Meinung, dass ist die Lösung für die Masse der Betrogenen, weil wir dann auf Abgasnormen kommen, die etwa dem 6d entsprechen."
Also der aktuellen Abgasnorm. Bei einer Nachrüstung würde in alte Diesel ein Katalysator eingebaut und ein Tank für Harnstoff. Der Harnstoff reagiert im Katalysator bei hohen Temperatoren mit dem giftigen Stickstoffdioxid im Abgas zu Wasser und harmlosem Stickstoff:
"Das heißt, wir könnten in allen Fahrverbotszonen fahren, die es jetzt gibt und geben wird. Die Autos müssen nicht verschrottet werden, man kann sie nutzen, sie sind ja auch in der Regel auch gut erhalten. Das ist die richtige Lösung, die ich von den Herstellern und von der Politik längst erwartet hätte. Aber anscheinend ist die Regierung ja wirklich Handlanger von VW und anderen Herstellern."
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, CSU, weist das zurück und reicht den schwarzen Peter weiter, an die Hersteller. Er sagte vor zwei Wochen im Bundestag: "Die Nachrüstindustrie hängt nach bei den PKW. Das ist der Hintergrund. Ich kann im KBA keine Teile genehmigen, weil es keine gibt."
Das war schon vor zwei Wochen falsch.
Ein neues System verspricht Abhilfe
Marcus Hausser ist Vorstandsvorsitzender der Baumot Group, einem Hersteller für Abgasnachbehandlungssysteme. Unter dem Namen Twintec vertreibt er das "BNOX System", das Abgase von Diesel-PKW reinigt:
"Beim PKW haben wir im Moment sieben oder acht verschiedene Modelle, die wir umgebaut haben, die zum Teil jetzt seit längerem in unabhängigen Tests unter anderem auch beim ADAC laufen."
Reinhard Kolke, Technikchef des ADAC, der Diesel-Abgas-Reinigungen von Twintec und drei anderen Herstellern testet: "Unsere Ergebnisse zeigen, wir können die Abgas-Emissionen bei den Stickoxiden um 50-70 Prozent senken, wir haben keinen Leistungsverlust und der Mehrverbrauch von sogenannten SCR-Systemen liegt bei ein bis maximal sechs Prozent."
Vielversprechende Testergebnisse
Noch besser kommen Abgas-Reinigungen für alte Diesel in den Tests von Axel Friedrich weg, einem ehemaligen Abteilungsleiter beim Umweltbundesamt, der den ganzen Dieselskandal mit aufgedeckt hat:
"Wir haben drei davon getestet. Die funktionieren hervorragend. Der Passat von Twintec hat eine Minderung von 95 Prozent, der A3 von Pley um 85 Prozent. Wir haben Werte, die besser sind, als die meisten Euro 6 Fahrzeuge, die verkauft werden."
Nach diesen Tests wären also mit Hardware nachgerüstete, zehn Jahre alte Diesel sauberer, als die allermeisten Neuwagen heute und wären von keinem Fahrverbot betroffen. Das gelte selbst für noch ältere Euro-4-Diesel, sagt ADAC-Tester Kolke, eine Autoklasse, von der die Bundesregierung behauptet, sie ließe sich nicht nachrüsten:
"Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass so eine technische Lösung auch bei Euro 4 Fahrzeugen grundsätzlich möglich ist."
Hersteller sieht Handlungsbedarf seitens der Politik
Warum aber kann man nicht in die Werkstatt gehen und sich so ein System einbauen lassen? Schließlich hat die Bundesregierung doch angekündigt: Euro-5-Diesel-Besitzer, die in einer von 14 besonders belasteten Städten leben oder arbeiten, können nachrüsten und Fahrverboten entgehen.
"Das ist im Moment nur eine Aussage vom Bundesminister", sagt Marcus Hausser von Twintec, dem Hersteller für Diesel-Abgas-Reinigungssysteme. "Was wir jetzt brauchen, ist das im Prinzip auch in einer entsprechenden Verordnung. Da muss eine Regelung her, die besagt: Du hast nachgerüstet, also gilt für Dich das Fahrverbot nicht."
Außerdem muss das Kraftfahrtbundesamt die Abgasreinigungssysteme prüfen und eine Allgemeine Betriebserlaubnis ausstellen, damit die Systeme überhaupt in Autos eingebaut werden dürfen. Doch wann wird das geschehen? Der Sprecher des Verkehrsministers will kein Datum nennen:
Die Kosten soll die Autoindustrie tragen
Das Kraftfahrtbundesamt sei jedoch bemüht, korrekt und zügig zu arbeiten, sagt Baumot-Chef Marcus Hausser:
"Ein bisschen anders sah es im Verkehrsministerium aus. Ich denke mal, da hat man in der Vergangenheit wirklich versucht, das Thema auszusitzen und zu verschleppen. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten nicht mehr den Eindruck, dass das der Fall ist. Ich denke mal, im Verkehrsministerium und auch im Kanzleramt wurde der Schuss durchaus vernommen."
"Ich denke, im Laufe des Jahres 2019 werden erste Systeme im Markt verfügbar sein können", sagt ADAC-Experte Kolke, "sofern der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen schafft und die Autohersteller auch mitspielen. Denn die Kosten sollten die Hersteller übernehmen für eine solche Nachrüstung von fast nagelneuen Fahrzeugen."
Denn ein SCR-Katalysator-System, das schmutzige Diesel säubert, kostet inklusive Einbau mindestens 2000 Euro.