Der vergessene Einsatz
Deutsche Soldaten sind im Libanon im Einsatz, sie helfen das Land verteidigen gegen die zahlreichen Krisenherde drum herum. Der Einsatz ist teuer und ein Ende nicht in Sicht - und allmählich geht ihnen der Nachwuchs aus.
Eine Stunde Beirut. Mehr ist nicht drin für die 38 Besatzungsmitglieder des Schnellbootes "Frettchen". Ein paar Schritte im Hafen, ein schneller Rundumblick auf die Skyline von Beirut. In den Fenstern der dreißig- und vierzigstöckigen Häuser spiegelt sich die Morgensonne, während die Marinesoldaten wieder die Schiffsleinen einholen.
Das Schnellboot gehört zur kleinen Unifil-Flotte, die seit 2006 die Küste des Libanon schützt. Ein vergessener Einsatz, obwohl jedes Jahr Hunderte von deutschen Soldaten dafür abgestellt werden. Sie überwachen den rund 200 Kilometer langen und 82 Kilometer breiten Seeraum. Gesucht werden Schiffe, die Waffen, zum Beispiel Raketen für die Hisbollah-Miliz, schmuggeln. So lautet der ursprüngliche Auftrag der Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon, kurz Unifil. Korvettenkapitän Arne Pfingst verfolgt das Ablegemanöver. Heute ist keine Patroullie entlang der libanesischen Küste vorgesehen. Heute ist Trainingstag.
"Es sind ja nicht nur Überwachungsaufgaben die wir in See machen, sondern wir betreiben auch Ausbildung."
Fregattenkapitän Matthias Elvert beobachtet die zehn libanesischen Marinesoldaten in der Überwachungsstation im alten Leuchtturm von Beirut. Hier oben in dreißig Meter Höhe ist eine der neun Radarstationen entlang der Küste. Alle geschenkt von der Bundesregierung. Auf drei Radarschirmen verfolgen die Soldaten die Kurse von Schiffen, die in den Beiruter Hafen ansteuern oder auslaufen.
Elvert, Ex- Hubschrauberpilot der Marine, ist der deutsche Verbindungsoffizier zur libanesischen Marineführung. Der schlanke Brillenträger gehört vorübergehend zur deutschen Botschaft. Sonst ist er Inspektionschef an der Marineoperationsschule in Bremerhaven.
"Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, die libanesische Marine zu unterstützen und zu befähigen, indem wir Projekte realisieren, die in den Bereichen liegen Ausstattung, Ausrüstung und eben Ausbildung. Und da das Ganze sich außerhalb des Unifil-Rahmens abspielt, bin ich quasi derjenige, der dann bei der libanesischen Marine ermitteln muss, was ist eigentlich der Bedarf, in welchen Schritten soll sich hier die Marine weiterentwickeln, und der dann auf der anderen Seite Kontakte nach Deutschland pflegt zum Verteidigungsministerium und zum Auswärtigen Amt, um feststellen zu lassen, welche Projekte wollen und können wir realisieren, was macht Sinn und was ist finanzierbar."
Auf seinem Kontrollrundgang will der 45-Jährige sehen, was die Libanesen wirklich können und wo die Ausbildung ergänzt werden muss.
"Gutes Beispiel dafür ist diese Küstenradarstation. Wir haben hier entlang der libanesischen Küste Radarstationen, neun Stück an der Zahl, aufgebaut, mit denen die Libanesen in der Lage sind, ihre Territorial-Gewässer zu bewachen, zu kontrollieren. Und zunächst einmal wurde das anfänglich durch Ausbildungskommandos begleitet, die aus Deutschland kamen und nun ist es so, quasi in der Fortsetzung dessen, dass die beiden Ausbilder, die Unifil zugehören, die weitere oder kontinuierliche Ausbildung auch sicherstellen."
