Nachwuchsmangel am Herd

Extraschicht mit Sternekoch

Kochlehrling Elke Nüstedt arbeitet am 03.03.2014 bei den 22. Regionalen Jugendmeisterschaften in den gastgewerblichen Ausbildungsberufen in der Küche der Yachthafenresidenz Hohe Düne in Rostock.
Kochlehrling Elke Nüstedt in der Küche der Yachthafenresidenz Hohe Düne in Rostock © picture alliance / ZB / Jens Büttner
Von Tina Hüttl |
Obwohl Kochshows boomen, mangelt es im Kochberuf an Nachwuchs. Deutschlands größte Berufsschule für Gastgewerbe will angehenden Köchen mithilfe von Sterneköchen nun Mut und Lust auf den Beruf machen.
Christian Lohse: "Mon Chef, mon General?"
Azubi: "Oui."
Lohse: "Machste bitte mal die Ränder sauber, das muss immer nett aussehen. Mach Butter und Olivenöl rein. Du willst also Risotto kochen, hast du gesagt? Hau rein, gib Gas, kein Wein ablöschen. Mach keinen Quatsch."
Hitze, Stress und Kommando-Ton ist der junge Koch-Azubi gewohnt. Mit dem Handrücken wischt er sich kurz über die heiße Stirn, schiebt die Kochmütze zurecht, dann weiter: Die Zwiebeln zur ausgelassenen Butter, den Reis untermischen, Suppenfond aufgießen und rühren – nur nicht zu kräftig, sonst schimpft Lohse.
Lohse, Christian Lohse, ist nicht irgendein Lehrmeister: Normalerweise befiehlt der zweifach dekorierte Sternekoch die Küche des Berliner Regent Hotels. Heute jedoch die Übungsküche der Brillat-Savarin-Schule in Berlin-Weißensee, dem größten Oberstufenzentrum für Gastgewerbe in Deutschland.
"Das Erste, was ich heute morgen gesagt habe, war: Das Leben dreht sich nicht um den Herd. Das wollen wir vermitteln und, dass wir auf hohem menschlichen Niveau - weg von dem Gebrülle in Küche - einen Beruf ausüben können, der sicherlich eine gewisse kernige Robustheit erfordert.
Früher war ich ein Haudrauf, ekelhaft, man hat mich mal das größte menschliche Arschloch genannt, was rumkriecht ..."
Er habe sich geändert, sagt er. Gemütlich geht es trotzdem nicht zu. Lohses Bauch und Ego sind groß. Die 18 Auszubildenden hat er auf verschiedene Küchenposten geschickt. 16 Männer und zwei Frauen, die Köche werden wollen und sich nicht abschrecken lassen: von harter Arbeit, vielen Überstunden, wenig Geld und Küchenchefs, die gerne brüllen.
Die Menschen glücklich machen
Während die einen das Pfifferlingsrisotto für den ersten Gang zubereiten, filetieren andere Kabeljau, schälen Kartoffeln und schneiden Kräuter für die Remouladen-Sauce.
Azubi Thomas Reichel: "Fein schneiden, nicht hacken! Man muss bei Kräutern generell schneiden, weil sonst die ätherischen Öle verloren gehen. Jetzt hat er es noch mal gesagt, ich schätze mal auf Arbeit schimpft er mehr ..."
Köche Plus nennt sich die spezielle Klasse an der Berufsschule. Rein darf, wer als Auszubildender einen Notendurchschnitt von 2,5 und besser hat, nie unentschuldigt fehlt und von seiner Ausbildungsstätte eine Empfehlung bekommt.
"Wir machen zusätzliche Schulungen hier. Das, was wir heute machen, ist statt einem normalen Schultag, und so etwas haben wir fast jede Woche. Entweder nach dem Unterricht oder statt. Und ansonsten war es für mich eh die beste Entscheidung, weil das Coole ist an der Köche-Plus Klasse, hier sind viele, die älter sind. Das Durchschnittsalter ist 25 bis 26, also hat man mehr Leute, mit denen man auf einer Wellenlänge ist, als wenn man nur Leute in einer Klasse hat, die gerade die Schule beendet haben. Die meisten hier sind motivierter, ja so Sachen halt."
