Nachwuchs-Detektiv mit schnoddriger Schnauze
Mit dem Roman "Rico, Oskar und das Herzgebreche" legt der bekannte Kinder- und Jugendbuch-Autor Andreas Steinhöfel die Fortsetzung seines Berliner Kinderkrimis vor. Darin sind Rico und Oskar einer Erpressung auf der Spur und kommen in Kontakt mit diversen Formen von Kummer.
Er ist ein komischer Melancholiker, ein ebenso witziger wie warmherziger Erzähler: Andreas Steinhöfel, der um die 20 Kinder- und Jugendbücher geschrieben hat, der unzählige übersetzt und alle wichtigen Preise für Kinder- und Jugendliteratur abgeräumt hat. Im vergangenen Jahr eroberte sein Berliner Kinderkrimi "Rico, Oskar und die Tieferschatten" nicht nur die Kinderherzen, sondern auch die Empfehlungslisten, und in diesem Frühjahr erschien die mit Spannung erwartete Fortsetzung. "Rico, Oskar und das Herzgebreche" heißt Andreas Steinhöfels neues Jugendbuch.
Schade ist es schon, wenn man den ersten Rico-Band nicht kennt – ganz einfach darum, weil man ein großartiges Vergnügen verpasst hat. Außerdem weiß man nicht von Anfang an, was für tolle Typen Rico und Oskar sind und wer denn eigentlich Irina ist oder die eklige Ellie. Aber keine Sorge, das erfährt man dann doch flott!
Sie sind ein total ungleiches Paar: der elfjährige Rico – "tiefbegabt", aber hochsensibel – und sein Freund Oskar – hochbegabt, aber tieftraurig. Beide haben nur noch einen Elternteil, und während sie im ersten Band einen geheimnisvollen Entführer entlarvten, geht es im zweiten um Erpressung. Allerdings nur vordergründig, denn vor allem geht es um das "Herzgebreche", um einen großen Kummer, der fast alle Figuren dieses Romans auf irgendeine Weise bedrückt, Erwachsene wie Kinder gleichermaßen: um eine verschwundene Mutter und einen weggelaufenen Vater, um eine "an der Vergesslichkeit" gestorbene alte Dame und ein schrecklich schlechtes Gewissen, um Liebeskummer und manches "Herzgebreche" mehr.
Doch trotz dieser Kümmernisse ist Steinhöfels Roman überhaupt kein trauriges Buch. Es übt einen Zauber aus, der vor allem daher rührt, dass Rico diese Geschichte seinem Tagebuch selbst anvertraut. Er ist ein begnadeter Erzähler mit schnoddriger Schnauze und einfühlsamer Beobachtungsgabe, ein naiver Komiker wider Willen und ein Sprachspieler der besonderen Art. Ricos Neugierde, seine ebenso klugen wie altklugen Bemerkungen, seine Worterklärungen und -erfindungen und vor allem seine luftigleichten Sprachbilder - das alles macht einfach einen Riesenspaß. Dazu sind seine vor Phantasie strotzenden Herleitungen von Begriffen wie Empfindsamkeit oder Melancholie, "Herzgebreche" oder "Schlammassel" (eine im Schlamm ertrinkende Assel, sprich: eine ausweglose Lage) kleine philosophische oder psychologische Abhandlungen über Allzumenschliches.
Vieles an diesem Buch erinnert – durchaus kalkuliert – an Erich Kästner: Der Handlungsort Berlin, die Freundschaftsgeschichte, die Krimi-Handlung und natürlich der Sprachwitz. Doch Andreas Steinhöfel ist kein Kästner-Epigone. Er spielt nur mit Motiven berühmter Kollegen, u. a. auch von Paul Maar. Was neben allem "Herzgebreche" und der Krimi-Handlung am wirkungsvollsten ist, ist seine indirekte Liebeserklärung an Berlin. Der Kreuzberger Kiez mit seinen Eisdielen und U-Bahn-Stationen, das Mietshaus mit seinen eigenwilligen Bewohnern, die Straßen mit ihren Gerüchen und Geräuschen, schließlich die Geborgenheit im "Miljöh" – genauer und liebevoller geht’s nicht! Berlin bleibt eben Berlin.