Die libanesische Marine muss sparen
Mucksmäuschenstill ist es im quadratischen Lehrsaal der libanesischen Marineschule in Jounieh, einem Stadtteil von Beirut. 40 Kadetten verfolgen jede Handbewegung von Oberleutnant Christopher Rasper, N7-1 im Marinejargon, was nichts weiter bedeutet als Ausbilder. Eine Stunde lang erklärt der Offizier, Mitte Zwanzig, wie ein Radarbild aussieht und welche Funktion die vielen Knöpfe am Gerät haben. Dann Pause.
Ein Spaziergang durch die Marineschule, vorbei an kleinen Häusern mit jeweils einem Unterrichtsraum. Drei sind fertig, an vier weiteren arbeiten Kadetten. Die libanesische Marine muss sparen, Kadetten und Ausbilder bauen deshalb ihre Schulhäuser selbst.
Rasper geht an den Neubauten vorbei, bereitet sich auf die nächste Unterrichtsstunde vor. Menschenführung steht jetzt auf dem Stundenplan. Menschenführung, wirklich?
"Weltfremd. Nein. Gerade im Unterricht merkt man, wie sie für unsere Ausbildungsmethoden und unser Verständnis für die Menschen und für die Untergebenen sehr aufgeschlossen sind. Und da bilden sich sehr, sehr interessante Diskussionen gerade mit dem jungen Offiziersnachwuchs. Der aktuelle Offiziersnachwuchs ist sehr, sehr interessiert an einem anderen Führungsstil wie es ihn in der Vergangenheit oder gerade noch aktuell in den Streitkräften gibt."
Rasper vermeidet dabei die Worte "autoritärer Führungsstil", während ihn libanesische Kadetten genau so bezeichnen. Mitspracherechte wie in Deutschland haben sie nicht.
Schnellboot Frettchen fährt mit fünf Knoten, rund neun Kilometer pro Stunde, über die spiegelglatte See. 26 Grad Außentemperatur, kein Wind, ideales Badewetter. Von hinten nähert sich das Landungsboot der Libanesen mit Höchstfahrt. An der Reling stehen dreißig junge Offiziersanwärter und beobachten das Postbeutel-Übergabe-Manöver. Eine Leine wird auf das Frettchen geworfen, ein Beutel rübergezogen, während die Schiffe weiterfahren. Nichts Schwieriges für die deutschen Soldaten, ein maritimes Kunststück für die libanesischen.
Die Postbeutel sind ohne nass zu werden auf dem deutschen Schiff angekommen. Übung gelungen. Arne Krüger lehnt sich an die Reling, genießt seinen Kaffee. Der Fregattenkapitän ist der Commander Task-Group, kurz CTG, der Chef der zwei deutschen Schiffe im Einsatzgebiet. Über ihm steht nur ein brasilianischer Admiral, der den gesamten Verband von neun Schiffen anführt, darunter Kriegsschiffe aus Bangladesh, Indonesien und Brasilien. Sie sind der Ersatz für Nato-Schiffe, weil europäische Staaten immer weniger Interesse an diesem Einsatz zeigen.
Mission mit bescheidenem Erfolg
"Ja, in der Tat. Anfänglich waren auch viele skandinavische Länder hier. Es war ein breites Sammelsurium von verschiedenen Nationen. Was die anderen Nationen machen, das kann ich nicht bewerten, in der Tat ist es aber so, dass Länder wie Bangladesh auch Soldaten an Land hier vor sich haben, genauso wie Pakistan, die Truppen hier vor Ort haben."
Bis 2006 blockierte die israelische Marine alle Häfen des Libanon und verhinderte jeden Handel. Was für den Libanon wirtschaftlich existenziell ist. Seit dem Einsatz der Unifil-Flotte sind die Häfen wieder offen. In dieser Zeit werden 54.000 Schiffe und Boote überprüft und 4000 an den libanesischen Zoll gemeldet. Mit bescheidenem Erfolg, wie später der libanesische Admiral Nasih Dschabaili bestätigt.
"Bisher haben wir nur ein Mal ein Schiff in Tripoli aufgegriffen auf Grund ihrer Warnung, die Waffen an Bord hatten. Und es wurde hier im Hafen von Beirut beschlagnahmt und ist immer noch im Hafen von Beirut. Die Waffen waren für Syrien bestimmt, nicht für den Libanon."
