Das Interview mit Klaus Lederer in "Studio 9 am Abend":
Von Mutter Courage zu "Muddi"
Sie spielte Brecht am Berliner Ensemble und sang Brecht in aller Welt: Gisela May war eine der renommiertesten Bühnenkünstlerinnen der DDR. Nach der Wiedervereinigung trat sie in der erfolgreichen Fernsehserie "Adelheid und ihre Mörder" auf. Heute ist Gisela May im Alter von 92 Jahren gestorben.
Die Mutter Courage, das war Gisela May. Mehr als 13 Jahre lang stand sie in Brechts großer Frauenrolle am "Berliner Ensemble" auf der Bühne:
"Ich habe nie mit Brecht selbst gearbeitet. Ich bin erst 1961 ans BE gekommen. Damals gab es noch die Bestimmung, dass keine andere Bühne in Berlin seine Stücke spielen durfte. Was für mich nachvollziehbar war, denn Berlin war ja eine kleine Stadt, und so ein riesiges Stückmaterial war ja auch nicht vorhanden. Und natürlich war die Weigel daran interessiert, dass an ihrem Theater die großen Brecht-Stücke gespielt wurden."
Gisela May war noch nicht einmal Mitte 30, als sie in der Nachfolge von Helene Weigel die Paraderolle an der Brecht-Bühne in Berlin übernahm. Zehn Jahre hatte sie vorher unter Wolfgang Langhoff am Deutschen Theater die Klassiker rauf und runter gespielt. Bis zur "Wende" blieb sie am BE – als eine der profiliertesten und bekanntesten Schauspielerinnen im Osten Deutschlands.
"Ich habe nie mit Brecht selbst gearbeitet. Ich bin erst 1961 ans BE gekommen. Damals gab es noch die Bestimmung, dass keine andere Bühne in Berlin seine Stücke spielen durfte. Was für mich nachvollziehbar war, denn Berlin war ja eine kleine Stadt, und so ein riesiges Stückmaterial war ja auch nicht vorhanden. Und natürlich war die Weigel daran interessiert, dass an ihrem Theater die großen Brecht-Stücke gespielt wurden."
Gisela May war noch nicht einmal Mitte 30, als sie in der Nachfolge von Helene Weigel die Paraderolle an der Brecht-Bühne in Berlin übernahm. Zehn Jahre hatte sie vorher unter Wolfgang Langhoff am Deutschen Theater die Klassiker rauf und runter gespielt. Bis zur "Wende" blieb sie am BE – als eine der profiliertesten und bekanntesten Schauspielerinnen im Osten Deutschlands.
Das Privileg der Westreisen
Gisela May war eine der wenigen Künstler der DDR, die das Privileg hatten, ins westliche Ausland reisen zu dürfen. Die Brecht-Interpretin kam nicht nur nach Italien, sondern sogar bis in die USA und nach Australien. Hanns Eisler, der Komponist, hatte sie als Sängerin entdeckt und ermutigt. Mit seiner Musik und der von Kurt Weill wurde sie ab den 60er-Jahren international erfolgreich.
"Der Strehler hatte in Milano eine solche Vorarbeit für Brecht geleistet. Er hat ja die Dreigroschenoper heraus gebracht, und es war eine der wenigen Aufführungen, wo Brecht selbst noch hingefahren ist, um sich die Aufführung anzusehen und so begeistert war, dass er Strehler sämtliche Rechte für Italien übertragen hatte. Und so war das Publikum, das in meine Abende ging, die summten den Song vom Surabaya mit. Und eine internationale Presse, das setzt sich ja fort, das ging nach Frankreich und nach Amerika, und so kamen bald auch andere Angebote bis nach Amerika, wo ich eine jüdische Managerin hatte, die mich nach New York brachte, wo ich dann auch Lotte Lenya kennen lernte bzw. wieder sah."
"Der Strehler hatte in Milano eine solche Vorarbeit für Brecht geleistet. Er hat ja die Dreigroschenoper heraus gebracht, und es war eine der wenigen Aufführungen, wo Brecht selbst noch hingefahren ist, um sich die Aufführung anzusehen und so begeistert war, dass er Strehler sämtliche Rechte für Italien übertragen hatte. Und so war das Publikum, das in meine Abende ging, die summten den Song vom Surabaya mit. Und eine internationale Presse, das setzt sich ja fort, das ging nach Frankreich und nach Amerika, und so kamen bald auch andere Angebote bis nach Amerika, wo ich eine jüdische Managerin hatte, die mich nach New York brachte, wo ich dann auch Lotte Lenya kennen lernte bzw. wieder sah."
Giesla May wurde am 31. Mai 1924 in Wetzlar geboren und wuchs in Leipzig auf, wo sie während des Zweiten Weltkriegs die Schauspielschule besuchte.
"Meine Eltern waren leidenschaftliche Antifaschisten, politisch engagiert. Eine Schallplatte, die sie besaßen, das war nach der Uraufführung der Dreigroschenoper, die wurde bei uns nur heimlich gespielt. Das war ausgesprochen gefährlich, zu erzählen, dass man diese Sachen besaß. Aber ich war fasziniert, mit 12 Jahren schon, den Mackie-Messer-Song, den konnte ich trällern, wie andere einen Schlager gesungen haben."
"Meine Eltern waren leidenschaftliche Antifaschisten, politisch engagiert. Eine Schallplatte, die sie besaßen, das war nach der Uraufführung der Dreigroschenoper, die wurde bei uns nur heimlich gespielt. Das war ausgesprochen gefährlich, zu erzählen, dass man diese Sachen besaß. Aber ich war fasziniert, mit 12 Jahren schon, den Mackie-Messer-Song, den konnte ich trällern, wie andere einen Schlager gesungen haben."