Thomas Reichel ist für die Remoulade eingeteilt. Schnittlauch, Dill, Kerbel und Petersilie liegen fertig in silbernen Schüsseln, nun ist der Estragon dran.
"Ich muss eine Schüssel holen, damit ich weiter arbeiten kann, kann keine Zeit verlieren. Ich bin am Überlegen, was ich mit dem Estragon machen soll ..."
Fünf Tage im Monat wird ein Azubi von seiner Ausbildungsstätte für die Berufsschule normalerweise freigestellt. Darüber hinaus gibt es für Reichel und die anderen Köche-Plus extra Unterricht, wie jetzt mit dem Sternekoch, und auch die Chance, für ein Praktikum ins Ausland zu gehen. Im Winter lernte Reichel in Norwegen, wie man Fisch zubereitet.
Der Estragon ist zur Hälfte klein, Reichel schleift das Messer nach. Er will mit seinem Essen die Menschen glücklich machen, sagt er, ob später einmal im eigenen Restaurant, einer Schulkantine oder in einer Sterneküche ist für ihn gleich.
Köche werden überall gesucht
Gesucht werden Köche überall. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Lehrlinge in Deutschland fast halbiert. Waren es 2006 noch knapp 43.000 Ausbildungsverträge sind es inzwischen nur noch rund 23.000. Köche-Plus will ehrgeizigen Azubis die Chance geben, noch mehr aus ihrem Beruf zu machen.
Christian Lohse: "Es ist auch so ein schöner belebender Beruf. Und man kann viele Leute kennenlernen. Als ich angefangen habe zu lernen vor 27 Jahren, war auf einer Ebene: Koch, Müllfahrer, Knacki. Hat sich verdammt viel verändert. Heute müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht entfremden, von dem was wir sind. Es gibt zu viele Stars in der Branche."
Das Risotto ist dem Meister nicht feucht genug.
"Wo ist Kelle, Mon General? Musst den Fonds reingeben. Mach bloß kein Scheiß." (Lachen) "Brühe drauf, sei nicht so schüchtern, Brühe drauf, der Reis muss feucht sein."
Lohse versteht die paradoxe Situation selbst nicht. Obwohl der Kochberuf noch nie so attraktiv war und Köche wie er heute Stars mit Spitzengehältern und vielen Fernsehauftritten sind, mangelt es der Gastro-Branche an Nachwuchs. Das liegt vor allem daran, dass die Hälfte der Koch-Azubis nach dem ersten Lehrjahr wieder hinschmeißen – so viel wie in keinem anderen Ausbildungsberuf. Das Risotto ist fertig, jetzt muss es schnell gehen, Lohse teilt die Azubis ein:
"Anrichten, bitte! Zwei Kellen, zwei Stationen, müssen vorher da sein. Musst jetzt Gas geben, musst Dich vorher organisieren, mein Freund. Teller bitte rüber tragen, Abfahrt, so geht los, hau rein, Vollgas ..."
Lena Cramer, 2. Lehrjahr, bringt die heißen Teller zum Tisch. In ihrem Restaurant haben von 12 Azubis sechs abgebrochen. Für sie ist ganz klar: Viele haben komplett falsche Vorstellungen von dem Beruf:
"Ich wusste, worauf ich mich einlasse, habe vorher Praktikum gemacht. Wenn man ins Fernsehen schaut, ja toll, keine Ahnung, Hänsler und die ganzen anderen und sagt: Voll cool. Das will ich auch machen und dann halt in der Küche steht und merkt: Ich darf anfangs nicht so tolle Arbeiten machen – da ist ein ziemlich langer Atmen dahinter – und Du arbeitest, wenn Deine Freunde frei haben. Und das muss man erst mal alles hinkriegen."
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