"Nachwuchs hat im Öffentlich-Rechtlichen keine Chance"

Moderation: Jürgen König |
Der Journalist Jörg Hafkemeyer hat ARD und ZDF mangelnde Nachwuchsarbeit vorgeworfen. Dass mit Günther Jauch wieder ein bekanntes Gesicht die Sendung von Sabine Christiansen übernimmt, zeige, dass die Öffentlich-Rechtlichen mehr nach der Quote schielen. Die heutigen Moderatoren-Stars hätten erst im Privatfernsehen ihre Chance erhalten.
König: Es war am letzten Freitag, da ereilte uns die Nachricht: Sabine Christiansen hört auf. Im nächsten Sommer ist Schluss, ab September 2007 wird Günther Jauch die Sonntagabend-Talkshow im Ersten Deutschen Fernsehen leiten. Wir haben diese Nachricht zu unserem Debattenthema gemacht, haben gefragt: Was sagen Sie zu dem angekündigten Wechsel? haben gefragt: Wie hat Sabine Christiansen mit ihrer Sendung die politische Kultur in unserem Land verändert? Und auch: Ist Günter Jauch ein geeigneter Nachfolger? - das Ergebnis dieser Debatte war eindeutig.

Immer nur noch die gleichen Typen - wie ein roter Faden zog sich dieser Satz durch alle Anrufe, durch alle Gespräche und also haben wir uns gefragt, warum sind es eigentlich immer dieselben Gesichter, die wir im Fernsehen sehen, Kerner, Pilawa, Günther Jauch, Reinhold Beckmann, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Frage geben wir an den Journalisten Jörg Hafkemeyer weiter, viele Jahre Hörfunk- und Fernsehkorrespondent der ARD im In- und Ausland und seit 1997 war er der erste Redaktionsleiter der Sendung "Sabine Christiansen". Guten Morgen, Herr Hafkemeyer!

Hafkemeyer: Schönen guten Morgen!

König: Warum sind es immer dieselben Gesichter. Gibt es keine anderen?
Hafkemeyer: Ach, wissen Sie, ich bin gar nicht sicher, ob das zunächst mal stimmt, dass es immer dieselben Gesichter sind. Die mussten sich ja auch entwickeln. Schauen Sie, nehmen Sie den Fall von Günther Jauch, wenn es überhaupt ein Fall sein sollte, oder einer wird. Der war 1985 Bayern 3-Redakteur, Hörfunkredakteur, zusammen mit einem jungen Mann, der seine Sendung moderiert hat, das war Thomas Gottschalk. So, das waren relativ unbekannte Leute, und vor 20 Jahren war die Generation der Entscheider, heute der Intendanten, der Direktoren, auch 20 Jahre jünger, das heißt, die waren alle Mitte 40. Und die anderen waren Ende 20, Anfang 30. Und die mussten bekannt werden, und sie sind, weder Jauch noch Gottschalk, nicht bei der ARD bekannt geworden, sondern sie sind zu den Privaten gegangen. Kerner hat SFB 3 eine Sendung moderiert, Berlin Brandenburg, Anfang der 90er Jahre, den kannte keiner. Wo hat er Karriere gemacht? - Bei den Privaten. Beckmann war ein zweitklassiger Sportreporter, oder drittklassig, beim WDR. Wo hat er Karriere gemacht? - Bei den Privaten. So, jetzt kommen sie zurück. Harald Schmidt war beim SFB, hat kleine Satirefilme gemacht, vergessen Sie das nicht.

König: Gut, aber das ändert ja nun nichts daran, dass die genanten heute omnipräsent sind.

Hafkemeyer: Ja.

König: Darüber reden wir.

Hafkemeyer: Omnipräsent, seit wenigen Jahren, muss man sagen, gemessen an der Geschichte des Fernsehens, sind die ja kurz omnipräsent und verdienen ja auch ganz gutes Geld.

König: Ja, aber offenbar doch in der Art und Weise, dass den Hörern, und das war absolut repräsentativ, die Hörer-O-Töne, die wie eben gehört haben, sich massiv beklagen, wir waren selber überrascht, über diese Debatte, es waren Dutzende Anrufer, die, so hatte man den Eindruck, seit Jahren darauf warten, endlich mal ihrem Unmut freien Laufe lassen zu können.