Präzision und Disziplin
Ihre antifaschistische und pazifistische Grundhaltung hat Gisela May ihr gesamtes Leben über geprägt. "Haltung" auch im weiteren Sinn: Wer je einmal mit ihr im Gespräch zusammen saß, konnte sich nur wundern über die Präzision und Disziplin, die in jedem ihrer Sätze zu spüren war. So perfekt und geschliffen wie die Interpretationen, mit denen sie Brechts Texte ausleuchtete.
Als Präsidentin der deutsch-italienischen Gesellschaft der DDR und Mitglied der Akademie der Künste war Gisela May eine der maßgeblichen Persönlichkeiten im Kulturleben der DDR. Sie glaubte lange an die Chance eines gerechten sozialistischen Staats auf deutschem Boden. Gegen die Ausweisung von Wolf Biermann 1976 protestierte sie nicht öffentlich, sondern diskret: in persönlichen Gesprächen mit Kulturfunktionären, wie sie in ihrer Autobiografie "Es wechseln die Zeiten" hervorhebt. Viele Jahre lebte Gisela May mit dem für die Staatsführung unbequemen Philosophen und Journalisten Wolfgang Harich zusammen.
Ihre Doppelrolle als Schauspielerin und Sängerin half Gisela May auch über die größte Enttäuschung ihres Lebens hinweg: ihre "Abwicklung" am Berliner Ensemble, 1992, nach 30 Jahren an dieser Bühne:
"Es war kein Abschied. Es war ein Abschied von einem Haus und von einem Ensemble. Es war in einer Zeit, wo man nicht absehen konnte, ob es überhaupt um Sinne Brechts weiterarbeiten würde. Es war die Zeit, da hatten sie sich diese idiotische Idee einfallen lassen, fünf Intendanten das Haus weiterführen zu lassen. Und mir mitgeteilt, sie hätten keine Aufgaben mehr für mich. Und das war mir auch klar, die Art und Weise, wie dann dort Theater gemacht wurde, da hätte ich wirklich keine Chance mehr gehabt."
Eine Chance bekam sie stattdessen in einer Rolle, die so gar nicht zur strengen Brecht-Figur passen wollte:
"Ich habe ja eine Serie im Fernsehen laufen, wo ich nicht als die singende May oder mit Brecht auch nu im Entferntesten identifiziert wäre. Sondern als Muddi in der Serie 'Adelheid und ihre Mörder'. Aber da ich Schauspielerin bin, mache ich das gerne und schlüpfe gerne in eine andere Figur hinein."
Von Mutter Courage zur "Muddi", vom epischen Theater ins Vorabendprogramm – zwar machten sie die Ausflüge ins humorige Fach einem breiteren Publikum bekannt. Dennoch wird Gisela May vor allem als eine große Brecht-Sängerin und -Schauspielerin in Erinnerung bleiben.
Künftiger Berliner Kultursenator würdigt May
Der künftige Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke), Jahrgang 1974, erinnert sich an Gisela May vor allem als Chansonniere - in dieser Rolle habe sie sich ihm von Jugend an "eingebrannt". Es gebe keine Brecht-/Weill-Interpretin, "die an Gisela May heranreicht". Darin sei sie für ihn "einzigartig". Auf ihre Rolle in der eher leichtgewichtigen Serie "Adelheid und ihre Mörder" angesprochen, sagt Lederer: Beides - anspruchsvolle Kunst wie leichte Unterhaltung - passten durchaus zusammen. Gisela May habe bereits im DDR-Fernsehen in verschiedenen, sehr erfolgreichen Serien mitgewirkt.
"Sie war einfach eine ganz, ganz sympathische Frau, mit einer unglaublichen Ausstrahlung." Zudem sei Gisela May auch eine politisch engagierte Frau gewesen und immer schon "links verortet".
Stationen in Gisela Mays Leben:
Als ausdrucksstarke Interpretin von Brecht-Weill-Chansons wurde sie berühmt. Ihre Soloabende bescherten Gisela May über Jahrzehnte Triumphe - von der New Yorker Carnegie Hall bis zur Mailänder Scala.
Doch sie bespielte auch kleinere Bühnen: Hier ist sie zu Gast im Studentenkeller "Zur Rosen" in Jena.
Zu Zeiten, da der DDR weithin die politische Anerkennung versagt blieb, wurde May in ihrem Heimatland die "Botschafterin des Chansons" genannt. Im Westen machte eher der Begriff der «sozialistischen Nachtigall» die Runde. May mag sich zu Mauerzeiten staatskonform verhalten haben, angebiedert aber hat sie sich nicht. So hielt sie etwa fest zu ihrem langjährigen Lebenspartner, dem von den Regierenden ins Abseits abgeschobenen systemkritischen Philosophen Wolfgang Harich.
Schon in den 1950er und 60er Jahren war May gelegentlich in Kinofilmen der DEFA und in Filmen des Fernsehens der DDR aufgetreten. Erfolg als Schauspielerin vor der Kamera verbuchte sie jedoch erst nach der Wende: Populär wurde sie an der Seite von Evelyn Hamann in der von 1993 bis zum Tode Hamanns 2007 laufenden Serie "Adelheid und ihre Mörder". Hier ist sie mit zwei anderen Schauspiel-Kolleginnen zu sehen: Dagmar Manzel (links) und Ute Lemper.
1962 wechselte May an das damals von Brechts Witwe Helene Weigel geleitete Berliner Ensemble. Dort blieb sie 30 Jahre lang. Ihre oft spröde Interpretation komplizierter Charaktere, stets fern jeglicher Sentimentalität, ließ sie zu einer der wichtigen Schauspielerinnen des Hauses werden.