Ob diese Zahl stimmt, weiß CTG Arne Krüger nicht. Offiziell werden die Unifil-Schiffe von den libanesischen Behörden über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen nicht informiert. Und die Hisbollah-Miliz hat, so heißt es, enge Kontakte zur libanesischen Marine.
Verbindungsoffizier Matthias Elvert ist mit seinem Beobachtungs-Rundgang in der Radarstation fertig. Er greift an die Brille, schreibt Notizen in seine Kladde. Der Marineoffizier geht auf die kleine Terrasse des Leuchtturms, zeigt die unmarkierten Grenzen, die durch Beirut verlaufen. Südlich das Gebiet der pro-iranischen Hisbollah-Miliz, nördlich die Region, die von christlichen Milizen beherrscht wird. Im Stadtkern rund um das Regierungsviertel die libanesische Armee. Die bewaffneten Milizen sind aus dem Stadtbild verschwunden.
Allerdings: an zentralen Kreuzungen lagern Betonblöcke am Straßenrand und in den umliegenden Cafés sitzen Miliz-Angehörige in Jeans und Sporthemden, trinken Kaffee und beobachten das Treiben auf der Straße. Ihre Waffen liegen teilweise sichtbar in ihren geparkten Geländewagen. Elvert zuckt nur mit den Schultern. "Nicht mein Problem", soll das heißen.
"Aber Unifil hat natürlich aber auch im Besonderen eine politische Dimension. Unifil ist ja das Ergebnis des 33-jährigen Krieges zwischen Israel und den Hisbollah-Milizen im Jahr 2006. Und erst die Anwesenheit der Unifil-Kräfte hat ja dazu geführt, dass sich Israel mit seinen Kräften wieder zurückgezogen hat, hat ja erst wiederum dazu geführt, dass entsprechend auch der Handel über die Seewege wieder stattfinden konnte. Diese politische Dimension, die dieser Einsatz eben auch hat, wenn man das einbindet in die Gesamtsituation hier im Nahen Osten, lässt, glaube ich eher den Verdacht zu, dass ein Engagement, ein internationales Engagement, hier deutlich länger noch notwendig sein wird."
Nur wie lange? Selbst im Verteidigungsministerium spotten Offiziere bereits über die „Kaffeefahrten im Mittelmeer“. Noch fünf Jahre, noch zehn Jahre? Wieder zuckt Elvert mit den Schultern.
"Also, aus militärischer Sicht sieht man natürlich einen sehr kontinuierlichen, wenn auch sehr langsamen Fortschritt in der Entwicklung der Fähigkeiten, die die Streitkräfte hier im Libanon haben."
Verkehrsstau auf der Corniche, der Prachtstraße von Beirut. Die vierspurige Straße verläuft entlang der Küste. Familien flanieren auf dem breiten Fußweg. Kinder kicken am schmalen Strand, ein Dutzend junger Männer posieren stolz vor ihren 100.000-, 200.000-Dollar-Luxus-Autos. Wasser- und Kaffeeverkäufer drängeln vorbei. Die Frauen tragen meist europäische Kleidung, am Strand sogar Bikinis. Matthias Elvert sortiert im Wagen seine Unterlagen. Er ist auf dem Weg zu Admiral Nasih Dschabaili, dem Kommandeur der libanesischen Marine. Vorbei am Denkmal für den ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq al Hariri, der 2001 bei einem Bombenattentat auf seinen Fahrzeugkonvoi starb. Im Hintergrund einzelne unvollendete Hochhäuser.