Hafkemeyer: Mich wundert das nicht. Das eine ist eben das Strukturelle, was wir eingangs angesprochen haben, und das andere ist eben, das was man zum Beispiel bei Sabine Christiansen sagen muss, das tun ja diese Männer nicht, die macht etwas zum zweiten Mal, was Männer nicht machen in diesem eitlen Geschäft Fernsehen, das ist ja viel eitler als Hörfunk, das muss man ja auch sagen, es hat sehr viel mit Eitelkeit zu tun und Omnipräsenz. Sie sagt nach einiger Zeit, ich gehe jetzt, ich höre auf. Das hat sie bei den Tagesthemen gemacht, das hätte sie nicht müssen, das hat sie jetzt gemacht, sie hätte es nicht müssen. Es ist ihre Entscheidung, was anderes zu machen. So, da nimmt sie sich aus dieser Omnipräsenz raus und will was anderes machen, das tun diese Männer nicht, einer von ihnen hat ja schon angedroht, dass er noch die nächsten 20 Jahre Fernsehen machen will.

König: Johannes B. Kerner bis 2020.

Hafkemeyer: Richtig.

König: Ist das auch ein ARD-Feldzug, sich ihre Leute von den Privaten zurückzuholen?

Hafkemeyer: Das wird Ihnen niemand so bestätigen, aber dass das ohne Strategie passiert, das Gerücht würde ich auch nicht verbreiten. Ich meine, wenn Sie sich angucken, wer bei den Privaten war, einige habe ich aufgezählt und da kommen ja noch andere zu, Frau Maischberger und andere, die jetzt zurückgekommen sind, ja auch Schmidt, und jetzt auch Jauch, die landen dann alle wieder bei der ARD.

Das hat sicherlich mehrere Gründe, unter anderem, ich zähle vielleicht mal drei auf, natürlich sind die Öffentlich-Rechtlichen seriöser als die Privaten insgesamt. Dann hat es den großen Vorteil für diese Art von Moderatoren, die jetzt zurückkommen, dass sich natürlich auch die Öffentlich-Rechtlichen sich boulevarisiert haben, das ist klar, also nicht mehr nur dieses staubtrockene Volkshochschulfernsehen, was früher immer kritisiert wurde, das macht es ihnen einfacher. Und Sie dürfen nicht vergessen, ein Mann wie Jauch hat vor zehn Jahren schon bei RTL rund zwei Millionen Mark im Fernsehen verdient. Für diese Summe kommt er bestimmt nicht zur ARD. Das heißt, die ARD zahlt auch mittlerweile sehr viel besser.

König: Hans Leyendecker hat gestern in der "Süddeutschen Zeitung" einen Kommentar geschrieben, in dem er doch sehr beklagt hat, dass die ARD sich da ja doch zwar sehr gute Leute, aber eben keine gestandenen Journalisten wieder ins Haus hole, und das könnte ein Pyrrhussieg sein, dass man am Ende zwar unschlagbar ist, indem man die ganzen großen Köpfe hat, aber letztlich auch, ja zernichtet, weil das nichts mehr ist, was dem klassischen Kulturauftrag des öffentlichen Rundfunks entspricht.

Hafkemeyer: Ich habe das auch gelesen. Ich will zwei Dinge dazu sagen. Erstens, da wird sich der Jauch wehren, er hat Journalismus gelernt, er hat volontiert richtig, im Hörfunkstudio des Bayerischen Rundfunks in Bonn damals. Ich denke, Kerner wird sich auch dagegen wehren, er hat auch Journalismus gelernt, also das ... gestandenen Journalismus, dann wäre der einzige Mensch, der im Talkshow-Geschäft wirklich gestandenen Journalismus in den letzten 15, 10 Jahren gemacht hat, wäre das Erich Böhme. So, und der war bei den Privaten, der war nicht bei Öffentlich-Rechtlichen, muss man sagen.

Gestandener Journalismus - Wissen Sie, dazu müsste man in diesem System ARD, das muss man vielleicht mal ein bisschen selbstkritisch sagen, auch dafür sorgen, dass man Leute qualifiziert für dieses Geschäft. Die erste Talkshow, die die ARD großformatig gemacht hat, war Sabine Christiansen, vor 10 Jahren. Da brach keine helle Begeisterung insgesamt aus, sie war bis zum Schluss eine ungeliebte Moderatorin, schauen Sie sich den Abschied an, der ist ja nun sehr unglücklich, sagen wir es mal kollegial und öffentlich.

König: Und hat das damals der Abteilung Unterhaltung zugeschlagen, das war eigentlich ein teuflischer Strategiezug, um die Chefredakteure nicht zum Zuge kommen zu klassen.

Hafkemeyer: Also die waren natürlich "not amused at all", das ist klar. Die haben ganz schön gewettert dagegen.

König: Das ist heute so und das bleibt so?