Nicht nur Jugendliche, auch vorlesende Eltern, die das Kind in sich noch spüren, könnten verzaubert sein von diesem Buch und es nachts heimlich unter der Bettdecke schnell zu Ende lesen. Denn der kleine große Erzähler Rico schafft es, dass beim Lesen "etwas Blau vom Himmel mit ein paar Strahlen Sonne dabei" in uns reinschlüpft. Wozu die herrlich skurrilen Illustrationen von Peter Schössow noch beitragen. Und was will man mehr?
Besprochen von Sylvia Schwab
Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und das Herzgebreche
Carlsen Verlag, Hamburg 2009
Ab 10 Jahren
269 Seiten, 12,90 Euro
Schade ist es schon, wenn man den ersten Rico-Band nicht kennt – ganz einfach darum, weil man ein großartiges Vergnügen verpasst hat. Außerdem weiß man nicht von Anfang an, was für tolle Typen Rico und Oskar sind und wer denn eigentlich Irina ist oder die eklige Ellie. Aber keine Sorge, das erfährt man dann doch flott!
Sie sind ein total ungleiches Paar: der elfjährige Rico – "tiefbegabt", aber hochsensibel – und sein Freund Oskar – hochbegabt, aber tieftraurig. Beide haben nur noch einen Elternteil, und während sie im ersten Band einen geheimnisvollen Entführer entlarvten, geht es im zweiten um Erpressung. Allerdings nur vordergründig, denn vor allem geht es um das "Herzgebreche", um einen großen Kummer, der fast alle Figuren dieses Romans auf irgendeine Weise bedrückt, Erwachsene wie Kinder gleichermaßen: um eine verschwundene Mutter und einen weggelaufenen Vater, um eine "an der Vergesslichkeit" gestorbene alte Dame und ein schrecklich schlechtes Gewissen, um Liebeskummer und manches "Herzgebreche" mehr.
Doch trotz dieser Kümmernisse ist Steinhöfels Roman überhaupt kein trauriges Buch. Es übt einen Zauber aus, der vor allem daher rührt, dass Rico diese Geschichte seinem Tagebuch selbst anvertraut. Er ist ein begnadeter Erzähler mit schnoddriger Schnauze und einfühlsamer Beobachtungsgabe, ein naiver Komiker wider Willen und ein Sprachspieler der besonderen Art. Ricos Neugierde, seine ebenso klugen wie altklugen Bemerkungen, seine Worterklärungen und -erfindungen und vor allem seine luftigleichten Sprachbilder - das alles macht einfach einen Riesenspaß. Dazu sind seine vor Phantasie strotzenden Herleitungen von Begriffen wie Empfindsamkeit oder Melancholie, "Herzgebreche" oder "Schlammassel" (eine im Schlamm ertrinkende Assel, sprich: eine ausweglose Lage) kleine philosophische oder psychologische Abhandlungen über Allzumenschliches.
Vieles an diesem Buch erinnert – durchaus kalkuliert – an Erich Kästner: Der Handlungsort Berlin, die Freundschaftsgeschichte, die Krimi-Handlung und natürlich der Sprachwitz. Doch Andreas Steinhöfel ist kein Kästner-Epigone. Er spielt nur mit Motiven berühmter Kollegen, u. a. auch von Paul Maar. Was neben allem "Herzgebreche" und der Krimi-Handlung am wirkungsvollsten ist, ist seine indirekte Liebeserklärung an Berlin. Der Kreuzberger Kiez mit seinen Eisdielen und U-Bahn-Stationen, das Mietshaus mit seinen eigenwilligen Bewohnern, die Straßen mit ihren Gerüchen und Geräuschen, schließlich die Geborgenheit im "Miljöh" – genauer und liebevoller geht’s nicht! Berlin bleibt eben Berlin.
Nicht nur Jugendliche, auch vorlesende Eltern, die das Kind in sich noch spüren, könnten verzaubert sein von diesem Buch und es nachts heimlich unter der Bettdecke schnell zu Ende lesen. Denn der kleine große Erzähler Rico schafft es, dass beim Lesen "etwas Blau vom Himmel mit ein paar Strahlen Sonne dabei" in uns reinschlüpft. Wozu die herrlich skurrilen Illustrationen von Peter Schössow noch beitragen. Und was will man mehr?
Besprochen von Sylvia Schwab
Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und das Herzgebreche
Carlsen Verlag, Hamburg 2009
Ab 10 Jahren
269 Seiten, 12,90 Euro