Die syrischen Flüchtlinge können nicht mit Unterstützung rechnen
Die Rohbauten mit den vielen Bombentrichtern und Einschusslöchern wirken wie Mahnmale. Sie werden nicht weiter gebaut, obwohl der Immobilienmarkt in Beirut boomt. Eine 1,5 Millionen Dollar teure Wohnung mit Seeblick gilt als Schnäppchen. Ausweichen über die Charles Marlek Avenue, vorbei am Hollywood-Drive mit den teuersten Geschäften der Stadt, runter zur Seaside-Road. Unter den Straßenbrücken lagern Flüchtlingsfamilien aus Syrien. Mit Unterstützung durch die libanesische Bevölkerung können sie kaum rechnen. „Niemand im Land hat die zwanzigjährige Besatzungszeit durch die syrische Armee vergessen“, sagt Uwe Brettschneider:
"Ich sage mal, das ist fast schon eine Zeitbombe, die allmählich größer wird und explosiver wird. Erstens dadurch, dass die Zahl ganz allmählich, aber kontinuierlich anwächst. Wir haben im Moment fast die 800.000-Grenze erreicht und da reden wir jetzt nur über die UNHCR registrierten Flüchtlingen. Zweitens werden jetzt die kommenden Wintermonate die Leute vor allem in der Beka-Ebene und in den höher gelegenen Regionen vor große klimatische Herausforderungen stellen. Und drittens muss man einfach sehen mit jeder zunehmenden Kampfhandlung, die in Syrien erfolgt oder durchgeführt wird, wird der Flüchtlingsstrom hier in den Libanon vergrößert."
Brettschneider ist Verteidigungsattaché in der deutschen Botschaft und fährt ein Stück des Weges mit. Wir reden über Syrien, über die letzten Bombenanschläge in Beirut, über die Lage an der libanesisch-israelischen Grenze. Dort ist es ruhiger geworden, sagt Brettschneider, seit Hisbollah-Milizen an der Seite des syrischen Machthabers Assad gegen die Rebellen kämpfen. Und der Libanon? Kann es hier zu einem neuen Bürgerkrieg kommen?
"Also, da sind sich alle Gesprächspartner hier einig, gleich welcher Religionszugehörigkeit oder politischer Couleur: Ein Bürgerkrieg, wie es ihn zwischen 1975 und 1990 bzw. 1989 gegeben hat, ist hier unter keinen Umständen mehr zu erwarten. Also wir hatten ein Phase, ich sage mal vor einem Jahr ungefähr, als sich die Lage in Syrien deutlich zugespitzt hat, die Opferzahlen deutlich über 100 täglich angestiegen sind, mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Hot-Spots hier im Libanon Tripoli, wo sich Sunniten und Alawiten ja immer wieder begegnen, wo man Vergleiche gezogen hat, wo Libanesen Vergleiche gezogen haben mit der Zeit des Bürgerkrieges."
Einfahrt zum Marinekommando. Vier Wachleute prüfen Ausweise und Fahrzeuge, ein kurzes Telefonat folgt. Acht Marine-Boote unterschiedlichster Größe liegen im Hafen von Jounieh, eines steht aufgebockt an der Kaikante. Nichts erinnert mehr daran, dass es mal ein deutsches Polizeiboot war und ebenfalls ein Geschenk der Bundesregierung. Schon nach wenigen Einsätzen war die Maschine kaputt. Für Verbindungsoffizier Elvert ist das ein Beweis dafür, wie notwendig es ist, die libanesischen Marineangehörigen auszubilden.
"Das ist eins der drei von Deutschland zur Verfügung gestellten Booten. Es ist dann leider Gottes so irreparabel, dass es für den Seebetrieb nicht mehr taugt. Sie haben es an Land geholt. Inzwischen steht es an Land, erfüllt aber auch da wieder einen guten Zweck, weil man eben diese Schiffshülle gut nutzen kann, um dort Schiffssicherungsausbildung zu betreiben."
Schiffssicherung heißt übersetzt: Die libanesischen Kadetten lernen auf dem Schiff, Brände zu löschen und Schiffslecks zu schließen. Elvert schaut kurz in der Marine-Schule vorbei, bevor er sich vor einem weißen, zweistöckigen Gebäude am anderen Ende des weitläufigen Geländes meldet: dem Marine-Oberkommando.
