Nachtleben

Japan hebt ein fast 70-jähriges Tanzverbot auf

Tokio
Japan: Ausgehen erlaubt, aber Tanzen ab Mitternach nicht. © picture alliance / dpa / Foto: Friso Gentsch
Von Kathrin Erdmann |
Tanzen bis tief in die Nacht? In Japan war das bislang verboten. Nun aber wurde ein fast 70 Jahre altes Gesetz aufgehoben - zumindest ein bisschen.
Kurz vor Mitternacht - im "Vision" im Tokioter Partystadtteil Shibuya trudeln die Gäste langsam ein. Eine Gruppe junger Dänen steht an der Bar. Dass hier eigentlich tanzen verboten sein soll, können sie sich gar nicht vorstellen.
"In Dänemark ist es auch nicht verboten, wäre schon seltsam, wenn es hier so wäre."
Sein Freund neben ihm nickt:
"Also ich weiß auch nicht, aber mir gefällt es hier, gerade, weil man hier tanzen kann."
Und schon bewegt sich die Truppe in Richtung einer der vier Tanzflächen.
Eine halbe Stunde später - es ist also schon nach zwölf - in einem der hinteren Räume. Riko und Tamako, zwei Mittdreißigerinnen, heben die Arme in die Höhe und schwingen mit den Hüften. Aber Moment mal, das ist doch verboten?
Clubbesucher in Japan mussten unterschreiben, dass sie nicht ab Mitternacht nicht tanzen.
Clubbesucher in Japan mussten unterschreiben, dass sie nicht ab Mitternacht nicht tanzen.© Kathrin Erdmann
Sie können gar nicht glauben, dass Tanzen zu dieser Zeit eigentlich verboten ist - hoffentlich bekommen wir jetzt keine Probleme, sagen sie lachend …
Gar nicht zum Lachen fand das bislang Clubchef Daizo Murata:
"Wegen des bisherigen Gesetzes waren unsere Geschäfte ab Mitternacht sozusagen illegal. Ab und zu kam Polizei und hat uns kontrolliert, manchmal mussten wir dann unseren Laden für kurze Zeit schließen."

Tanzen in der Grauzone

Neben dem Vision besitzt der 51-Jährige noch eine weitere Disko, mehrere Bars und ein Fitnessstudio. Unumwunden gibt er zu:
"Unter diesen Bedingungen war es für uns natürlich auch schwierig, Kredite von großen Banken zu kommen oder Sponsorenverträge abzuschließen. Wir mussten uns also anderswo Geld besorgen, auch wenn es sich dabei vielleicht nicht immer um ganz saubere Unternehmen handelte."
Ständig bewegte sich Daizo Murata in einer Grauzone, hatte so auch Schwierigkeiten gute Musiker und DJs zu finden. In der Raucherecke der Disco steht Juya. Gleich wird er auflegen.
"Auch das Image der Nightclubs ist in Japan sau schlecht. Insbesondere haben die Menschen, die nicht hingehen, sehr viele Vorurteile. Daran sollte Japans in Zukunft arbeiten."
Dass das uralte Tanzverbot überhaupt abgeschafft wurde, ist Leuten wie Takahiro Saito zu verdanken. Der Anwalt sammelte für seine Petition "Let’s Dance" 160.000 Unterschriften.
Nach der neuen Vorschrift gehören Diskotheken nicht mehr zum Unterhaltungsgewerbe, also zum sexuell unmoralischen Gewerbe, sondern zum Vergnügungsgewerbe. Darunter jedoch fallen nun wieder andere Auflagen, die man erfüllen muss.

Verbot mit Lücken

Die Hürden seien nun teilweise sogar höher, sagt er. Die Disko muss zum Beispiel eine bestimmte Größe haben, das Licht etwa so hell wie im Kino vor Filmbeginn sein und darf nicht in einem Wohngebiet liegen.
Aber immerhin: Besucher müssen dann nicht mehr vor Eintritt unterschreiben, dass sie sich verpflichten, nicht zu tanzen.
"Ja, das japanische Tanzverbot hat an manchen Stellen wirklich absurde Formen angenommen. Die Clubbetreiber konnten sich so immer rausreden und sagen: Wir haben ein Schild aufgestellt und die Gäste unterschreiben lassen, dass sie sich an das Verbot halten. Aber dann haben die Kunden einfach losgetanzt, da konnten wir gar nichts dagegen machen - wir haben das aber nicht befördert, uns trifft keine Schuld."
Diskobetreiber Daizo Murata hat mit Blick auf das Ende des Tanzverbots bereits vor zwei Monaten eine Lizenz beantragt. Eine Antwort hat er noch nicht. Dennoch sagt er:
"Ich sehe das Ergebnis trotzdem positiv. Wir müssen zwar viele Punkte erfüllen, aber das ist wie beim Autofahren. Das darf man auch nicht ohne Führerschein. Wir müssen diese Hürde jetzt nehmen, auch wenn sie hoch und schwierig ist. Aber dann können wir eben auch ruhig unser Geschäft legal nach Mitternacht führen."
Illegal läuft es jedoch bisher auch ganz gut. Um zwei Uhr morgens sind alle Tanzflächen brechend voll, Gläser werden in die Höhe gehalten, der Alkohol fließt in rauen Mengen.
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