Nachruf auf Ennio Morricone

Er verhalf der Filmmusik zu Raum

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Der italienische Komponist Ennio Morricon im Kolloseum in Rom.
Der italienische Komponist Ennio Morricone. © picture alliance / ZUMA Press / Cecilia Fabiano
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Er war einer der ganz Großen seines Fachs: Ennio Morricone komponierte die Musik für Hunderte von Filmen und schenkte der Welt Melodien, die so wichtig waren wie die Bilder auf der Leinwand. Nun ist er im Alter von 91 Jahren gestorben.
Der legendäre Filmkomponist Ennio Morricone ist tot - er starb im Alter von 91 Jahren in einer Klinik in Rom. Morricone wurde unter anderem mit Filmmusiken für Sergio Leones Italowestern weltberühmt (u.a. "Für eine Handvoll Dollar", "Zwei glorreiche Halunken").
Insgesamt schrieb er mehr als 500 Soundtracks zu Filmen unterschiedlichster Genres. Immer wieder arbeitete er mit den namhaftesten internationalen Regisseuren zusammen. Über 50 Millionen Alben wurden mit seiner Musik verkauft.
Morricones Einfluss und Renommee reicht weit über die Welt der Filmmusik hinaus: Im Bereich der experimentellen Rockmusik zählt etwa Mike Patton (u.a. "Faith No More") zu seinen größten Bewunderern. Auf seinem Label Ipecac Records veröffentlichte Patton eine Auswahl von Morricones experimentelleren Arbeiten.

Prägende Werke auf verschiedenen musikalischen Feldern

Morricone studierte bis 1956 am Conservatorio Santa Cecilia in Rom. Danach wandte er sich der Neuen Musik zu. Erst ein halbes Jahrzehnt später begann er, auch Musik für Filme zu schreiben. Der Erfolg stellte sich innerhalb kurzer Zeit ein.
Arrangements von Schlagern und Filmmusik, aber auch die Avantgarde: Man könnte von einer Doppelidentität Morricones sprechen. Für die Musikwissenschaftlerin Christiane Hausmann fallen diese beiden Seiten in verschiedene Zeiten der musikalischen Entwicklung Morricones: "Ursprünglich wollte er ein Komponist der musikalischen Avantgarde sein und sich vor allem mit den Tendenzen der zeitgenössischen Musik des 20. Jahrhunderts und der e-musikalischen Musik des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen."

Mehr Drehbuchautor als Komponist

"Filmmusik braucht Raum, um sich entfalten zu können", das war einer seiner Leitsprüche. Der Regisseur Sergio Leone, mit dem er häufig zusammenarbeitete, sagte über seinen langjährigen Freund, dieser sei "mehr Drehbuchautor als Komponist".
Schon während der Dreharbeiten zu "Spiel mir das Lied vom Tod" wurden am Set die Melodien von Ennio Morricone gespielt, die so zu einem zentralen Element des Films wurden. Hauptdarsteller Charles Bronson sagte später, er sei regelrecht "zugedröhnt" gewesen von der Musik.
Der Komponist Ennio Morricone bei seiner "The Farewell Tour" mit Taktstock in der Hand.
Ennio Morricone bei seiner "The Farewell Tour".© dpa / picture alliance / Christoph Soeder
Morricone sei ein "Meister der Kürzel" gewesen, sagte der Journalist, Komponist und Filmmusikexperte Matthias Keller in unserer Sendung "Kompressor". Wie kaum ein Zweiter habe der Musiker einprägsame Themen geliefert. Doch der Italiener habe die komplette Bandbreite der Musik beherrscht – von der Avantgarde bis zur Unterhaltungsmusik.
Für Keller ist Morricone deswegen nicht nur Filmkomponist, sondern ein Melodramatiker: "Man hat bei seinen Filmen den Eindruck, dass die Handlung stillstehen muss, damit sich seine Musik aussingen darf."

Schamoni: "Ich habe ihn quasi eingeatmet"

Von besonderer Bedeutung war Morricone auch für den Musiker und Entertainer Rocko Schamoni. Vor fünf Jahren veröffentlichte Schamoni ein Coveralbum mit Morricone-Titeln: "Für mich war er der größte noch lebende Filmkomponist der Welt." Das Werk von Morricone habe sich tief in sein Musikgedächtnis gegraben: "Ich habe ihn quasi eingeatmet", sagte er in unserer Sendung "Tonart". Daher könne er die Welt ohne ihn kaum mehr verstehen, so Schamoni.