Langatmige Lobeshymnen auf die Deutschen
Im zweiten Stock erwartet ihn Admiral Nasih Dschabaili. Schiffsfotos, Würdigungen, alles eingerahmt an den Wänden, die Nationalflagge im Hintergrund des großen Schreibtisches. Dschabaili begrüßt die Gäste mit orientalischer Höflichkeit. Starker, dickflüssiger Kaffee, Kekse, Rosinen und Nüsse werden serviert. Heutiges Thema: neue Werkstätten für die libanesische Marineschule. Die Kosten von rund 400.000 Euro finanziert das Auswärtige Amt. Es geht um Details wie Ausrüstung. Der Admiral hört zu, freut sich und setzt zu langatmigen Lobeshymen auf die Deutschen an. Elvert lächelt freundlich zurück.
"Die libanesische Marine weiß schon darum, dass mit der Ausrüstung, die sie hier erhält, auch Ausbildung notwendig ist. Dass sie in der Lage sein müssen, Instandsetzung zu betreiben. Das Bewusstsein ist da. Die Umsetzung wird erschwert gelegentlich durch die Tatsache, dass die Marine hier nur einen sehr geringen Anteil der gesamten Streitkräfte ausmacht und die vordringlichen Probleme, die die Streitkräfte hier zu bewältigen haben. Jetzt gerade in jüngster Zeit natürlich, die sich auch aus dem Konflikt in Syrien ergeben haben, das heißt, der Focus der Aufmerksamkeit der libanesischen Armee, die liegt eigentlich in erster Linie auf den Aktivitäten des Heeres.
Allerdings: Der Militäretat der libanesischen Regierung reicht dafür nicht aus. Die Marine mit ihren 1800 Soldaten muss sogar bei Unternehmen um Spenden betteln, um wenigstens die notwendigsten Anschaffungen kaufen zu können. Darüber will Dschabaili nicht reden. Es ist ihm vermutlich zu peinlich. So wie die gesamte Unifil-Unterstützung. Der Admiral erkennt die Notwendigkeit an, aber stolz macht es ihn nicht.
"Wir warten auf diesen Augenblick all den MTF, den Marine Task Force zu sagen: Vielen Dank. Wir sind sehr dankbar für das, wir ihr für uns getan habt. Aber wenn sie auf die MTF schauen, mit ihren Fregatten und ihren großen Schiffen, wenn wir die bäten zu gehen, wir können nicht rausgehen und ihre Jobs machen."
Und wann können sie? Der Admiral lässt sich Zeit mit der Antwort und der deutsche Offizier mag nicht glauben, was er hört:
"Wir haben einen Entwicklungsplan, der 5 Jahre umfasst. Wenn wir kriegen, was wir brauchen, was zum Beispiel auch die 60 Meter Boote beinhaltet. Ja, wenn wir in fünf Jahren all das bekommen, die Ausrüstung und so weiter, dann sind wir 2017 so weit alles alleine zu managen.
Für Matthias Elvert ist eine solche Aussage Wunschdenken. Aber das sagt der Fregattenkapitän erst, als der Admiral das Büro verlassen hat:
"Ich glaube die Aussage, dass die Deutschen dann hier nicht mehr gebraucht werden, ist sowieso nicht richtig und so von ihm auch nicht gemeint gewesen. Die libanesischen Streitkräfte haben einen Fünf-Jahresplan entworfen, in dem sie umreißen, was der akute Bedarf ist, um die ersten Aufgaben selbstständig und unabhängig auch wahrnehmen zu können. Was sie nur in Teilen berücksichtigen konnten, ist die Ausbildung und die Infrastruktur, die man dafür benötigt. Und das werden die Bereiche sein nach meiner Einschätzung, wo noch sehr viele Jahre darüber hinaus Unterstützung von außen notwendig sein.
An beiden Seiten des Schnellbootes Frettchen sind Maschinengewehre montiert, Tag und Nacht besetzt von Soldaten. Sie gelten als stärkster Schutz gegen sprengstoffbeladene Speedboote. Die Soldaten wirken entspannt. Der syrische Bürgerkrieg, die letzten Bombenattentate in Beirut. Sie reden darüber, sachlich, fast emotionslos. Die Nachrichten aus Warnemünde über Versetzungen, Freundinnen, Geburten, Hochzeiten haben einen deutlich höheren Stellenwert.