Hafkemeyer: Es sieht so aus. Das war damals der NDR-Fernsehdirektor Hans Jürgen Kellermeier mit dem Intendanten, Herrn Plog, der heute noch Intendant ist, Kellermeier ist jetzt ausgeschieden aus Altersgründen, die das in der Unterhaltung angesiedelt haben und das ist es zehn Jahre geblieben. Das hat die Sendung selber vor den Zugriffen der Politik natürlich geschützt, aber andererseits hat es dadurch auch viele Konflikte gegeben, das ist klar.

Nur muss man sich über eines im Klaren sein: Nach allem was ich höre, wird der Günther Jauch nicht die Sendung machen, die Sabine Christiansen gemacht hat. Das ist mal klar. Das Format hat natürlich auch eine Bestätigung erfahren nicht durch die Moderation, sondern durch die große Koalition, weil sie die Antagonismen nicht mehr haben, die schimpfen ja nicht aufeinander. Also bis zum Wahltag haben sie aufeinander geschimpft, dann mussten sie sich noch ein bisschen streiten und dann haben sie sich zusammen getan und jetzt sind ja die Unterschiede kaum noch zu erkennen...

König: Unsere Hörer haben sich beschwert, und ich finde auch zumindest teilweise zu Recht, dass dort nie richtige Gespräche geführt worden sein, es war ja kein argumentativer Schlagabtausch, sondern ein sich gegenseitig ins Wort fallen in einer immer sich steigernder Hektik.

Hafkemeyer: Ja. Ich glaube, wissen Sie, man muss mal mit einem Gerücht aufräumen. Solche Debatten wie im Bundestag in so einem kleinen Nebenparlament wie an der Budapester Straße 40 in der blauen Kugel, sind gewiss nicht dazu angelegt, jemanden zu überzeugen, auch um den Preis, dass er es auch noch öffentlich zugibt. Sie sind angelegt, um Positionen ...

König: Na gut, aber um Erkenntnis zu gewinnen, wäre es manchmal schon ...

Hafkemeyer: Das wäre schön.

König: Ja.

Hafkemeyer: So finden aber auch Debatten im Bundestag nicht statt. Das ist aber eine Kritik wirklich auch an die politische Auseinandersetzung, wie Debatten geführt werden bei uns im Land. Ich will jetzt die nicht da in eine allzu große Ecke stellen, aber Politiker führen ja auch keine Debatten, die zu substantieller Erhellung führten. Also, ich kann mich nicht erinnern in letzter Zeit, jedenfalls im Fernsehen nicht.

König: Noch mal zurück zu unserer Grundfrage. Gibt es keine anderen als die nun schon mehrfach genanten großen fünf, sagen wir mal, zum Beispiel Frank Plassberg, von "Hart aber fair" im WDR. War schon mal als Christiansen-Nachfolger im Gespräch, nun wird er es doch nicht. Warum nicht?

Hafkemeyer: Ja, ich will Ihnen was sagen, das hängt damit zusammen, dass natürlich die Geschäftsleitungen, im Fernsehen ist das so, natürlich auf die Einschaltquoten gucken. Und auf der einen Seite gibt es dann da Egoismen, Plassberg macht ja eine erfolgreiche Sendung im WDR Fernsehen, ihn dort nicht weggehen zu lassen, das hieße ja, man hätte schon wieder jemanden aufbauen müssen, ob das so der Fall ist, weiß ich nicht, andererseits, ob er die Quoten kriegt, die man bei Christiansen gesehen hat, jedenfalls jahrelang, und die man von Jauch erwartet, das hält offenbar die Geschäftsführung der beiden größten Häuser, die sich da eingeschaltet haben, also WDR und NDR, für ziemlich zweifelhaft. Also ist es so, dass sie wieder nach bekannten Gesichtern gucken.

König: Nachwuchsarbeit wird überhaupt nicht betrieben. Ich meine, das weiß jetzt jeder Bundesligatrainer, dass man die Nachwuchsabteilung fördern muss.

Hafkemeyer: Tja, warum sind diese jungen Leute damals, die jetzt omnipräsent sind, zu den Privaten gegangen? Weil sie diese Chance bei der ARD und dem ZDF nie bekommen hätten. Da haben Sie die Antwort.

König: Also, wäre das der Punkt, wo man ansetzen müsste, um die Sache zu ändern?

Hafkemeyer: Gewiss.

König: Nicht immer dieselben Gesichter. Ein Gespräch mit Jörg Hafkemeyer, Journalist und Professor für Journalismus an der Universität der Künste in Berlin.