"Morricone war der perfekte Emotionisator", schwärmt Schamoni. Häufig seien die Filme nicht halb so gut gewesen wie das, was Morricone an Musik geschrieben habe. Schamoni würdigt zudem das umfassende Werk des Italieners. "Man sollte davon ausgehen, dass neun Zehntel seines Programms vergessen sind." Viele Filme seien in Deutschland gar nicht veröffentlicht worden und die dazugehörigen Soundtracks hierzulande unbekannt.

Ikonenhafte Musik für ikonenhafte Bilder

Für den Filmkomponisten und Produzenten Micki Meuser war Ennio Morricone einzigartig und hat in der Filmwelt Maßstäbe gesetzt: "Man kann ihn nicht weiterentwickeln oder kopieren", erklärte er in unserer Sendung "Fazit". Sein großes Verdienst für die Filmmusik ist, dass er sie zum ersten Mal ins Rampenlicht und ins Bewusstsein der Menschen gestellt hat."
In Hollywood sei es ehemals üblich gewesen, über die ganze Länge des Films Musik einzusetzen. Davon habe sich Morricone gelöst und ikonenhaften Bildern ikonenhafte Musik entgegengesetzt, so Meuser.

Der Groll des Ennio Morricone

Den von Morricone mitunter gehegten Groll, oft nur als Filmkomponist betrachtet worden zu sein, kann Meuser nachvollziehen:
"Das geht vielen Filmkomponisten so, besonders, wenn sie mit der zeitgenössischen Orchestermusik verglichen werden. Wir Komponisten und Komponistinnen sind auditive Menschen. Wir wollen Musik schaffen. Und eigentlich ist Filmmusik ein 'Job'. Wir setzen unsere Musik, unser Herzblut, in passender Weise zum Film um. Das ist aber immer 50 Prozent Dienstleistung, während die Aufführung einer zeitgenössischen Musik oder eines Orchesterwerks die hundertprozentige Selbstverwirklichung des Komponisten oder der Komponistin ist."

Kammermusik, Kantaten und Messen

Neben Filmmusik komponierte Morricone auch Kammermusik für Solisten und Ensembles sowie Kantaten und Messen. Er wurde sechsmal für den Oscar nominiert, bis er ihn endlich erhielt: 2016 für die Musik von "The Hateful Eight", ein Film von Quentin Taratino. 2007 hatte er bereits den Ehrenoscar für sein Lebenswerk bekommen.
Erst spät in seinem Leben bekam Ennio Morricone so die Anerkennung, die er schon in den 1960er-Jahren für seine stilprägende Arbeit verdient gehabt hätte, sagt unser Filmmusikexperte Vincent Neumann im Nachruf-Gespräch. Besonders durch die Zusammenarbeit mit Regisseur Quentin Tarantino erlebte Morricone gerade bei den jüngeren Filmfans noch einmal einen Popluaritätsschub.

Unermüdlich mit Chor und Orchester unterwegs

In den letzten Jahren tourte der gebürtige Römer unermüdlich mit Chor und Orchester durch die großen Arenen Europas. Erst im Januar 2019 gab Ennio Morricone in Deutschland sein offizielles Abschiedskonzert – vor ausverkauftem Haus und Standing Ovations. Das würdige Ende einer großen Karriere!

Eine Auswahl der bekanntesten Filme mit Morricones Musik:

1964: Für eine Handvoll Dollar
1965: Für ein paar Dollar mehr
1966: Zwei glorreiche Halunken
1968: Leichen pflastern seinen Weg
1968: Spiel mir das Lied vom Tod
1970: Decameron
1973: Mein Name ist Nobody
1975: Die 120 Tage von Sodom
1978: Ein Käfig voller Narren
1982: Das Ding aus einer anderen Welt
1984: Es war einmal in Amerika
1987: The Untouchables – Die Unbestechlichen
1988: Cinema Paradiso
2012: Django Unchained
2015: The Hateful Eight

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