Hunderte Tage Abwesenheit von zu Hause
Tief im Schiff sitzt Martin Hacker in der dunklen und engen Operationszentrale des Schiffes. Ein großer Monitor vor sich, vier andere an den Wänden. Auf einem Radar-Bildschirm werden zwei israelische Flugzeuge anzeigt, die über Beirut fliegen.
Es gibt ja öfter mal Situationen, wo uns unbekannte Luftfahrzeuge anfliegen, wo man dem entsprechend reagieren muss, sprich: Die man abwarnen muss. Also, die reagieren dann aber meistens auch in dem entsprechenden Rahmen. Israelische Flugzeuge sieht man hier öfter, aber syrische Flugzeuge haben wir noch gar nicht gesehen.
Die Besatzung ist erst einige Wochen im Einsatz. Mehrere Unteroffiziere sind bereits zum dritten oder vierten Mal an die libanesische Küste abkommandiert. Nicht nur zur Freude der Soldaten, sagt der Obermaat aus Warnemünde:
"Ja, also wir haben schon teilweise über 260 Tage Abwesenheit vom Heimatstützpunkt. Oftmals merkt man das auch einigen Kameraden an, dass sie gerade schon sehr gestresst sind und vielleicht nicht ganz so belastbar in dem Rahmen sind."
Der Marine gehen die Soldaten aus. Über 1800 offene Stellen. Vor allem Unteroffiziere fehlen, die als Meister dafür sorgen, dass die Maschine läuft, elektronische Geräte funktionieren, der tägliche Betrieb auf den Schiffen nicht im Chaos endet. Oft wechseln diese Fachleute "fliegend" die Schiffe. Das heißt, sie kommen nach einem Einsatz zu Hause an und müssen mit dem nächsten Schiff schon wieder in den Einsatz.
Aufmerksam verfolgt Hacker auf dem Radarschirm den ungestörten Flug der israelischen Flugzeuge über das libanesische Hoheitsgebiet Richtung Syrien. Macht ihn der syrische Bürgerkrieg nervös?
"Ja, auf jeden Fall, Wir waren alle sehr angespannt und sind auch alle nervöser als normal. Aber uns ist auch klar, dass wir als UN-Einheiten nichts zu befürchten haben von Drittländern."
Rückfahrt nach Beirut. Soldaten platzieren Fender an den Schiffswänden, legen Wurfleinen bereit. In einigen Wochen sind alle Soldaten wieder in Warnemünde und neue Schiffe, neue Besatzungen erfüllen den Unifil-Auftrag.
Vielleicht noch fünf Jahre, vielleicht länger. Über die Kosten des Einsatzes will kein Offizier in Beirut reden: "Weiß ich nicht!", "Kenn ich nicht", sind die Standardantworten. Auf eine parlamentarische Anfrage nennt die Bundesregierung 75,1 Millionen Euro einsatzbedingte Zusatzausgaben – für die ersten zwölf Monate. Das war 2007. Nach sieben Jahren Unifil-Einsatz kommen so – grob geschätzt- fast eine halbe Milliarde Euro zusammen. Doch so genau will es Arne Krüger gar nicht wissen.
"Wir sind ja in der Tat dort, wohin uns die Politik schickt. Deshalb ist das auch immer eine politische Entscheidung, was für Kräfte hält man hier. Wir beraten dahingehend natürlich und ich sage halt auch, dass diese, was meine persönliche Meinung ist, operative Seephase, was die Seeraumüberwachung jetzt nicht so notwendig, wie es noch 2006 der Fall war, wo man wirklich die Blockade hier aufgehoben hat."
Ende der Dienstfahrt. Das Frettchen liegt an der Pier vom Beiruter Hafen und der Schiffskommandant Pfingst meldet heute seinem Vorgesetzten Krüger zum letzten Mal:
"Herr Kapitän, Korvettenkapitän Pfingst meldet Frettchen fest und klar in Beirut."
Peter Marx: "Die Politik fordert es, die Marine macht es, doch macht dieser Einsatz im Libanon überhaupt einen Sinn? Dieser Frage bin ich nachgegangen."